Bundeswehr-Abzug aus Mali Kein Frieden in Timbuktu
In wenigen Tagen will die Bundeswehr ihre verbleibenden Soldatinnen und Soldaten aus Mali abgezogen haben. Die Konsequenzen sind schwer abschätzbar, die Sicherheitslage in dem Bürgerkriegsland bleibt angespannt.
Februar 2013. Frankreichs Präsident François Hollande erobert die Herzen der Malier in Timbuktu. Gerade erst war die sagenumwobene Wüstenstadt aus der Hand von radikalen Islamisten befreit worden.
Kaum hatten französische Truppen ein Bündnis islamistischer Milizen in Mali zurückgedrängt und am Sturm auf die Hauptstadt Bamako gehindert, da trafen die ersten deutschen Soldaten ein. Aus dem, was sich auf dem Papier Malis Armee nannte, sollten sie als Teil einer EU-Mission eine kampfbereite Truppe machen.
Doch zunächst, erklärte damals ein deutscher Offizier in Bamako, mussten grundlegende Geräte für die Pionierausbildung herbeigeschafft werden. "Ein Großteil der Ausrüstung wurde durch die malische Armee selbst zur Verfügung gestellt - ein kleinerer Teil durch Deutschland. Dabei geht es vor allem um Schaufeln, Spaten, Sägen", zählte er auf.
Von Transportflügen zum Militäreinsatz
Das war der Beginn der EU-Ausbildungsmission EUTM (European Union Training Mission) in Mali. Frankreich hatte die europäischen Partner, allen voran Deutschland, um militärische Hilfe gebeten. Es gehe dabei aber nicht um die Beteiligung an Kampfeinsätzen, wie die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen 2014 bei einem Truppenbesuch betonte.
"Nein, das Mandat umfasst das nicht", so die CDU-Politikerin damals. "Dies ist eine reine Ausbildungsmission, umfasst zum Beispiel auch kein Mentoring, was zum Beispiel die Begleitung in einen Kampfeinsatz bedeuten würde, das ist hier ausgeschlossen."
Was mit Transportflügen begann, mündete nur wenig später in eine Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen, genannt MINUSMA (United Nations Multidimensional Integrated Stabilisation Mission in Mali). Sie wurde mit mehr als 17.000 Blauhelmen der größte Militäreinsatz der UN - und auch der gefährlichste. Mehr als 300 Angehörige der MINUSMA kamen seit 2013 ums Leben, auch zwei Deutsche.
5. Juli 2019: Ein MINUSMA-Soldat des senegalesischen Bataillons patrouilliert im zerstörten Dorf Sadia Peulh.
"Seit die Russen da sind, sehen wir Ergebnisse"
Deutschland war am Ende mit bis zu 1.100 Soldatinnen und Soldaten an der MINUSMA beteiligt. Sie erfüllten sogenannte höherwertige Aufgaben: Aufklärung, Kommunikation oder medizinische Unterstützung. Doch nach zwei Militärputschen glaubt die Junta in Bamako, mit Militärhilfe aus Moskau und mit russischen Söldnern radikale Islamisten, Separatisten und kriminelle Banden im Land in Schach halten zu können.
Die EU zog deshalb ihre Ausbildungsmission ab. Bald soll auch der Abzug der UN-Blauhelme abgeschlossen sein und in wenigen Tagen soll der letzte deutsche Soldat das Land verlassen haben. Fady Valette Mohamedoun, Sprecherin einer Frauenkooperative im nordmalischen Timbuktu, begrüßt diese Entwicklung.
"Aus meiner Sicht haben sich die Sicherheitslage und die Wirtschaft verbessert, seitdem die MINUSMA, die Franzosen und die Deutschen abgezogen sind", so Mohamedoun. Ihre Stellungnahme liest sie vom Papier ab, aber Mohamedouns Meinung deckt sich mit der vieler Malier im lange Zeit umkämpften Timbuktu, etwa mit der des Stoffhändlers Cisse Mahamane. "Seit die Russen da sind, sehen wir endlich auch mal Ergebnisse", sagt er.
