Nordrhein-Westfalen Verletzungen, Gefahr, Tierschutz: Böllern zu Silvester verbieten?
Privates Feuerwerk soll noch vor Silvester bundesweit verboten werden, fordern 30 Organisationen von Bundesinnenministerin Faeser. Bundesregierung und NRW-Landesregierung lehnen das ab.
Geht ein Jahr seinem Ende entgegen, taucht regelmäßig die Streitfrage auf: Soll das Abbrennen von privatem Feuerwerk an Silvester erlaubt sein oder nicht? Die einen sagen: "Silvester ohne Knallen ist kein Silvester". Die anderen meinen: "Machen wir schon lange nicht mehr."
Erneut positioniert hat sich am Donnerstag zu dieser Frage das "Aktionsbündnis für ein böllerfreies und friedliches Silvester". Seine aktuelle Forderung: Die Innenminister von Bund und Ländern sollen privates Feuerwerk verbieten.
Wer steckt hinter dem Bündnis?
Der Zusammenschluss wurde von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) 2021 initiiert und zählt mittlerweile 30 Organisationen. Dazu gehören die Bundesärztekammer, die Gewerkschaft der Polizei (GdP) und weitere Institutionen aus den Bereichen Gesundheit, Sicherheit, Umwelt- und Tierschutz.
Neu zu den Mitgliedern hinzugekommen sind nach DUH-Angaben kürzlich unter anderem die Deutsche Atemwegsliga, die Deutsche Lungenstiftung und die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin.
Was fordert das Bündnis genau?
In einem offenen Brief fordern die 30 Organisationen die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) auf, "den privaten Kauf und Gebrauch von Pyrotechnik zu Silvester dauerhaft zu beenden". Dafür müssten nach Angaben des Bündnisses lediglich zwei Sätze in der "Ersten Verordnung zum Sprengstoffgesetz" gestrichen werden.
DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch
"Es liegt in der Verantwortung der Bundesinnenministerin, rechtzeitig für mehr Sicherheit zum Jahreswechsel zu sorgen", sagte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch am Donnerstag. "Dafür muss sie die Zeit jetzt dringend nutzen, um noch in diesem Jahr ein bundesweites Böllerverbot durchzusetzen – zum Schutz von Menschen, Tieren und Umwelt."
Was sagt die Bundesinnenministerin dazu?
"Ein bundesweites Totalverbot privaten Silvesterfeuerwerks wäre nicht verhältnismäßig", heißt es aus dem Bundesinnenministerium. Das geltende Recht biete schon umfassende Möglichkeiten, um das Abbrennen pyrotechnischer Gegenstände zu begrenzen, teilte ein Sprecher auf WDR-Anfrage mit.
Das Abbrennen pyrotechnischer Gegenstände sei unter anderem in unmittelbarer Nähe von Kirchen, Krankenhäusern, Kinder- und Altersheimen verboten. Außerdem könnten die in den Ländern zuständigen Behörden anordnen, dass das klassische Silvesterfeuerwerk nicht in der Nähe besonders brandempfindlicher Gebäude oder Anlagen abgebrannt werden darf und dass Böller in bestimmten dichtbesiedelten Gemeinden zu bestimmten Zeiten nicht abgebrannt werden dürfen.
Darüber hinaus biete das Gefahrenabwehrrecht der Länder die Möglichkeit, räumlich und zeitlich beschränkte Verbote zu erlassen. Davon sei in der Vergangenheit in verschiedenen Großstädten Gebrauch gemacht worden, so das Bundesinnenministerium.
Was sagt die NRW-Landesregierung?
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sieht das angestrebte Komplett-Verbot kritisch. "Pauschal ist immer nicht gut", sagte er am Donnerstag dem WDR. Privates Feuerwerk sei ein Ausdruck von Lebensfreude. "Die Leute haben Spaß und Freude daran."
NRW-Innenminister Herbert Reul
Es habe allerdings auch Kehrseiten, es könne auch missbraucht werden. "Lasst uns deshalb lieber darüber nachdenken, dass die Städte und Gemeinden - wie bisher - sich genau anschauen: In welchen Gebieten ist es klug, ein solches Verbot auszusprechen?", so der Minister. Eine Entscheidung über mögliche Böllerverbotszonen liege in NRW bei den Kommunen.
Was spricht für ein Verbot?
Nach Angaben der DUH kamen in der vergangenen Silvesternacht in Deutschland insgesamt vier junge Menschen bei Feuerwerks-Explosionen ums Leben. Die privaten Feuerwerke führten zudem zu etlichen Verletzungen und unter anderem zu Tonnen an Abfall, wie DUH-Geschäftsführer Resch am Donnerstag kritisierte.
GdP-Vorsitzender Jochen Kopelke
Durch die zahlreichen Böller und Raketen befänden sich Ärzte sowie Polizei und Feuerwehr über Stunden und manchmal Tage in einer Ausnahmesituation. Jochen Kopelke, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), ergänzte: "Wir werden mit Feuerwerkskörpern angegriffen, teilweise gezielt in den Hinterhalt gelockt und beschossen."
Auch für die Gesundheit sei das Abbrennen von Pyrotechnik gefährlich, erklärte Norbert Mülleneisen, Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde und Umweltmediziner aus Leverkusen. "Wir wissen, dass Feinstaub Asthma verschlechtert und Bronchitis hervorrufen kann."
Franziska Wulff vom Jane-Goodall-Institut Deutschland, das ebenfalls Teil des Bündnisses ist, wies am Donnerstag auf die Situation der Tiere hin: "Die laute Knallerei, die grellen Lichtblitze und der scharfe Brandgeruch lösen bei vielen der Tiere, die mit uns leben und auch bei Zoo- und Wildtieren, Flucht- und Panikverhalten aus."
Was spricht gegen ein Verbot?
Klaus Gotzen, Geschäftsführer des Verbandes der pyrotechnischen Industrie (VPI), verweist auf die Tradition. Die Mehrheit der Menschen in Deutschland wolle daran festhalten, das neue Jahr mit Feuerwerk zu begrüßen. Das belege auch die Nachfrage: Nach Corona habe es einen riesen Run auf Feuerwerk gegeben.
Zudem könne ein Verbot kontraproduktiv sein: "Weil dadurch die Möglichkeit größer wird, dass Personen ins Ausland fahren und sich dort mit Feuerwerk eindecken." Das seien teilweise Produkte, die in Deutschland wegen ihrer Gefährlichkeit nicht zugelassen seien.
Auch VPI-Geschäftsführer Gotzen verweist darauf, das es bereits jetzt rechtliche Regelungen gebe, dass an bestimmten Stellen kein Feuerwerk abgebrannt werden dürfe. "Zum Beispiel in der Nähe von Altenheimen." Die Kommunen hätten zudem die Möglichkeit, weitere Orte zu Verbotszonen zu erklären. Die bestehenden Einschränkungen reichten deshalb aus.
Unsere Quellen:
- Online-Pressekonferenz der Deutschen Umwelthilfe (DHU)
- Offener Brief des Böllerverbot-Bündnisses an Nancy Faeser
- Statement des Bundesinnenministeriums gegenüber dem WDR
- Statement von Herbert Reul gegenüber dem WDR
- Statement von Klaus Gotzen vom (VPI) gegenüber dem WDR
- Nachrichtenagentur DPA und AFP