Chaos bei Geiselübergabe Israel stoppt aus Protest Häftlingsfreilassung
Mehr als 100 Häftlinge sollten im Gegenzug für die kurz zuvor erfolgte Freilassung von Geiseln freikommen. Israel ordnete nun an, die Entlassung zu stoppen. Hintergrund waren chaotische Szenen bei der Übergabe der Geiseln im Gazastreifen.
Der Geiseldeal zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas ist am Tag einer weiteren Übergabe ins Stocken gekommen. Israels Premierminister Benjamin Netanjahu und der israelische Verteidigungsminister Israel Katz haben die geplante Entlassung palästinensischer Häftlinge im Gegenzug zur Freilassung von acht verschleppten Geiseln gestoppt. Demnach sollen die Gefangenen erst frei kommen, wenn eine sichere Freilassung der israelischen Geiseln gewährleistet wird.
Im Laufe des Tages waren laut israelischer Armee im Gazastreifen die israelische Soldatin Agam Berger, die Deutsch-Israelis Arbel Yehud und Gadi Moses sowie fünf thailändische Arbeiter an das Rote Kreuz übergeben worden. Sie befinden sich inzwischen auf israelischem Territorium.
Chaotische Szenen bei Übergabe
Bei der Übergabe der Geiseln in Chan Yunis gab es chaotische Szenen. Es herrschte dichtes Gedränge. Von Kopf bis Fuß schwarz gekleidete und maskierte Islamisten mit Waffen brachten die Geiseln durch eine schreiende und drängelnde Menschenmenge zu den Rot-Kreuz-Fahrzeugen. Aus der Menge waren Schmährufe zu hören. Durch den Tumult verzögerte sich auch die Abfahrt der Fahrzeuge. Die Übergabe fand neben dem zerstörten Haus des im Oktober getöteten Hamas-Chefs Jihia Al-Sinwar statt.
Die Soldatin Berger war am Morgen als erste der acht Geiseln in Dschabalija im Norden des Gazastreifens freigelassen worden. Sie wurde von vermummten Hamas-Kämpfern durch die Menge auf eine Bühne geführt und aufgefordert, den schreienden Menschen zuzuwinken, was sie zögernd tat, während sie von einem Hamas-Kämpfer gefilmt wurde.
Auch die Deutsch-Israelin Arbel Yehoud kam heute frei.
"Weiterer Beweis für die unvorstellbare Grausamkeit"
Israels Regierungschef Netanjahu sprach von "schockierenden Szenen", die ein "weiterer Beweis für die unvorstellbare Grausamkeit der terroristischen Hamas" seien. Netanjahu rief demnach die Staaten, die das Waffenruhe-Abkommen zwischen Israel und der Hamas vermittelt haben, dazu auf, dafür zu sorgen, dass sich derartige Szenen nicht wiederholen und die Sicherheit der Geiseln gewährleistet wird.
Der israelische Präsident Izchak Herzog sprach von "Szenen der Misshandlung und des Terrors". Dennoch rühre die Rückkehr der insgesamt acht Geiseln aus der Gefangenschaft zu Tränen, so Herzog.
Auch Freude und Erleichterung
Trotzdem herrschten bei den Angehörigen in Israel Erleichterung und Freude. Die Familie von Berger in Israel verfolgte die Zeremonie im Fernsehen und reagierte mit Tränen und begeistertem Jubel auf den Anblick der jungen Frau.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) äußerte sich erleichtert über die Freilassung von Moses und Yehud. Sie habe bei ihren Besuchen vor Ort "immer wieder gebangt, geweint, gehofft", schrieb Baerbock im Onlinedienst Bluesky. Es sei "ein Segen, dass sie endlich wieder in den Armen ihrer Familien liegen können". Auch sie kritisierte, dass die Geiseln bis "zuletzt von der Hamas gepeinigt" worden seien.
Drei weitere israelische Geiseln sollen nach aktuellem Stand am Samstag freigelassen werden. Nach israelischen Angaben befinden sich noch etwa 80 Geiseln in der Hand von islamistischen Gruppen im Gazastreifen.
110 Palästinenser sollten freigelassen werden
Geplant war, dass 110 palästinensische Häftlinge für die drei israelischen Geiseln ausgetauscht werden. Mehr als 30 von ihnen sollen zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt worden sein. Israelischen Medienberichten zufolge ist darunter auch Sakaria Subeidi, der während des zweiten Palästinenseraufstands Intifada Befehlshaber des militärischen Arms der Fatah-Bewegung in Dschenin im nördlichen Westjordanland war. Dabei wurden zwischen 2000 und 2005 rund 3.500 Palästinenser getötet, mehr als 1.000 Israelis kamen bei Anschlägen von Palästinensern ums Leben.
Freikommen sollte Medien zufolge zudem Mahmud Atallah, der eine lebenslange Haftstrafe plus 15 Jahre für die Ermordung einer Palästinenserin verbüßt, die der Kollaboration mit Israel beschuldigt wurde. Wann die Häftlinge nun freigelassen werden, war zunächst unklar.
Für die fünf thailändischen Geiseln sollten keine palästinensischen Häftlinge entlassen werden. Israelische Medien meldeten, sie seien im Rahmen einer Vereinbarung zwischen der Hamas und Thailand freigekommen.