Verschärfte Abschieberegeln "Im Ergebnis wird sich wenig ändern"
Die Bundesregierung will mit mehr Befugnissen für Polizei und Behörden die Zahl der Abschiebungen steigern. Am Hauptproblem wird das wenig ändern, meint Politikwissenschaftler Luft. Ausländerbehörden seien völlig überlastet.
tagesschau.de: Wie bewerten Sie das neue Maßnahmenpaket von Innenministerin Faeser, das heute vom Bundeskabinett gebilligt wurde?
Stefan Luft: Es ist das fünfte Maßnahmenpaket seit 2015 und die Bundesregierung will damit Handlungsfähigkeit beweisen, wie auch bei den anderen vorausgehenden vier Gesetzesvorlagen. Im Ergebnis wird sich allerdings in der Tat wenig ändern.
Ausländerbehörden "völlig überfordert"
tagesschau.de: Warum bringt das Maßnahmenpaket keine Erleichterung?
Luft: Man muss sehen: Asylverfahren sind komplexe Prozesse. Es macht wenig Sinn, an einigen Stellen zu beschleunigen und an vielen anderen Stellen die Verfahren weiterhin durch Nadelöhre zu führen und sie damit zu verlangsamen. Das ist weder verwaltungsökonomisch, noch politisch sinnvoll.
Ein zentrales Nadelöhr sind die Ausländerbehörden der Länder, die meistens bei den Gemeinden angesiedelt sind. Sie sind völlig überfordert - einerseits von einem hyperkomplexen Asyl- und Ausländerrecht und andererseits von der Größenordnung der betroffenen Gruppen.
tagesschau.de: Was bringt eine Abschiebung den Kommunen, die insgesamt ja doch an der Grenze ihrer Kapazitäten angekommen sind?
Luft: Wenn man sagt, das Asylsystem steht und fällt damit, dass diejenigen, die kein Bleiberecht bekommen, auch tatsächlich wieder das Land verlassen, dann kann man sagen, haben wir bisher das Ergebnis weit verfehlt. Acht von zehn Ausreisepflichtigen innerhalb der EU bleiben im Ergebnis hier.
Man ist natürlich einerseits hinsichtlich der Akzeptanz des Rechtsinstituts Asyl in der Bevölkerung, aber auch angesichts der damit verbundenen Kosten darauf angewiesen, dass in der Tat die Mehrheit derjenigen, die hier kein Bleiberecht bekommt, auch das Land wieder verlässt. Sonst wird es auf Dauer Legitimationsprobleme geben.
"Erwartung nicht gerechtfertigt"
tagesschau.de: Die Pläne von Innenministerin Faeser sehen ja nun vor, dass schneller abgeschoben wird. Bedeutet das nicht eine Entlastung?
Luft: Es bedeutete eine Entlastung, wenn tatsächlich wesentlich mehr Personen abgeschoben würden. In dem Regierungsentwurf ist von jährlich 600 Personen mehr die Rede. Es sei mal dahingestellt, ob das erreicht werden kann, aber das zeigt alleine schon bei den Größenordnungen von mehreren 100.000, die prinzipiell ausreisepflichtig sind, in welcher Dimension wir uns hier bewegen. Die Erwartung, die da geweckt wird, da würde sich grundsätzlich etwas bewegen, halte ich für nicht gerechtfertigt.
"Verwaltungen nicht entsprechend mitgewachsen"
tagesschau.de: Vertreter der Union kritisieren, die Maßnahmen gingen nicht weit genug. Wie sehen Sie das?
Luft: Das Hauptproblem sind die überlasteten Ausländerbehörden über alle Bundesländer hinweg, auch schon in den vergangenen Jahrzehnten. Daran hat sich grundlegend nichts geändert. Solange man den Zustrom über den Wanderungspfad Asyl in den Größenordnungen hat, wie wir das seit 2015 verzeichnen, wird es auch kaum möglich sein, das entsprechend zu steuern, weil die Verwaltungen nicht entsprechend mitgewachsen sind. Weil das Ausländer- und Asylrecht entsprechend unpraktikabel ist und diesen Größenordnungen nicht angepasst worden ist.
Es ist ein Schönwetterrecht, das für kleinere Größenordnungen passt, aber nicht für diese Dimensionen. Deshalb wird es, solange die Rahmenbedingungen so bleiben, sich nach meiner Auffassung nicht grundlegend ändern.
tagesschau.de: Was schlagen Sie stattdessen vor?
Luft: Man muss den Druck auf den Wanderungsspfad Asyl senken, und zwar sehr stark senken. Die Verfahren müssen entweder an den Außengrenzen oder in Drittstaaten durchgeführt werden. Und dann muss unmittelbar derjenige Teil, der keinen Anspruch auf ein Bleiberecht hat, zurückgeführt werden.
Auf die Verfahren an den Außengrenzen hat sich die EU ja geeinigt, zumindest was die Innenminister anbelangt. Die Verfahren sind lange noch nicht beendet, man ist noch zu keinem definitiven Beschluss gekommen. Natürlich sagt sich das alles leichter, als es im Ergebnis durchgeführt wird. Aber es kommt darauf an, in welche Richtung man denkt.
Das Gespräch führte Kirsten Gerhard für tagesschau24. Es wurde für die schriftliche Version gekürzt und redigiert.