60 Jahre Rede "I have a dream" Das falsch ausgelegte Erbe von Martin Luther King
Vor 60 Jahren hat Martin Luther King seine berühmte Rede mit dem Zitat "I have a dream" gehalten. Konservative in den USA beziehen sich häufig darauf - reißen Kings Worte dabei aber aus dem Zusammenhang.
Er träume davon, sagte Martin Luther King Junior vor 60 Jahren, dass seine vier Kinder eines Tages in einer Nation leben, in der sie nicht nach der Farbe ihrer Haut, sondern nach ihrem Charakter beurteilt werden. Diese Zeilen standen nicht im Redemanuskript, der junge Pfarrer fügte sie spontan hinzu, im Stil einer Predigt.
"Er wusste, dass das wichtig war, aber er wusste nicht, dass dieser Refrain 'I have a dream' widerhallen und weiterleben würde", sagt Jonathan Eig, Verfasser einer gerade erschienen Biografie über Martin Luther King, kurz MLK.
Vor allem konservative US-Politiker zitieren "I have a dream" oft und gerne, angefangen bei Ronald Reagan. "Wir sind einer Gesellschaft verpflichtet, in der Männer und Frauen gleiche Chancen haben", sagte der damalige US-Präsident 1986. Und deshalb sei er gegen Quoten. Er wolle eine farbenblinde Gesellschaft, die, in den Worten von King, die Menschen nicht nach der Farbe ihrer Haut, sondern nach ihrem Charakter beurteile. Reagan war damals dagegen, Frauen und Minderheiten in der Arbeitswelt besonders zu fördern. In Kings farbenblinder Welt, unterstellte Reagan, gebe es keine Quoten.
Die Tochter widerspricht
Ähnlich argumentieren Republikaner bis heute, zuletzt mit Blick auf die Universitäten. King hätte nicht gewollt, dass junge Afroamerikaner dort aufgrund ihrer Hautfarbe bevorzugt würden, sagen sie.
Bernice King, eine Tochter von Pastor King, widerspricht. Denn die Ungleichheiten, gegen die King gekämpft hat, seien nachweisbar immer noch da, sagt sie. Bei der Gesundheit, beim Einkommen, Vermögen, im Strafrecht stehen die Schwarzen immer noch an letzter Stelle.
King selbst hat später davon gesprochen, dass sich sein Traum in einen Alptraum verwandelt habe. Und er forderte, dass die Gesellschaft, die jahrhundertelang etwas gegen die Schwarzen getan habe, nun etwas für die Schwarzen tun müsse.
Bernice King, die Tochter von Martin Luther King Junior, vor dem Memorial ihres Vaters in Washington, D.C.
Aus dem Zusammenhang gerissen
Auch Ron DeSantis, der republikanische Gouverneur von Florida, bemühte kürzlich Martin Luther King. DeSantis möchte vermeintlich linke Inhalte aus Schulen verbannen. Sklaverei etwa soll im Unterricht so behandelt werden, dass weiße Kinder sich nicht unwohl fühlen. Man denke daran, wofür MLK stand, so DeSantis. Er habe die Leute nicht nach der Hautfarbe, sondern nach dem Charakter beurteilen wollen. Darüber rede heute keiner.
Keri Lake, eine Politikerin aus dem Trump-Lager, geht noch weiter: Sie glaube fest daran, dass King, John F. Kennedy und die Gründerväter heute "Amerika-Zuerst-Republikaner" wären.
Da fehlen Bernice King die Worte. Das Problem sei, dass Menschen aller Parteien die Zitate ihres Vaters aus dem Zusammenhang rissen und falsch auslegten, sagt sie. Sie stellen sich einen "bequemen King" zusammen, der zu ihren jeweiligen politischen Programmen passt. Aber ihr Vater sei unbequem gewesen. Wenn man sein gesamtes Werk lese, merke man, "dass er sehr radikale Sachen gesagt hat, bei denen wir alle uns ein bisschen unwohl fühlen".