Senegal Zirkon, Tourismus oder Antikolonialismus?
In Senegals einziger Wüste übernachten Touristen gern in Beduinenzelten. Doch nun baut eine französische Firma dort Mineralien ab - für die Regierung ein Spagat zwischen Profit, Tourismus und Wahlversprechen an die Jugend.
"Sie sehen da hinten das Schwarze im Sand - das ist Zirkon." Birame Ndiaye weist mit dem Finger auf eine Düne. Durch den ansonsten cremig-beige wirkenden Wüstensand schimmert etwas Schwarzes hindurch. Ein begehrtes Mineral, das aber aus Sicht von Ndiaye dafür verantwortlich ist, dass er selbst einer dunklen Zukunft entgegenblickt: "Dieser Ort hier wird zerstört werden, damit Zirkon abgebaut werden kann", klagt der Mann. "Dann stehen die Maschinen hier vor unserer Tür. Und wir müssen von hier verschwinden."
Seit fast 25 Jahren stehen hier am Fuße einer Düne, mitten in der Lompoul-Wüste im Norden Senegals, in einem Halbrund etwa ein Dutzend weiße Zelte. Begehbar, mit Teppichen ausgelegt, mit Betten ausgestattet. In dieser "Ecolodge", wie sie sich nennt, holen Kurzurlauber Atem vom stressigen Großstadt-Gewimmel Dakars, bestaunen ehrfürchtig die Dünen-Landschaft - deren Stille nur durch Jubelschreie von Kindern unterbrochen wird, die diese steilen Sandberge gern als Sommerrodelmöglichkeit nutzen.
Groß und Klein unternimmt Ausritte mit Dromedaren zum nahegelegenen Atlantik und starrt in pechschwarzer Nacht in einen sterngespickten Himmel. Aber wohl nicht mehr lange: "Man kann doch nicht einfach die Natur zerstören. Einen Ort wie diesen, wo man barfuß spazieren gehen kann, wo es keine Gefahr, wo es keine Verschmutzung gibt. Aber plötzlich kommen die Maschinen und sagen, dass wir wegmüssen", klagt Zeltdorf-Manager Ndiaye.
Unter der Zeltstadt für touristische Übernachtungen liegen die Zirkonia-Vorkommen.
Entschädigung für den Sandabbau?
Tatsächlich sind in Sichtweite Maschinen am Werk, die sich begierig mitten in den Dünen den offiziell als "ockerfarben" bezeichneten Wüstensand einverleiben und die wertvollen Erze herausfiltern. Zirkon und weitere Stoffe, die auch in Europa in der Schmuckherstellung, der Atomindustrie und der Automobilbranche dringend gebraucht werden.
Der Direktor des senegalesischen Ablegers der französischen Bergbaufirma Eramet, Guillaume Kurek, verteidigt sich jedenfalls gegen den Vorwurf, hier werde die Natur dem Profit ohne Gegenleistung geopfert: "Im Gegenteil, es ist Teil unserer Werte, mit allen Auswirkungen, die wir verursachen können, umzugehen", versichert Kurek. Heißt konkret: Man entschädige Mensch und Umwelt.
Laut Kurek schafft der Bergbau in der Region 2.000 Arbeitsplätze. Und dem Senegal bringe er 120 Millionen Euro ein. Um den Tourismus hier - auch ohne Wüste - vor dem Austrocknen zu bewahren, hat die Bergbaufirma als Ersatz in der Nähe des Meeres eine Ferienoase mit Pool, Palmen und allem, was dazugehört, ersonnen.
Das Problem: Anders als bei der Wüste handelt es sich hier um eine künstlich erschaffene Touristen-Welt. Und dass Dörfer, Gemüsefelder und Dünen den Maschinen weichen müssen, lässt sich trotzdem nicht leugnen. Zusätzlich brisant: Die für den Bergbau geschaffene Firma (GCO) gehört zu 90 Prozent dem französischen Privatunternehmen Eramet und zu zehn Prozent dem Staat Senegal. Wüstendorf-Manager Ndiaye klagt, gegen diese geballte Macht sei er chancenlos: "Wir sagen Nein zu europäischen, französischen Unternehmen, die nach Afrika kommen, um die Bevölkerung auszubeuten."
Präsident versprach der Jugend Arbeit
Da mag das französisch-senegalesische Unternehmen den Vorwurf der Ausbeutung noch so vehement von sich weisen: Die Geschichte des einheimischen David gegen den ausländischen Goliath spiegelt das wider, was viele Menschen auch hier im Senegal empfinden: dass die koloniale Fessel noch immer nicht gänzlich abgestreift und man wirtschaftlich noch immer zu stark abhängig sei - insbesondere von Frankreich. In anderen Staaten der Region, etwa in Mali, Niger oder Burkina Faso haben die dortigen Militär-Regierungen wichtige Verbindungen zu Europa und den USA gekappt.
Das hat der Senegal nicht vor. Doch schon im Wahlkampf hatte der mit überwältigender Mehrheit gewählte neue, junge Präsident Diomaye Faye einen stärkeren, eigenständigeren Senegal versprochen - und er hatte auch gelobt, die Investitionen aus dem Ausland, auch im Bergbau, unter die Lupe zu nehmen.
Was das genau für den 18 Quadratkilometer kleinen Wüstenstreifen Lompoul, den einzigen Senegals, bedeutet, ist noch nicht klar. Sollten Faye und seine Regierungsmannschaft wirklich auch hier die Verträge prüfen wollen, müssten sie sich jedenfalls beeilen, bevor die Wüste verschwindet. Denn er hat zugleich der Jugend Arbeitsplätze und eine Zukunft versprochen - und hatte deshalb unlängst auch ausländische Firmen willkommen geheißen. Vorerst sieht es jedenfalls weiter so aus, als müsste Birame Ndiaye seine Zelte bald abbrechen.