Verhandlungen über Plastikmüll-Abkommen Zuversicht, aber auch Widerstand
Millionen Tonnen Plastik treiben in den Meeren, belasten Flüsse und Böden. Mehr als 140 Länder haben sich laut WWF in Uruguay für ein weltweit verbindliches Abkommen gegen Plastikverschmutzung ausgesprochen. Doch es gibt Widerstand.
Sehr positiv gestimmt sei er, sagt Umweltschützer Alois Vedder. Er hat die Verhandlungen in Uruguay für die Umweltschutzorganisation WWF beobachtet. Im Kampf gegen die Verschmutzung durch Plastikmüll hatte am Montag ein fünftägiges Treffen in Punta del Este begonnen. Vertreter von knapp 200 Ländern kamen zusammen. Heute ging die erste Verhandlungsrunde zu Ende. Ziel ist es, bis 2024 ein rechtsverbindliches Abkommen gegen Plastikmüll zu schließen. Es wäre das erste globale Abkommen zur Bekämpfung von Plastikverschmutzung. Nach dem derzeit in Uruguay stattfindenden Treffen sind noch vier weitere geplant.
WWF zählt mehr als 140 Unterstützer
In Uruguay wurde noch nicht über einen konkreten Text verhandelt. Das steht erst in weiteren Verhandlungsrunden an. Aber Vertreterinnen und Vertreter der einzelnen Staaten und Regionen haben erklärt, wo sie stehen. Der WWF hat durchgezählt und ist auf mehr als 140 Staaten gekommen, die ein verbindliches, weltweites Abkommen gegen Plastikmüll unterstützen - darunter die gesamte EU. Ein Abkommen mit globalen Regeln und Maßnahmen, die auch kontrolliert werden.
Widerstand mächtiger Player
Widerstand gebe es allerdings auch, sagt Umweltschützer Vedder. Es gebe mächtige Player, die lieber auf Freiwilligkeit und nationale Lösungen setzen. Viele erdölproduzierende Länder wie auch einzelne einflussreiche Industrieländer wollten so wenige Regeln wie möglich, so Vedder. Für sie sei Plastik auf der Basis von Erdöl ein Geschäftsmodell. Das gelte auch für die zahlreichen anwesenden Lobbyisten der Chemie-, Verpackungs- und Lebensmittelindustrie. Andererseits versuchen auch viele Nicht-Regierungsorganisationen Einfluss auf die Verhandlungen zu nehmen, wie eben der WWF.
Angesichts solch widerstreitender Interessen sieht die Meeresbiologin Melanie Bergmann die Verhandlungen mit gemischten Gefühlen. Sie forscht am Alfred-Wegener-Institut zu Mikroplastik und Müll im Meer und hat die deutsche Delegation nach Uruguay begleitet. "Die Arbeit fängt gerade erst an", sagt sie. Dabei drängt die Zeit. Allein während des zweijährigen Verhandlungszeitraums wird die Gesamtmenge der Plastikverschmutzung im Meer um geschätzte 15 Prozent anwachsen, warnt der WWF. Pro Minute landen fast zwei Lkw-Ladungen Plastikmüll in Seen, Flüssen und Ozeanen - mit weitreichenden Folgen für die Meerestiere.
Massive Bedrohung für Tiere
Meeresökologin Bergmann geht davon aus, dass inzwischen fast alle Arten im Meer mit Plastikverschmutzung konfrontiert sind. Die Forscherin hat kürzlich die Erkenntnisse der Wissenschaft zusammengefasst: Für 88 Prozent der untersuchten Arten kommt es durch Plastik zu negativen Effekten. Tiere verstricken sich darin, verletzen sich daran, Korallen fehlt Licht und Sauerstoff, oder das Plastik wird gefressen, erklärt sie. "Man schätzt, dass schon heute 90 Prozent aller Seevögel Plastik im Magen haben, bei Meeresschildkröten sind es mehr als die Hälfte. Bei vielen abgemagerten Walen und Delphinen, die gestrandet sind, wurde ebenfalls Plastik im Verdauungstrakt gefunden."
Größere Plastikteile würden nach und nach zu Mikroplastik zerrieben. "Selbst wenn wir ab sofort kein Plastik mehr in die Umwelt werfen würden, würde die Menge an Mikroplastik in den Meeren noch Jahrzehnte weiter wachsen", so die Forscherin. "Manche Arten leiden schon bei einer Belastung von drei Mikroplastik-Partikeln pro Liter, eine Konzentration, die beispielsweise im fernen Eisrand der Arktis überschritten wird."
Mikroplastik im menschlichen Blut
Aber auch an Land sei Plastik ein Problem. In den Böden finde sich inzwischen deutlich mehr Mikroplastik als in den Meeren. Die Wissenschaftlerin macht sich auch Sorgen um die menschliche Gesundheit: Man habe Mikroplastik bereits im Blut von Menschen nachgewiesen, in den Lungen, in der Plazenta und in der Milch stillender Mütter. Dadurch könnten auch im Plastik enthaltene Chemikalien auf den Menschen übertragen werden.
Für Bergmann triftige Gründe, sich ein starkes, global rechtsverbindliches Abkommen gegen Plastikverschmutzung zu wünschen.
Worüber verhandelt wird
Wie können wir Plastikmüll in der Umwelt stoppen? Welche Maßnahmen müssen ergriffen werden? Wie können sie umgesetzt werden? Darüber muss nun weiter verhandelt werden. Dabei nehmen die Unterhändlerinnen und Unterhändler den gesamten Lebenszyklus von Plastik in den Blick: die komplette Kette von der Herstellung, über die Nutzung, bis zum Recycling oder der Entsorgung. Entwicklungs- und Schwellenländer brauchen Technologie und Geld, um überhaupt funktionierende Abfallsysteme aufzubauen.
Nach dem Treffen im südamerikanischen Uruguay sind im kommenden Jahr weitere Verhandlungsrunden in Frankreich und Kenia vorgesehen. Ende 2024 soll ein Vertragstext ausverhandelt sein. Dann muss er noch beschlossen und von den Staaten ratifiziert werden.