Netanyahu-Prozess in Israel Ein "Deal für Bibi"?
Der Bestechungsprozess gegen den ehemaligen israelischen Premier Netanyahu könnte schon bald zu Ende gehen. Doch ein Deal würde Netanyahus Hoffnungen auf ein Comeback zerstören. Eine Mehrheit der Israelis lehnt einen Deal ab.
Nimmt er den Deal oder nimmt er ihn nicht? Wie wird sich Benjamin Netanyahu entscheiden und welches Mitspracherecht haben seine Frau und seine Söhne? Israels Medien spekulieren seit Tagen fröhlich bis genüsslich, und wieder einmal beschäftigt das Innenleben der Familie Netanyahu das Land - auch wenn der Senior schon seit dem Sommer gar nicht mehr Premierminister ist.
Neben seiner Arbeit als Vorsitzender der nationalkonservativen Likud-Partei und Oppositionsführer ist der 72-Jährige zur Zeit vor allem Eines: Angeklagter. Weil er illegale Luxusgeschenke angenommen und einem Medienunternehmer Vorteile im Gegenzug für positive Berichterstattung gewährt haben soll, steht Netanyahu in Jerusalem vor Gericht.
Verteidiger handeln Deal aus
Der Korruptionsprozess gegen ihn könnte noch Jahre dauern, doch nun zeichnet sich möglicherweise ein Ende ab. Netanyahus Verteidiger haben mit der Staatsanwaltschaft offenbar einen möglichen Deal ausgehandelt. Der Vorwurf der Bestechlichkeit würde Medienberichten zufolge wegfallen. Netanyahu müsste einer Verurteilung wegen Untreue zustimmen und Sozialdienst leisten. Ins Gefängnis müsste er nicht.
Der ehemalige Präsident des israelischen Verfassungsgerichts Aharon Barak sagte zu den Verhandlungen über den Deal im Radiosender KAN: "Mit dieser Vereinbarung wäre Netanyahus Vorwurf entschärft, dass man ihn zu Unrecht verfolgt. Denn er würde einräumen: Ja, ich gebe zu, dass ich für das, was mir vorgeworfen wird, verantwortlich bin."
Deal würde Hoffnungen auf politisches Comeback beenden
Netanyahu beteuerte bisher, an den Vorwürfen sei nichts dran und die Anklage gegen ihn eine Verschwörung von Justiz und Medien. Wenn er den Deal annimmt, müsste er, darauf besteht den Berichten zufolge die Staatsanwaltschaft, offiziell moralische Verfehlungen eingestehen. Damit verbunden wäre eine siebenjährige politische Ämtersperre - es wäre das Ende von Netanyahus Hoffnungen auf ein politisches Comeback. Dieser Preis sei für den Ex-Premier vermutlich zu hoch, sagte sein ehemaliger Anwalt Mika Patman dem Sender Kan.
Ich glaube nicht, dass es zum Deal kommt, denn Netanyahu denkt nicht wie ein Angeklagter, sondern wie ein Politiker. Er kümmert sich um seine politische Zukunft, womit er auch Recht hat. Ein Angeklagter hingegen, dem Bestechlichkeit vorgeworfen wird und der die Möglichkeit hat, mit Untreue und kurzem Sozialdienst davon zu kommen, würde in diesem Angebot einen Traumdeal sehen.
Viel Zeit zum Überlegen bleibt Netanyahu nicht. Israels Generalstaatsanwalt Mandelblit ist nur noch bis zum Monatsende im Amt, und das Angebot an Netanyahu danach vom Tisch. Einen besseren Deal wird er womöglich nicht mehr bekommen.
Mehrheit der Israelis gegen einen Deal
Kritiker sehen in dem Angebot an den Angeklagten Netanyahu ein Einknicken der Justiz. In einer Umfrage lehnt eine Mehrheit der befragten Israelis ein Ende des Prozesses durch einen Deal ab. Netanyahus Anhänger wünschen sich, dass ihr Idol vor Gericht weiterkämpft und sammeln online Geld für mögliche Prozesskosten - auch wenn dem noch aktiven Politiker die Annahme solcher Spenden gesetzlich verboten ist.
Netanyahu dankte seinen Fans via Twitter mit einem Herzchen. Wie er sich entscheiden wird, ließ er offen. Sein Nachfolger an der Regierungsspitze, Naftali Bennett, hofft vielleicht, dass Netanyahu den Deal nicht annimmt. Sollte der Ex-Premier politisch durch die Ämtersperre keine Gefahr mehr darstellen, könnte es sein, dass sich Israels Parteienlandschaft neu sortiert und Naftali Bennetts Regierungskoalition zerfällt.
Darauf angesprochen versuchte Bennett zu beruhigen. "Die politischen Kommentatoren da draußen, mit all ihren Analysen, dürfen beruhigt sein. Die Regierung Israels arbeitet, und sie wird ihre Arbeit weiterhin jeden Tag gut und in Ruhe ausführen." Tatsächlich aber hätte ein juristisch erzwungener politischer Abschied Netanyahus wohl sehr sicher eine politische Neuordnung in Israel zur Folge.