Personalausweis Der Fingerabdruck darf gespeichert werden
Wer einen Personalausweis bekommt, muss dafür seine Fingerabdrücke abgeben. Das stellt aus Sicht des obersten EU-Gerichts zwar einen Eingriff in die persönlichen Rechte dar - der Nutzen überwiege aber gegenüber den Bedenken.
Die Abdrücke vom linken und rechten Zeigefinger werden zwar grundsätzlich nur auf dem Personalausweis gespeichert. Allerdings dürfen sie für 90 Tage nach der Abgabe noch bei den Behörden lagern.
Für den früheren sozialdemokratischen Bürgermeister der hessischen Gemeinde Schlangenbad, Detlev Sieber, ein enormes Risiko. Ganz grundsätzlich findet er, die Behörden sollten Menschen nicht wie Verbrecher behandeln. "Es ist einfach so: Wir werden daran gewöhnt, Fingerabdrücke an jeder Stelle abzugeben, wo man es eigentlich nicht müsste", kritisiert er.
Sieber beantragte bei seiner Behörde einen Personalausweis ohne Fingerabdrücke, aber das wurde abgelehnt. Daraufhin zog er vor Gericht - und die deutschen Richter beim Verwaltungsgericht Wiesbaden hatten Verständnis für seine Bedenken. Für sie war schon fraglich, ob es verhältnismäßig ist, dass bei etwa 370 Millionen Bürgerinnen und Bürgern in der EU aus Sicherheitsgründen Fingerabdrücke gespeichert werden, obwohl in den vier Jahren zwischen 2013 und 2017 nur knapp 40.000 gefälschte Ausweise sichergestellt wurden.
Die Richter legten die Sache zur Klärung dem obersten EU-Gericht vor, dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. Denn die Pflicht zur Abgabe von Fingerabdrücken wurde in Deutschland 2021 auf der Grundlage einer europäischen Verordnung eingeführt.
Schutz gegen Identitätsdiebstahl
Der EuGH stimmte zu, dass es sich um eine wichtige Frage handelt - und beriet deswegen nicht in Alltagsbesetzung, sondern mit mehr Richtern in der Großen Kammer. Die 13 Richterinnen und Richter geben Sieber in einem Punkt Recht: Die Pflicht, einen Abdruck von beiden Zeigefingern machen zu lassen, könne grundsätzlich in das Grundrecht auf Privatleben eingreifen.
Aber sie kommen zu dem Schluss: Dieser Eingriff sei gerechtfertigt. Er würde die Herstellung gefälschter Personalausweise und Identitätsdiebstahl bekämpfen. Insofern würden dadurch faktisch das Reisen und Umziehen in der EU erleichtert. Denn die Menschen könnten sich so zuverlässig ausweisen - und die Systeme der Mitgliedsstaaten zur Überprüfung von Personalien könnten besser angeglichen werden.
Außerdem würden damit Kriminalität und Terrorismus indirekt bekämpft. Keine Fingerabdrücke zu speichern, sich also nur auf das Foto zu verlassen, würde da nicht genug bringen, denn durch das Altern oder durch Operationen könnten sich die Merkmale von Gesichtern auch verändern.
Bürgerrechtler sehen Alternativen zum Fingerabdruck
Rena Tangens von der Organisation "Digitalcourage", die den hessischen Kläger Sieber begleitet, ist nach dieser Entscheidung enttäuscht, dass das Gericht nicht für andere, technische Wege offen war, die weniger in das Leben der Menschen eingreifen würden. "Es gäbe zum Beispiel alternative komplexe Druckverfahren, 3D-Hologramme, mit denen man die Sicherheit gewährleisten könnte, jedenfalls weitgehend", sagt Tangens, räumt aber auch ein: "Hundertprozentige Sicherheit gibt es dabei nicht."
Tangens sieht außerdem ein großes Risiko: Dass die Fingerabdrücke nach der Abnahme bis zu 90 Tage bei den Behörden gespeichert werden dürfen und damit von Hackern missbraucht werden könnten. "Denn kommunale Rechenzentren sind angreifbar und von dort können die entsprechenden Daten entwendet werden", warnt sie.
Allerdings will die Bürgerrechtsorganisation "Digitalcourage" weiterkämpfen. Denn der EuGH hat einen formalen Fehler gesehen. Deswegen müssen Europaparlament und Europäischer Rat die Verordnung noch mal neu erlassen. Dafür haben sie vom Gericht bis Ende 2026 Zeit bekommen. Zeit für die Aktivisten, weiter auf die Gefahren hinzuweisen. Damit am Ende die Sache vielleicht noch einmal überdacht wird.