Abstimmung im Tschad Referendum unter den Augen der Junta
Tschad gilt als strategischer Partner in der Sahel-Region im Kampf gegen den Terror. Der Westen hält sich mit Kritik an der Militärregierung zurück. Heute stimmt das afrikanische Land über eine neue Verfassung ab.
"Stoppt das Referendum und rettet die Republik" steht auf einem Flugblatt mit einem großen roten X, das Oppositionelle in Tschads Hauptstadt N’Djamena vor einigen Tagen verteilten. Sie machen Werbung gegen das Verfassungsreferendum. Medienvertreter sind da, doch schnell wird die Versammlung von Sicherheitskräften mit Tränengas aufgelöst.
Kritiker sähen den Ausgang des Referendums als ausgemachte Sache an, sagt Max Kemkoye. Er ist Sprecher eines oppositionellen Bündnisses, das zum Boykott aufruft: "Das Problem des Tschad ist die Armee. Wir müssen die Frage regeln, wie die Armee zur Demokratie steht. Wir brauchen Reformen, die dafür sorgen, dass die Armee der Demokratie dient und nicht im Dienst einer Familie, einer Macht oder eines Clans steht."
Déby versprach schnellen Übergang zur Demokratie
Die mächtige Familie im Tschad, das ist die des verstorbenen Machthabers Idriss Déby. Jahrzehntelang regierte er das Land autoritär, Parlamentswahlen gab es irgendwann auch nicht mehr. 2021 starb er - auf dem Weg Richtung Front soll er von Rebellen getötet worden sein. Die genauen Hintergründe sind bis heute unklar. Die Armee setzte seinen Sohn ein, den damals 37-jährigen Mahamat Idriss Déby, Chef der Präsidialgarde.
Der junge Déby hatte immer wieder betont, einen schnellen Übergang zur Demokratie anstoßen zu wollen, mit einem nationalen Dialog, einer neuen Verfassung und zeitigen Wahlen. Das war mehr, als Putschisten in anderen Nachbarstaaten anboten.
Auch der Text des nun anstehenden Verfassungsreferendums sei nicht das Problem, sagt Yamingue Betimbaye, politischer Analyst und Forschungsleiter am Forschungszentrum für Anthropologie und Humanwissenschaften im Tschad: "Wenn man den Text liest, ist er eben stark von der Verfassung von 1996 inspiriert, für viele eine der am besten ausgearbeiteten Verfassungen der modernen Ära des Tschad, also seit der Unabhängigkeit. Eine Staatsform, die zwischen einem strikten Einheitsstaat und einem Bundesstaat angesiedelt ist. Das Problem bleibt die Anwendung dieses Textes und die Institutionen und Persönlichkeiten, die die Verantwortung haben, diesen Text umzusetzen."
Das ist für Kritiker der Knackpunkt. Immerhin hatte Mahamat Idriss Déby angekündigt, selbst nicht zur Wahl antreten zu wollen. Unter dieser Bedingung hatte die Opposition am Nationalen Dialog teilgenommen. Dieses Wort steht nun nicht mehr, außerdem kündigte er direkt nach dem Nationalen Dialog im Herbst 2022 an, die Wahlen um zwei Jahre zu verschieben.
"Tschad ist strategisch außerordentlich wichtig"
Der Protest dagegen wurde brutal niedergeschlagen. Kritiker sehen das Referendum als Mittel, die Übergangsregierung der Militärs als dauerhafte Regierung zu legitimieren. Die Armee wolle gar nicht herrschen, betont Junta-Chef Mahamat Idriss Déby. Man wolle nur die Existenz des Staates sichern und verhindern, dass er in Gewalt und Anarchie versinke.
Diese Sorge herrscht vermutlich auch in Europa. Denn von da höre man relativ wenig Kritik an der Militärjunta im Vergleich zu Mali, Niger oder Burkina Faso, wo sich ebenfalls Militärs an die Macht geputscht haben, sagt Ulf Laessing, Leiter des Sahel-Programms der Konrad-Adenauer-Stiftung: "Tschad ist strategisch außerordentlich wichtig. Also drei Nachbarn - Libyen, Sudan, Zentralafrikanische Republik - sind Länder, wo Russland expandiert, wo es russische Söldner gibt."
Viele Geflüchtete im Tschad
Vor dem Bürgerkrieg im Sudan seien mehr als eine halbe Million Menschen in den Tschad geflohen, erläutert Laessing. Deshalb habe die Staatengemeinschaft ein großes Interesse daran, das der Tschad stabil bleibe. "Der Tschad ist als Land extrem fragil und deswegen ist auch die Sorge, dass wenn man zu sehr über Demokratie redet und möglicherweise, dass die Regierung von Mahamat Déby gestürzt wird, es ein ähnliches Chaos geben kann wie in Libyen nach dem Sturz von Gaddafi", so Laessing.
Tschadische Truppen sind auch ein wichtiger Partner für Anti-Terror-Einsätze wie zuletzt zum Beispiel in Mali. Auch deswegen glauben viele Regimekritiker nicht, dass sich nach dem Referendum maßgeblich etwas für Menschenrechte und Demokratie im Land bewegen wird.