Gespräche in Athen Konsens - bis auf einen Punkt
Die Spitzen der griechischen Regierungskoalition haben den von EU, EZB und IWF geforderten neuen Sparmaßnahmen weitgehend zugestimmt. Lediglich die Frage der Rentenkürzungen ist weiter strittig. Am Abend wollen die Finanzminister der Eurozone über das neue 130 Milliarden Euro schwere Hilfspaket beraten.
Die Gespräche der griechischen Regierung mit den Experten der Troika sind am frühen Morgen mit einer Einigung bei den meisten Themen zu Ende gegangen. Offen ist nach Angaben des griechischen Finanzministers Evangelos Venizelos noch "ein Thema" geblieben. Die griechische Seite habe allen anderen Parametern des harten Sparprogramms zugestimmt. Das strittige Thema sei die Kürzung von Renten in Höhe von etwa 300 Millionen Euro, berichtete das Staatsradio. Insgesamt muss das hoch verschuldete Euro-Land Einsparungen von 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in diesem Jahr - entspricht 3,3 Milliarden Euro - vornehmen.
Ministerpräsident Lukas Papademos wolle eine umfassende Einigung erreichen, bevor die Finanzminister der Eurozone am Abend in Brüssel zusammenkommen, hieß es in der Erklärung seines Büros. "Ich hoffe, dass das Treffen der Eurogruppe stattfindet und das neue Programm genehmigt. Davon hängt das finanzielle Überleben unseres Landes ab", sagte Venizelos im Fernsehen.
Wie ARD-Reporter Peter Dalheimer zudem berichtete, soll im Tagesverlauf das Kabinett in Athen zusammentreten und das Sparpaket auf den Weg bringen.
Hoffen auf 130 Milliarden Euro
Ein innenpolitischer Konsens über das Programm ist Voraussetzung für weitere Hilfen für Griechenland. Ohne weitere Milliardenhilfen droht dem Land aber bis März die Pleite.
1. Tranche im Mai 2010: 20 Mrd. Euro
2. Tranche im September 2010: 9 Mrd. Euro
3. Tranche im Januar 2011: 9 Mrd. Euro
4. Tranche im März 2011: 15 Mrd. Euro
5. Tranche im Juli 2011: 12 Mrd. Euro
6. Tranche im Dezember 2011: 8 Mrd. Euro
Ein zweites Rettungspaket von EU und IWF unter Beteiligung privater Gläubiger ist im Grundsatz beschlossen, die Details werden noch verhandelt. Es soll den Finanzbedarf des Landes bis 2014 sichern.
Drastische Einschnitte in nahezu allen Bereichen
Papademos und die Führer der Sozialisten, Konservativen und der ultrarechten LAOS-Partei hatten seit Mittwochnachmittag über ein 50-Seiten-Papier verhandelt, das die Vereinbarung zwischen der griechischen Regierung und der sogenannten Troika aus Europäischer Union, EZB und Internationalem Währungsfonds (IWF) beinhaltet.
Dem Vernehmen nach sieht die Vereinbarung eine Senkung des Mindestlohns auf 586 Euro brutto (minus 22 Prozent), Streichungen bei den Zusatzrenten in einer Größenordnung von 15 Prozent und die Streichung von 15.000 Stellen im öffentlichen Dienst bis zum Jahresende vor. Wie die griechische Presse erfahren haben will, sollen zudem die Löhne in der Privatwirtschaft solange eingefroren werden, bis die Arbeitslosenquote von derzeit mehr als 19 Prozent auf zehn Prozent gesunken ist.
Im Falle einer Einigung der Parteiführer soll das Parlament in Athen ab Freitag über das Sparpaket beraten und am Sonntag darüber abstimmen.
Großkundgebung in Athen
Die Einschnitte stoßen auf massiven Widerstand bei den griechischen Gewerkschaften, die am Dienstag mit einem Generalstreik gegen den Sparkurs mobil gemacht hatten. Für heute Abend ist in Athen eine große Kundgebung angekündigt.
Schuldenschnitt-Verhandlungen auf gutem Weg?
Auch in der Frage über einen Schuldenschnitt gibt es Bewegung. Darüber will das griechische Kabinett in seiner nächsten Sitzung ebenfalls beraten. Der Schuldenschnitt würde laut Korrespondent Dalheimer bedeuten, dass Griechenland etwa 70 Prozent seiner Schulden erlassen bekommt.
Das "Wall Street Journal" hatte berichtet, die Europäische Zentralbank (EZB) soll bereit sein, zum griechischen Schuldenschnitt beizutragen. Weder die EZB noch die EU-Kommission wollten dies bis jetzt kommentieren. Mit Spannung wird daher die EZB-Ratssitzung heute in Frankfurt am Main erwartet. Eigentlich will EZB-Präsident Mario Draghi dort die Leitzinsentscheidung bekannt geben, doch mit Sicherheit wird er sich auf der Pressekonferenz zur Schuldenschnitt-Frage äußern müssen. Die EZB ist der größte Gläubiger Griechenlands. Sie hatte seit 2010 griechische Staatsanleihen aufgekauft, um den rapiden Kursverfall aufzuhalten.
Damals wurden dem Mittelmeerland als erstem in der Eurozone Kredithilfen über 110 Milliarden Euro zugesagt, die sich aber bald als unzureichend erwiesen. Würde Athen bis März keine weiteren Milliardenhilfen bekommen, wäre Griechenland pleite, denn am 20. März werden Staatsanleihen im Umfang von 14,5 Milliarden Euro fällig.