Europäische KI-Verordnung Ein Gesetz mit Pioniercharakter
Die EU will mit ihrer KI-Verordnung erstmals einen gesetzlichen Rahmen für die Entwicklung und Nutzung von Künstlicher Intelligenz schaffen. Das Parlament soll heute über die hart errungene Vorlage abstimmen.
Die europäische KI-Verordnung ist der weltweit erste Versuch, ein umfassendes Gesetz zur Regulierung von Künstlicher Intelligenz auf den Weg zu bringen. Es hat damit Pioniercharakter. Die EU-Kommission hofft, dass es ähnlich wie die Datenschutzverordnung Nachahmer im Ausland findet.
Die Verordnung ausgewogen zu formulieren, war für die Gesetzgeber in Brüssel allerdings ein schwieriger Balanceakt. 18 Monate haben die zuständigen Ausschüsse im EU-Parlament um eine Position zu dem Vorschlag der EU-Kommission gerungen.
Klassifizierung nach Risiko
Die Verordnung sieht vor, Künstliche Intelligenz nach den Risiken ihrer Anwendungszwecke zu klassifizieren, von risikoarmer, begrenzt riskanter, zu riskanter und verbotener KI.
Künstliche Intelligenz, die imstande ist, Menschen zu unterdrücken, soll ganz verbannt werden. Darunter fallen unter anderem "Social Scoring"-Systeme, die das Verhalten von Menschen bewerten, die automatisierte Erkennung von Emotionen, etwa bei der Vernehmung von Verdächtigen - ebenso eine flächendeckende Überwachung mit biometrischen Echtzeitdaten in der Öffentlichkeit.
Auf richterlichen Beschluss darf nach bisherigem Entwurf allerdings nachträglich auf die Daten zugegriffen werden, falls es um schwere Straftaten geht.
Streit um biometrische Daten
Tatsächlich aber gibt es auch noch kurz vor der Abstimmung Streit im Parlament, in welchem Umfang biometrische Daten im Rahmen der Strafverfolgung genutzt werden sollen. Innerhalb der christdemokratischen EVP-Fraktion pocht man auf Änderungen im Entwurf.
Konkret geht es um Ausnahmen, wenn mithilfe von KI nach vermissten Kindern gesucht wird oder es um Terrorbekämpfung geht. Manche in der EVP-Fraktion hoffen, dass auch die Länder den Druck auf das Parlament erhöhen werden, in dieser Sache noch mal nachzusteuern. Grüne, Linke und Piraten warnen hingegen vor massenhafter Überwachung.
ChatGPT würde erlaubt bleiben
Neben der verbotenen KI soll es weitere Kategorien von Künstlicher Intelligenz geben. Hohe, mäßig riskante und niedrig riskante wie zum Beispiel KI-betriebene Spielzeuge sollen grundsätzlich erlaubt sein. Das gilt auch für sogenannte generative KI, wie den Chatbot ChatGPT, der mithilfe im Internet gesammelter Informationen eigenständig Artikel verfassen kann.
Allerdings gilt bei diesen Anwendungen der Grundsatz: Je riskanter die KI, desto höher die Anforderungen. So müssen Hersteller die Risiken ihrer Produkte bewerten, bestimmte Standards für Trainingsdaten erfüllen. Prüfbehörden sollen das kontrollieren. Für Kritik sorgt unter anderem bei den Sozialdemokraten, dass die Unternehmen ihre Risikoanalyse selbst vornehmen und erst danach Prüfbehörden prüfen, ob diese auch stichhaltig ist.
Mit der Verordnung soll zudem geregelt werden, dass Künstliche Intelligenz nicht auf verzerrte Datensätze zurückgreift und damit Personen diskriminieren könnte, zum Beispiel wenn KI die Kreditwürdigkeit prüft oder sie zur Akquise von Beschäftigten genutzt wird. Beispiele aus den USA, in denen schwarze Menschen weniger häufig einen Kredit bekommen, gelten als Negativbeispiel.
Erwartungen und Befürchtungen sind groß
Die Erwartungen an das europäische KI-Gesetz sind groß, ebenso die Befürchtungen. Sam Altman, CEO des Unternehmens OpenAI, das ChatGPT entwickelt hat, hatte vor existenziellen Gefahren bei unregulierter KI gewarnt. Kleinere Entwickler fürchten hingegen, die vielen Dokumentations-Vorgaben nicht umsetzen zu können. Bürgerrechtler hoffen, dass das KI-Gesetz Diskriminierungen und Benachteiligungen nicht weiter fortschreibt.
Wenn das Parlament seine Position am Mittag beschließt, können die Verhandlungen mit den EU-Mitgliedsstaaten beginnen. Vor allem die Regeln zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Strafverfolgung dürften für Streit sorgen.
Sollte eine Einigung vor der Europawahl im kommenden Jahr gelingen, könnte die KI-Verordnung voraussichtlich im Jahr 2026 in Kraft treten. Bis dahin entwickelt sich Künstliche Intelligenz weiter. Damit zeichnet sich ab, dass in der Europäischen Union noch weitere KI-Regelungen folgen werden.