
Bischofskonferenz Auch die Christen in Syrien sind besorgt
Die Lage der Christen im Nahen Osten ist besorgniserregend, insbesondere in Syrien. Bei ihrer Frühjahrsvollversammlung fordern die deutschen Bischöfe die internationale Gemeinschaft auf, die Christen in der Region besser zu schützen.
Eindringlich beschreibt der syrische Erzbischof Jacques Mourad erst seinen deutschen Amtskollegen und dann den Journalisten, welche Ängste und Sorgen die Christen in Syrien unter dem neuen islamistischen Regime haben. Zwar haben die neuen Machthaber versprochen, die Rechte der Minderheiten zu wahren. Doch nach den Massakern an den Alawiten, einer muslimischen Minderheit, mit mehr als 1.000 Toten am vergangenen Wochenende fürchten viele, dass sich der Hass und die Gewalt bald auch gegen Christen wenden könnte.
"Die Alarmglocken schrillen", so der Augsburger Bischof Bertram Meier. Er rief die Vereinten Nationen, die EU und die Bundesregierung auf, dem Geschehen nicht untätig zuzusehen und auf die neuen Herrscher in Damaskus einzuwirken.
Auf die Frage, ob er bei der Tötung von alawitischen Zivilisten Anzeichen für einen Völkermord sieht, antwortete Erzbischof Mourad mit einem klaren Ja. Die direkte Verantwortung habe die derzeitige Regierung in Damaskus, aber auch das Nachbarland Türkei trage eine Mitverantwortung, weil es fanatische Rebellen die Grenzen passieren lasse. Es sei nicht unerwartet gewesen, dass es zu solchen Vorfällen kommt.
Gefahr für urchristliche Gemeinden
Wie schlecht es um das Christentum in Syrien bestellt ist, zeigen die Zahlen: Vor dem Bürgerkrieg lebten dort 1,5 Millionen Christen, heute sind es nur noch 300.000. Tendenz weiter abnehmend. Städte wie Aleppo, aber auch Damaskus waren über Jahrhunderte von christlichen Gemeinden geprägt, deren Wurzeln in der Frühzeit des Christentums liegen.
Unter der Herrschaft von Ex-Präsident Baschar al-Assad und zuvor seinem Vater Hafiz al-Assad lebten sie in relativer Sicherheit und wurden wegen ihres Glaubens nicht diskriminiert. Doch als das Assad-Regime die Kontrolle über Teile des Landes verlor und die Islamisten immer stärker wurden, begann für die Christen eine Leidenszeit, von der auch Erzbischof Mourad betroffen war. Er wurde 2015 von Anhängern des sogenannten "Islamischen Staats" entführt. Nach drei Monaten Einzelhaft verbrachte er die Gefangenschaft mit 250 seiner Gemeindemitglieder, bevor er auf einem Motorrad fliehen konnte.
Willkürliche Schnellverfahren und Hinrichtungen
Den Sturz des Assad-Regimes erlebte Mourad "als einen Traum". Das gesamte syrische Volk habe gejubelt: "Wie groß war unsere Freude, als Häftlinge befreit wurden und die Gefängnisse sich leerten. Doch die Tage vergingen und die Gefängnisse haben sich wieder gefüllt, vor allem mit Alawiten."
Mourad berichtet von willkürlichen Schnellverfahren und Hinrichtungen. Dass die neue Führungsschicht ein islamisches Syrien anstrebe, werde dem Mosaik der vielen Religionen und Ethnien im Land nicht gerecht.
"Das Christentum kann und muss in dieser Region trotz aller Bedrängnis eine Zukunft haben", ergänzte der Erzbischof von Paderborn, Udo Markus Bentz, der in der Bischofskonferenz die Arbeitsgruppe Naher und Mittlerer Osten leitet. Er glaube daran, dass die Dynamik der Abwanderung nicht weiter zunehme, dass junge Christen blieben, um beim Wiederaufbau des Landes zu helfen.
Vorbild Europa
Erzbischof Mourad ist weniger optimistisch: "Die, die noch in Syrien sind, wollen weg. Die einzige Art und Weise, wie man wirklich eine Rückkehr der Christen nach Syrien organisieren könnte, wäre eine Schaffung des Friedens in der gesamten Region."
Man brauche eine Verfassung, die die Gleichbehandlung sicherstelle, eine funktionierende Justiz, Gerechtigkeit für alle. Er glaubt, bevor die Situation nicht stabiler wird im Land, werde keiner zurückkehren nach Syrien - weder die Christen noch die Muslime.
Aber Mourad hat Hoffnung, dass es eines Tages wieder ein Zusammenleben aller Bevölkerungsgruppen und Religionen geben könne. Denn selbst Europa habe nach den Gräueltaten beider Weltkriege den Frieden wiedergefunden.