Minderheit in Polen Nur noch eine Deutschstunde pro Woche
Mit dem jüngsten Haushalt hat Polen drastische Kürzungen für Deutschunterricht als Minderheitensprache verabschiedet. Die PiS verkauft das als an Deutschland gerichtete Strafe - die Last tragen Dorfschulen in Polen.
Muttersprachlicher Deutsch-Unterricht in Grodzisko, einem Örtchen im westlichen Oberschlesien bei Oppeln: Auf dem Stundenplan heute der Begriff "Heimat", ein Wort, dass es so im Polnischen nicht gibt, anders als "Vaterland". Mit den Mitteln einer anderen Sprache sich die Welt erschließen und den Horizont erweitern - darum geht es, nicht ums Lernen von Vokabeln und Grammatik, denn die können deutschstämmige Kinder oft schon.
Lehrerin Agata Makiola unterrichtet an mehreren Schulen Geschichte und Deutsch, und zwar sowohl muttersprachlich als auch als Fremdsprache. Der Unterricht für Deutsch als Fremdsprache habe aber Nachteile, sagt sie: "Da gibt es keinen Freiraum für Geografie, für Geschichte, Deutschland, für Lieder, Traditionen, Kulturleben, dafür hat man keine Zeit. Und das war eben das Schöne, was wir gemacht haben. Wie sollte man Stereotypen abbauen, wenn man nur Grammatik unterrichtet? Das geht nicht."
Wiedergeburt der verpönten Sprache
Doch mit diesem Ansatz ist es vorerst vorbei. Denn mit dem jüngsten Haushalt verabschiedete der Warschauer Sejm mit den Stimmen der PiS-Mehrheit deutliche Kürzungen der Mittel für den Unterricht "Deutsch als Minderheitensprache", wie er formal heißt. Statt drei gibt es nun nur noch eine Wochenstunde, verfügte der Bildungsminister - zu wenig, um vernünftigen Unterricht zu gewährleisten, sagen Pädagogen wie Makiola.
"Als wir vor 25 Jahren angefangen haben, wir hatten keine Unterrichtsmaterialen! Wir haben kopiert, wir haben alles ausgearbeitet", erzählt sie. "Sehr viel Arbeit steckt dahinter. Das ist superdidaktisch aufgearbeitet! Und jetzt sollen wir das, was auf drei Stunden ausgearbeitet war, auf eine Stunde verkürzen."
Deutsch erlebte nach der Wende eine Wiedergeburt in Polen. Im Sozialismus war die Sprache der Täter aus dem Zweiten Weltkrieg verpönt, ihr Gebrauch verboten. Deutsche - etwa in Schlesien -, die im Land blieben, mussten sich zu Polen machen; ihre Muttersprache gebrauchten sie nur heimlich.
Nach der Wende kam dann die Anerkennung der Deutschen als bis heute größte anerkannte nationale Minderheit im Land, die Einführung des muttersprachlichen Unterrichts.
PiS-Wortführer droht mit weiteren Schritten
Den Angriff auf den Deutschunterricht begründet der Initiator der Kürzungsidee mit angeblicher Benachteiligung polnischer Einwanderer in Deutschland: Diese könnten entgegen vertraglicher Absprachen nicht ausreichend Polnisch lernen, kritisiert der Abgeordnete Janusz Kowalski, der selbst aus Schlesien stammt - und in der PiS-Fraktion Wortführer in Sachen Deutschlandkritik ist.
Sollte Deutschland sich nicht bewegen, droht er mit weiteren Strafaktionen - etwa mit der Ausnahme von der Fünf-Prozent-Klausel für die deutsche Minderheit, die so ihren Vertreter im Sejm bislang sicher hat. Kowalski sieht das so: "Das Symmetrieprinzip besagt, dass man prüfen muss, ob es ein solches Privileg auch für die polnische Minderheit in Deutschland gibt. Das ist nicht der Fall, und deswegen werde ich alles tun, die Privileg zu kippen."
Formal sind die Polen in Deutschland allerdings keine anerkannte Minderheit, weil es sich um Zuwanderer handelt wie bei Türken oder Arabern - anders als viele Deutsche in Polen, deren Familien seit Generationen in Schlesien oder Pommern zu Hause sind.
Janusz Kowalski ist bei Deutschland-Kritik oft Wortführer der PiS.
Umbau zur bilingualen Schule?
Ein Streit auch um Definitionen, unter dem nun also Schulkinder leiden - und möglicherweise bald ganze Dörfer. Denn kleine Dorfschulen wie jene in Grodzisko existieren überhaupt nur dank der Subventionen für den Deutsch-Unterricht, bestätigt Schuldirektorin Agnieska Kala: Wie an der Mehrheit der Schulen werde die Subvention nicht nur für den Sprachunterricht ausgegeben, sondern auch für Bücher, Materialien, sondern auch für den Unterhalt der Schule, Heizung und Strom.
"Kohle haben wir letztes Jahr auf Vorrat gekauft, auch Papier und Büromaterial, aber wir brauchen Geld für die laufenden Ausgaben", sagt Kala. "Zum Glück hat der Elternbeirat noch Geld auf Schulfesten gesammelt - vorläufig wird uns dieses Geld retten."
Zur Disposition stehen mit den Dorfschulen die oft einzigen offenen sozialen Einrichtungen. Landauf, landab hat das Rechnen begonnen. In Grodzisko haben Lehrer und Eltern überlegt, die Schule in eine bilinguale Einrichtung umzubauen. Wenn dieses Mannöver gelingt, könnte am Ende sogar mehr Deutsch unterrichtet werden als zuvor.