Vor allem im Norden andauernde Bedrohung
Gerade erst hat die Armee die strategisch wichtige Stadt Kidal im Norden zurückerobert. Die seit August andauernde Belagerung von Timbuktu durch Aufständische scheint vorerst aufgegeben worden zu sein. Erste Lastwagen aus Algerien konnten die Stadt, gut 20 Stunden Autofahrt nördlich von Bamako, vor kurzem wieder anfahren. Und Russland verspricht inzwischen mehr als nur Militärhilfe, um Mali, einen der ärmsten Staaten der Welt, auch wirtschaftlich auf die Beine zu bringen. Selbst Atomenergie ist im Gespräch.
Doch trotz der vermeintlichen Fortschritte bleibt die Sicherheitslage im Land, das dreimal so groß ist wie Deutschland, extrem angespannt. Ob Islamischer Staat oder Al-Kaida, ob Tuareg-Separatisten oder lokale Milizen - vor allem im Norden des Landes sei die Bevölkerung einer andauernden Bedrohung ausgesetzt, sagt der Analyst und Hochschullehrer Amadou Samake in Bamako. "Seit die MINUSMA ihren Abzug angekündigt hat, haben sich die Angriffe im Norden vervielfacht, dazu kam die Belagerung Timbuktus."
Unsicherheit "viel zu groß für sinnvolle Projekte"
Ist es vor diesem Hintergrund noch sinnvoll, Entwicklungshilfe zu leisten? Die Bundesregierung hat Mali gerade erst 36,5 Millionen Euro für Projekte zugesagt. Gute Regierungsführung, Landwirtschaft und Wasserversorgung gehören zu dem, was mit der Militärregierung in Bamako verabredet wurde. Man arbeite jetzt aber weniger mit der Regierung zusammen als mit Kommunen und direkt mit der Bevölkerung, teilte ein Sprecher des Entwicklungsministeriums in Berlin auf Anfrage mit.
Ulf Laessing, der Sahel-Beauftragte der Konrad-Adenauer-Stiftung, der sich in der Region sehr gut auskennt, hält das für wenig realistisch. "Das Vakuum, das die Truppenabzüge hinterlassen, wird zum Teil von der malischen Armee gefüllt, aber auch von Rebellen und Dschihadisten." Die malische Armee könne Nordmali "nicht wirklich kontrollieren", so Laessing. Die Unsicherheit sei "viel zu groß für sinnvolle Projekte". Es werde immer mehr humanitär gearbeitet, "aber kaum noch langfristig, Landwirtschaftsprojekte oder ähnliches. Wie soll man das auch machen, wenn der Islamische Staat andauernd die Felder abbrennt?"
Welthungerhilfe will sich der Lage anpassen
Der Regionaldirektor für West- und Zentralafrika der deutschen Welthungerhilfe, Mahamadou Issoufou-Wasmeier, sagt dagegen, die Folgen des Abzugs der UN-Mission und auch der deutschen Soldaten für die Entwicklungszusammenarbeit ließen sich noch nicht abschätzen.
"Wir wissen aktuell nicht, was die Auswirkungen dieses Abzugs auf unsere Arbeit sein werden", so Issoufou-Wasmeier. In der Vergangenheit und auch jetzt habe man in Mali arbeiten können. "Wir als Welthungerhilfe können keine Verbindung herstellen zwischen dem Abzug der MINUSMA und einer Verschlechterung der Sicherheitslage." Man werde sich der Lage anpassen, sagt der Regionaldirektor.
In Mali arbeiten mehr als 200 Angestellte in 17 Projekten für die Welthungerhilfe. Fast jeder dritte Malier sei zum Überleben auf Unterstützung angewiesen, Millionen Menschen seien betroffen, sagt Issoufou-Wasmeier. Das sei auch eine Folge der schlechten Sicherheitslage und nicht nur des mangelnden Regens. Wenn es gefährlich werde, könnten die Menschen ihre Felder nicht mehr bestellen.