UN-Klimakonferenz in Baku Mehr Hilfen für ärmere Länder beschlossen
Zwischenzeitlich drohte der Klimakonferenz das Scheitern, nun gelang ein Durchbruch im Streit um Finanzhilfen. Die Staaten einigten sich auf eine Billionensumme für Entwicklungsländer. Von diesen kam jedoch Kritik.
Die Weltklimakonferenz in Aserbaidschan hat sich darauf geeinigt, die Klimahilfen für ärmere Staaten deutlich aufzustocken. Insgesamt sollen bis 2035 jährlich mindestens 1,3 Billionen US-Dollar (aktuell rund 1,25 Billionen Euro) fließen, davon 300 Milliarden US-Dollar (rund 288 Milliarden Euro) vorrangig aus den Industriestaaten.
Mit dem Geld sollen Entwicklungsländer mehr Klimaschutz bezahlen können und sich an die fatalen Folgen der Erderwärmung anpassen können - etwa häufigere Dürren, Stürme oder Überschwemmungen.
Nur wenige konkrete Zusagen
Um die 1,3 Billionen jährlich aufzutreiben, sollen der Einigung zufolge auch die multilateralen Entwicklungsbanken deutlich mehr Kredite ausgeben beziehungsweise armen Staaten Schulden erlassen. Über das öffentliche Geld und das der Banken sollen mit Hebelwirkung auch in großem Stil private Investitionen angestoßen werden. Diese sollen ebenfalls als Klimafinanzierung gezählt werden. Außerdem sollen weitere Geberländer ermuntert werden, sich zu beteiligen.
Der Appell ist so weit gefasst, dass Klimaschützer kritisieren, niemand sei konkret für diesen Teil des Globalziels verantwortlich. So wird Deutschland - wie alle anderen Staaten - mit dem Beschluss nicht zu Zahlungen in bestimmter Höhe verpflichtet. Letztlich gelang ein Kompromiss auch deshalb, weil teilweise offen bleibt, wie die Billionensumme konkret aufgebracht werden soll - das wird nun Aufgabe der nächsten Klimakonferenz in Brasilien.
"Wir verlassen Baku mit einem Haufen Arbeit"
UN-Klimasekretär Simon Stiell räumte ein, der Beschluss sei kein Grund für Siegesfeiern. "Kein Land hat alles bekommen, was sie wollten, und wir verlassen Baku mit einem Haufen Arbeit, die noch erledigt werden muss", sagte er.
"Die über dieses Ziel in Zukunft vorgesehene Unterstützung wird den wachsenden Bedarfen der einkommensschwachen Länder im Kampf gegen die Klimakrise nicht gerecht", kritisierte auch Jan Kowalzig von der Nichtregierungsorganisation Oxfam. Von einem "Minimalkonsens" sprach Sabine Minninger von Brot für die Welt. Um ein Scheitern der Konferenz zu verhindern, hätten die verletzlichsten Staaten "ein Ergebnis mitgetragen, das ihren Bedürfnissen überhaupt nicht gerecht wird".
Ärger bei Entwicklungsländern über Kompromiss
Auch die Vertreter mehrerer Länder ließen nach dem Kompromiss im Plenum der Konferenz ihrer Empörung freien Lauf. Die Vertreterin Nigerias bezeichnete die 300 Milliarden US-Dollar, die vor allem Industriestaaten jährlich aufbringen sollen, als "Witz" und "Beleidigung". Indiens Vertreterin protestierte, man könne mit dem Beschluss absolut nicht einverstanden sein, weil die Zusagen viel zu gering seien. "Wir können das nicht akzeptieren."
Ein Vertreter Boliviens beklagte, die Entwicklungsstaaten würden mit ihrem Leid in der Klimakrise allein gelassen. Es breche eine Ära an, in der jeder nur seine eigene Haut retten wolle. Die Industriestaaten hätten eine historische Verantwortung für die Erderwärmung. Klimahilfen seien daher keine Wohltaten, "sondern eine rechtliche Verpflichtung".
De facto hat die Kritik aber keine Auswirkungen mehr, der Beschluss gilt. Die Äußerungen werden eher als Notiz zu Protokoll gegeben. Der aserbaidschanische Gipfelausrichter hatte den entscheidenden Text zuvor schnell mit dem üblichen Hammerschlag besiegelt. Etliche Staaten fühlten sich übergangen und beklagten, Wortmeldungen seien ignoriert worden.
Baerbock: "Niemand hat die historische Verantwortung vergessen"
EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra verteidigte dagegen den Beschluss. Es breche eine "neue Ära in der Klimafinanzierung an" und die EU werde weiterhin eine Führungsrolle übernehmen, versprach der Niederländer. Die neuen Ziele seien ehrgeizig, aber auch realistisch.
Auch die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock verteidigte den Beschluss gegen Kritik. "Wir wissen, dass unsere heutigen Entscheidungen allein nicht ausreichen, um alle Bedürfnisse zu erfüllen", sagte sie vor dem Plenum. "Aus diesem Grund haben wir uns für die Vision eingesetzt, die Finanzierung für Entwicklungsländer auf 1,3 Billionen US-Dollar aufzustocken."
Der 300-Milliarden-Dollar-Anteil der Industriestaaten könne laut Baerbock nur ein Ausgangspunkt sein. Sie versicherte, Deutschland werde "liefern". "Und weil wir aus unseren Fehlern in der Vergangenheit gelernt haben - wir können keinen Scheck unterschreiben, der platzt - geht es hier auch um Vertrauen." Für die EU sei klar: "Niemand hat die historische Verantwortung vergessen."
Baerbock betonte, Klimaschutzfinanzierung und Fortschritte bei der Minderung von Treibhausgasen könnten und dürften nicht getrennt werden. "Ohne konkrete Maßnahmen, um den 1,5-Grad-Pfad in greifbarer Nähe zu halten, wird uns kein Geld der Welt retten." Offensichtlich mit Blick auf Blockierer-Staaten wie Saudi-Arabien sagte sie: "Diejenigen, die hierhergekommen sind, um Fortschritte zu verhindern und unser multilaterales UN-System zu schwächen, sind gescheitert - und zwar kläglich. Und diejenigen, die an eine bessere Welt glauben, haben gewonnen."
Konferenz drohte das Scheitern
Ein vorangehender Vorschlag der aserbaidschanischen Präsidentschaft der Konferenz sah eine Aufstockung der Mittel auf 250 Milliarden Dollar jährlich vor, wobei die Industriestaaten "die Führung übernehmen" sollten. Dies war von Entwicklungsländern als unzureichend zurückgewiesen worden. Neben dem Betrag stören sie sich auch an der unklaren Beschreibung des Geberkreises.
Zeitweise drohte die Weltklimakonferenz, die um mehr als 30 Stunden verlängert wurde, zu scheitern. Ganze Staatengruppen verließen wenige Stunden vor dem Ende vorübergehend die Verhandlungen.