Milliarden für Ungarn EU-Parlament lässt Klage gegen Kommission prüfen
Trotz heftiger Kritik hatte die EU-Kommission eingefrorene Fördergelder an Ungarn freigegeben. Diesen Vorgang lässt das Europaparlament nun juristisch prüfen. Am Ende könnte es zu einer Klage vor dem Gerichtshof kommen.
Das Europaparlament untersucht die umstrittene Freigabe von EU-Fördermitteln für Ungarn und will möglicherweise dagegen klagen. In einer Resolution werden der Rechtsausschuss und der juristische Dienst des Parlaments beauftragt, die Mittelfreigabe so schnell wie möglich zu überprüfen. Sollten sich Hinweise auf Verstöße gegen EU-Recht finden, soll der Fall vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gebracht werden.
Ungarn erfülle trotz jüngster Reformen nicht die europäischen Standards bei der Unabhängigkeit seiner Justiz, hieß es zur Begründung. Für die Vorbereitung einer Klage vor dem EuGH stimmte eine breite Mehrheit aus Abgeordneten der Konservativen, Sozialdemokraten, Liberalen, Grünen und Linken.
Orban soll Stimmrecht verlieren
Die Abgeordneten forderten außerdem, dem ungarischen Regierungschef Viktor Orban das Stimmrecht im Rat zu entziehen. Das sei "die einzige konsequente Antwort", um Orbans "ewige Erpressungsversuche zu unterbinden", erklärte Parlamentsvizepräsidentin Katarina Barley (SPD). Für einen Stimmrechtsentzug müssten außer Ungarn jedoch alle übrigen EU-Mitglieder zustimmen - eine solche Mehrheit gibt es nach derzeitigem Stand nicht.
Solange Gerichtsurteile in Ungarn "über Nacht per Dekret abgeändert" werden könnten, gebe es weiter "schwerwiegende" Bedenken an der Rechtsstaatlichkeit in dem EU-Staat, erklärte die CSU-Europaabgeordnete Monika Hohlmeier. Um gegen die Entscheidung der Kommission vorzugehen, bleibe dem Europaparlament nur der Gang vor den EuGH.
Für den Fall, dass die Kommission weitere Gelder freigibt, ohne dass die Voraussetzungen dafür erfüllt sind, behält sich das Parlament laut der nun verabschiedeten Resolution weitere politische und rechtliche Schritte vor. Dazu könnte zum Beispiel ein Misstrauensvotum gehören, das im Fall eines Erfolgs einen Rücktritt der Kommission erfordern würde. Ein solcher Schritt wird schon jetzt von liberalen Politikern gefordert.
Erpressungsvorwurf gegen Ungarn
Die Freigabe von rund zehn Milliarden Euro für Ungarn war von der EU-Kommission im Dezember mit Justizreformen der Regierung von Viktor Orban erklärt worden. EU-Abgeordnete hatten die Entscheidung allerdings parteiübergreifend kritisiert und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vorgeworfen, sich von Ungarn erpressen zu lassen.
Die EU-Kommission verweist unterdessen darauf, dass andere Haushaltsmittel in Höhe von knapp zwölf Milliarden Euro sowie milliardenschwere Corona-Hilfen eingefroren bleiben. Ihre Freigabe ist an weitere Reformauflagen gegen Korruption und für die Wahrung des Rechtsstaats geknüpft.
Ungarn droht mit weiterer Blockade
Orban hatte zuvor angekündigt, ein milliardenschweres Hilfspaket der EU für die Ukraine im Kampf gegen Russland zu blockieren. Kritiker vermuteten daher, dass die Freigabe der Gelder Orban dazu bringen sollte, sein Veto aufzugeben.
Ungarns Regierung schürt indes Zweifel, ob die EU auf dem Sondergipfel am 1. Februar die geplante milliardenschwere Haushaltshilfe für die Ukraine beschließen kann. "Wir verhandeln mit der Kommission, aber unsere Positionen liegen weit auseinander, so dass eine Einigung nicht sicher ist", sagte Gergely Gulyas, Stabschef von Ministerpräsident Viktor Orban. "Eine fehlende Einigung wäre aber auch keine Tragödie, denn in diesem Fall können die 26 Mitgliedsstaaten die Ukraine unterstützen", fügte er hinzu. Ungarn könne der Ukraine auch bilateral helfen.