Muslime in der EU Ein Zuhause mit Abstrichen
Rund 20 Millionen Muslime leben in der EU. Für die meisten der Migranten ist sie ihre Heimat geworden, der sie sich auch verbunden fühlen, wie eine EU-weite Studie aufzeigt. Doch beim Thema Integration tritt die EU aus Sicht vieler Befragter dauerhaft auf der Stelle.
Muslimische Migranten, die in der EU leben, fühlen sich zum Großteil stark an ihr neues Heimatland gebunden. Doch dieses Zugehörigkeitsgefühl wird von dem Gefühl eingetrübt, im Alltag immer noch regelmäßig mit Diskriminierung konfrontiert zu sein.
Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA). Diese hat 2016 eine Umfrage unter rund 25.500 Migranten und Angehörigen von Minderheiten durchgeführt, die in einem der insgesamt 28 EU-Staaten leben. Etwa 10.500 der Befragten waren Muslime. Die Studie setzte voraus, dass die Teilnehmer seit mindestens einem Jahr in einem privaten Haushalt in der EU leben. Sie spiegelt damit also nicht die Situation der Migranten wider, die durch die Flüchtlingskrise seit 2015 in die EU gekommen sind.
Vertrauen in öffentliche Einrichtungen
Laut der Umfrage empfindet die Mehrheit der muslimischen Zuwanderer ein starkes Zugehörigkeitsgefühl zu dem EU-Staat, in den sie immigriert sind: Das gaben 76 Prozent der Befragten gegenüber der FRA an.
Zudem herrschte unter den muslimischen Teilnehmern ein großes Vertrauen in die Institutionen und öffentlichen Einrichtungen der EU. Das Vertrauen sei sogar größer als in der Allgemeinbevölkerung, betonte FRA-Direktor Michael O'Flaherty. "Die Ergebnisse unserer Erhebung zeigen, dass es vollkommen lächerlich ist zu behaupten, Muslime wären in unseren Gesellschaften nicht integriert", bewertete O'Flaherty das Ergebnis der Studie.
39 Prozent sprechen von Diskriminierung im Alltag
Allerdings habe sich die Situation der Muslime in der EU was die Diskriminierung betrifft seit der letzten Studie dieser Art von 2008 nicht verbessert, hieß es vom FRA-Direktor weiter. 39 Prozent der Befragten fühlen sich im Alltag diskriminiert - etwa bei der Bildung, beim Arztbesuch oder bei der Wohnungssuche.
Auch aus Expertensicht hat die Diskriminierung von Muslimen und anderen Minderheiten in den vergangenen Jahren nicht nachgelassen. So führt der Rechts- und Islamwissenschaftler Mathias Rohe von der Universität Erlangen-Nürnberg im ARD-Interview auch die Chancen auf dem Arbeitsmarkt an. Vor allem betroffen seien hier Frauen, etwa durch das Tragen eines Kopftuches. Oft komme es aber auch vor, dass neben der Religion auch die ethnische Herkunft oder die Hautfarbe zur Benachteiligung führen können, so Rohe weiter. Allerdings gebe die Studie nur subjektive Einblicke, betont der Wissenschaftler, da die Befragten ihre persönlichen Gefühle und Auffassungen angeben.
"Nicht mehr unterscheiden zwischen Wir und Ihr"
Doch wie mit der Diskriminierung umgehen? Auch dazu hat die Studie die Migranten befragt. Gewalt als Reaktion auf Anfeindungen oder Benachteiligung lehnen 87 Prozent der befragten Muslime ab. Elf Prozent nannten gewaltsame Reaktionen jedoch manchmal oder immer als akzeptablen Weg - damit liegt die Bereitschaft zur Gewalt hier deutlich höher als unter nicht muslimischen EU-Bürgern.
Aus Sicht von Islamwissenschaftler Rohe sind auf dem Weg zu einem gleichgestellten Zusammenleben in der EU noch "viele Hausaufgaben zu machen". Vor allem dürfe in der Gesellschaft nicht mehr unterschieden werden "zwischen Wir und Ihr". Man dürfe die "Tendenzen der Diskriminierung nicht in die Mitte der Gesellschaft" vordringen lassen.
Insgesamt leben in der EU rund 20 Millionen Muslime, knapp die Hälfte davon in der beiden bevölkerungsreichsten EU-Staaten Deutschland und Frankreich.