Freigelassene Hamas-Geiseln "Es hat mich an den Holocaust erinnert"
Bei einer Kundgebung für die entführten Israelis haben frühere Geiseln über ihre Gefangenschaft bei der Terrororganisation Hamas gesprochen. Sie berichten von Misshandlungen, Hunger und Angst - und kritisieren die Regierung.
Nach ihrer Freilassung aus der Gewalt der militant-islamistischen Hamas haben mehrere israelische Geiseln die Umstände ihrer Gefangenschaft beschrieben. "Jeder Tag dort ist wie die Hölle", erzählte die 21-jährige Mia Regev in einem Video, das am Samstagabend bei einer Solidaritätskundgebung für die im Gazastreifen verbliebenen Geiseln in Tel Aviv gezeigt wurde.
Sie habe ständig "schreckliche Angst" gehabt und nachts kaum geschlafen. Wegen einer schweren Beinverletzung bei der Entführung musste sie nach ihrer Freilassung operiert werden. Ihr 18-jähriger Bruder Itai Regev erzählte, er sei 54 Tage lang Geisel der Hamas gewesen. "Jeder Tag fühlt sich an wie eine Ewigkeit."
Die 72-jährige Adina Mosche, die nach 49 Tagen freigelassen worden war, erzählte, viele ihrer älteren Freunde seien immer noch Geiseln. "Sie sind alt, haben schwere Krankheiten und keine passenden Medikamente." Wie andere Geiseln berichtete sie von starkem Hunger, weil sie kaum etwas zu essen bekommen habe.
"Ein Tag war dort wie eine Woche"
Die 77-jährige Ofelia Roitman sagte, sie sei zu Beginn zwei Wochen allein gewesen und habe das Gefühl gehabt, verrückt zu werden. Sie habe das wenige Brot, das sie bekommen habe, rationiert. "Es hat mich an den Holocaust erinnert." Die Geiselhaft sei unerträglich gewesen. "Ein Tag war dort wie eine Woche." Andere Geiseln hatten auch von Misshandlungen berichtet.
Viele der Freigelassenen forderten, alles zu unternehmen, um auch die Freilassung der verbliebenen Geiseln zu bewirken. "Bis sie zurückkommen - und mein Herz ist noch dort - kann ich mich auch nicht wirklich erholen", erzählte Mosche. Sie forderte, der Freilassung Priorität vor militärischen Einsätzen zu geben.
Kritik an Israels Regierung
Hunderte Menschen hatten bei einer Kundgebung in Tel Aviv die Freilassung der verbliebenen Geiseln gefordert. Die Demonstranten, unter ihnen Angehörige der Geiseln, hielten Schilder mit Botschaften wie "Bringt sie jetzt nach Hause" oder "Sie vertrauen uns, dass wir sie aus der Hölle holen" in die Höhe.
Ruby Chen, dessen 19-jähriger Sohn Itai von der Hamas verschleppt wurde, kritisierte in einer Rede vor den Demonstranten das Vorgehen der Regierung. "Warum machen sie nicht ihre Arbeit?", fragte er. Das Kriegskabinett müsse erklären, "was genau auf dem Verhandlungstisch liegt", sagte Chen. "Holt sie sofort raus, egal wie hoch der Preis ist." Der Demonstrant Yoav Zalmanovitz warf der Regierung vor, ihr seien die Geiseln "egal". "Sie wollen Rache", sagte er.
Nach Berichten massiver sexualisierter Gewalt durch Hamas-Terroristen am Tag des Massakers am 7. Oktober haben viele Familien junger Frauen in Geiselhaft große Sorge, es könne auch dort zu solchen Taten kommen.
Laut israelischen Informationen werden derzeit noch 138 Geiseln im Gazastreifen festgehalten. Entführt wurden am 7. Oktober mehr als 240 Menschen. Im Rahmen eines Deals zwischen der Regierung in Jerusalem und der Hamas wurden kürzlich insgesamt 105 Geiseln freigelassen. Im Austausch entließ Israel 240 palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen.