Asylpolitik Italiens albanisches Aufnahmelager
Italien will Migranten, die auf dem Mittelmeer aufgegriffen werden, in Zukunft nach Albanien bringen. Zumindest jene, deren Chancen auf Asyl gering sind. Das erste Lager soll bald fertig sein.
Im albanischen Hinterland brennt die Sonne auf den alten Militärflughafen Gjader. Es ist heiß, über 30 Grad. Auf einem Hügel in der Nähe schwelt ein Waldbrand, die Rauchschwaden vernebeln den sonst blauen Himmel.
Die Baustelle im italienischen Asylcamp, das in Gjader gebaut wird, steht wegen der Hitze still, das verlangt das italienische Arbeitsrecht. Und das gilt hier, denn Albanien hat Italien das Militärgelände überlassen. Für das Container-Lager braucht es nicht einmal eine albanische Baugenehmigung.
Für 3.000 Migranten pro Monat
Zurzeit gilt das italienische Recht für die Bauarbeiter - in Zukunft aber für die mehr als 3.000 Migranten und Flüchtlinge, die hier im Monat durchgeschleust werden sollen.
Denn Italien will künftig Menschen, die in internationalen Gewässern gerettet werden, nach Albanien bringen. Zunächst in den Hafen Shengjin, wo ein kleines Erstaufnahmelager im Hafen schon betriebsbereit steht. Dort sollen Fingerabdrücke und andere Daten der Asylsuchenden erfasst werden, bevor sie nach Gjader kommen.
Wer in Albanien von Bord geht, soll laut der italienischen Botschaft in Tirana noch auf den Rettungsbooten entschieden werden. Dort soll Herkunft und Gesundheitszustand der Menschen darüber entscheiden, wer in welches Land gebracht wird.
Nur für kurze Aufenthalte
Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International kritisieren, dass die meisten Rettungsboote für so eine Vorauswahl nicht ausgestattet sind, etwa für umfassende medizinische Untersuchungen.
Viele Geflüchtete hätten zudem keine Papiere dabei. Die sind aber entscheidend: Angeblich sollen nur Menschen nach Albanien gebracht werden, die aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten kommen oder aus Ländern, mit denen Italien Rückführungsabkommen hat. So soll verhindert werden, dass abgelehnte Asylbewerber dauerhaft in dem Lager bleiben.
Für lange Aufenthalte scheinen die Wohncontainer in Gjader auch kaum geeignet. Zwei Stockbetten, zwei Metallschränke und vier Plastikstühle nehmen den meisten Platz ein. Vier Personen sollen pro Container untergebracht werden. Die Duschen und Toiletten sind in einem anderen Teil des Lagers.
Nach Italien nur im Ausnahmefall
Das Areal in Gjader soll Grenzgebieten und Transitzonen an Flughäfen gleichgestellt sein, so steht es im Gesetz - eine Voraussetzung, damit die Asylsuchenden Schnellverfahren durchlaufen können. Eine Überstellung nach Italien solle es nur im Ausnahmefall geben.
Man geht also davon aus: Wer nach Gjader kommt, hat sowieso keine Chance auf Asyl. Und diese Menschen will man erst gar nicht nach Italien bringen.
Trotzdem sollen die Verfahren rechtlich sicher sein. Am Eingang des Lagers stehen Bürocontainer. Laut italienischen Angaben sollen hier Anwälte und Richter an den Verfahren arbeiten. Einiges könnte aber auch per Videoschalte ablaufen, heißt es. Konkrete Angaben zu bekommen, ist schwierig, auch zu der Frage: Darf man Asylsuchende pauschal zum Aufenthalt in so einem Lager zwingen, ohne echte Bewegungsfreiheit?
Kritik, aber auch Hoffnung für die Wirtschaft
Die albanische Aktivistin Arilda Lleshi aus Shengjin zweifelt das an. Sie sieht darin eine Verletzung der Rechte der Migranten, die ihnen laut Europäischer Menschenrechtskonvention zustehen. Der Deal sei absurd und diene nur den Regierungschefs von Albanien und Italien, Edi Rama und Giorgia Meloni. "Er dient weder den Migranten noch unserer Gemeinschaft hier", sagt Lleshi.
Shengjin ist ein aufstrebender Tourismus-Standort. Der Strand, an dem sich im August Sonnenliege an Sonnenliege reiht, ist direkt neben dem Hafen, wo künftig die Migranten von Bord gehen sollen. "Es gab dazu keine öffentliche Konsultation. Wir haben am 5. November davon erfahren, als der Deal in Rom unterschrieben wurde", beklagt Lleshi.
Andere Menschen in der Region hoffen hingegen, dass sich das Lager positiv auf die Wirtschaft auswirkt, besonders in Gjader. Italien verspricht, im Asylcamp auch Arbeitsplätze für Anwohner zu schaffen, als Reinigungskräfte oder in der Küche. Auch die Lebensmittel für das Lager sollen lokal eingekauft werden. Hunderte italienische Polizisten müssen untergebracht werden, sie sollen in den umliegenden Städten in Hotels übernachten. Mindesten fünf Jahre, so die Abmachung, soll das Lager in Betrieb sein.
In ein paar Wochen soll das Camp in Gjader fertig sein, dann sollen die ersten Asylsuchenden hergebracht werden. Aber erst, wenn die italienischen Behörden es bewilligt haben. Bei einer Besichtigung heißt es, man könne sich hier keine Fehltritte erlauben, alles soll nach Recht und Gesetz ablaufen. Italien, so scheint es, will Gjader zur Blaupause machen.