Verteidigungsausgaben Warum scheitern viele Staaten am NATO-Ziel?
Das Zwei-Prozent-Ziel der NATO gilt seit elf Jahren - doch viele Staaten sind davon weit entfernt. Es scheitert nicht nur am Geld, auch die Kapazitäten der Rüstungsindustrie machen den Europäern zu schaffen.
Aktuell geben die 32 NATO-Mitglieder 2,7 Prozent ihrer Wirtschaftskraft für Verteidigung aus - hinter dieser nüchternen Zahl verbirgt sich eine komplizierte Geschichte. Sie beginnt 2014 beim NATO-Gipfel in Wales. Damals beschlossen die NATO-Staaten, ihre Verteidigungsausgaben auf zwei Prozent zu erhöhen.
Der russische Präsident Wladimir Putin hatte gerade die Krim besetzt, und der US-Präsident hieß Barack Obama. Der sagte damals: "Alle NATO-Staaten haben versprochen, ihre Verteidigungsausgaben zu erhöhen und zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung in unsere gemeinsame Sicherheit zu investieren."
Trump droht Europäern
Donald Trump moderierte damals noch eine Fernsehsendung. Wenige Jahre später saß er dann im Weißen Haus und beschimpfte die Europäer, dass sie so wenig für ihre Verteidigung ausgäben, vor allem die Deutschen.
Auch in seinem zweiten Wahlkampf spielte das Thema "Sicherheit nur gegen Geld" eine große Rolle. Trump hatte die Europäer an ihrem schwächsten Punkt getroffen, ohne die US-Amerikaner sind sie nahezu schutzlos.
Der neue NATO-Generalsekretär Mark Rutte dankte Trump wiederholt dafür, dass er die Europäer militärisch aufgeweckt habe: "Er war derjenige, der dafür gesorgt hat, dass wir unsere Verteidigungsausgaben erhöht haben - und dafür danke ich ihm. Aber es kann nicht bei den zwei Prozent bleiben, wir müssen mehr tun." Der NATO-Chef ahnte, was kommen wird.
Italien und Spanien geben zu wenig aus
Trotz aller Aufrüstung in den vergangenen Jahren haben noch nicht alle NATO-Staaten das Zwei-Prozent-Ziel erreicht. Italien zum Beispiel liegt mit rund 1,5 Prozent weit darunter. Und das, obwohl die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni eine der Lieblingsregierungschefinnen Trumps ist. Auch Spanien gibt gerade einmal 1,3 Prozent für seine Verteidigung aus.
Es gilt wohl die Formel: je weiter weg von Russland, desto kleiner das Rüstungsbudget.
Entsprechend viel geben die Osteuropäer für ihre Verteidigung aus. Polen, Estland und Litauen liegen alle darüber. Deutschland schafft es gerade so über die Zwei-Prozent-Hürde.
Rüstungsindustrie nicht auf Nachfrage eingestellt
Egal, wie viel die NATO-Staaten an Geld für ihre Verteidigung bereitstellen - es ist gar nicht so einfach, dafür genügend Waffen, Panzer und Munition zu bekommen. Die europäische Rüstungsindustrie ist auf diese hohe Nachfrage gar nicht eingestellt, und so profitieren Länder, die Bedrohung gewöhnt sind. Südkorea zum Beispiel, aber auch Israel und die USA.
63 Prozent ihrer Rüstungsgüter bestellen die EU-Länder bei US-amerikanischen Rüstungsfirmen. Sollten die Verteidigungsausgaben weiter steigen, wird auch dieser Anteil sicherlich in die Höhe schnellen.
Viele Staaten zu hoch verschuldet
Die europäische Rüstungsindustrie beklagt sich schon lange über dieses Ungleichgewicht. Es gibt dafür viele Gründe. Die EU-Länder denken vor allem an eigene Rüstungsfirmen, es fehlt an verlässlichen Zusagen aus den Ländern und am Geld. Denn viele EU-Staaten sind jetzt schon hoch verschuldet - Italien zum Beispiel.
Der ehemalige italienische Regierungschef Mario Draghi forderte die EU eindringlich auf, ihre Rüstungsindustrie zu stärken: "Die Mitgliedsstaaten verpassen es, ihre Armeen zu modernisieren", heißt es in dem nach ihm benannten Report. Sie gäben nur einen Bruchteil dessen aus, was die US-Amerikaner aufwenden.
Investitionen in die europäische Rüstungsindustrie könnten auch die Wettbewerbsfähigkeit der Gemeinschaft fördern. Nach dem Motto: Wenn schon mehr Geld ausgeben, dann soll es wenigstens der heimischen Wirtschaft zugutekommen.