"Agentengesetz" beschlossen EU prüft nach Votum in Georgien Konsequenzen
Trotz Warnungen aus den USA und Europa sowie Protesten im Land hat Georgiens Parlament das Gesetz zur Kontrolle der Zivilgesellschaft gebilligt. Jetzt prüft die EU-Kommission Konsequenzen für den Beitrittskandidaten.
Die Europäische Union hat nach der endgültigen Verabschiedung eines Gesetzes zur schärferen Kontrolle der Zivilgesellschaft im Beitrittskandidatenland Georgien angekündigt, mögliche Konsequenzen zu prüfen. "Die EU hat wiederholt betont, dass das vom georgischen Parlament verabschiedete Gesetz gegen die Grundprinzipien und Werte der EU verstößt", teilten der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell und die EU-Kommission mit. Die Entscheidung werde sich negativ auf Georgiens Weg in Richtung EU auswirken. Die EU und ihre Mitgliedstaaten prüften alle Möglichkeiten, auf die Entwicklungen zu reagieren.
Konsequenzen für Beitrittsprozess
Konkret wird in der Erklärung kritisiert, dass das neue Gesetz in mindestens drei von neun Bereichen für Rückschritte sorgt, die für den EU-Beitrittsprozess wichtig sind. Dies seien der Kampf gegen eine Polarisierung der Gesellschaft und Desinformation sowie Fortschritte bei den Grundrechten und der Einbindung zivilgesellschaftlicher Organisationen.
Mit Blick auf die Proteste gegen das Gesetz in Georgien erklärten Borrell und die EU-Kommission: "Wir stehen weiterhin an der Seite des georgischen Volkes und erkennen die Entscheidung der überwältigenden Mehrheit für eine europäische Zukunft des Landes an."
Der Kandidatenstatus dürfte jetzt akut gefährdet sein, so die Oppositionsabgeordnete Jago Chwitschija. "Die Aufgabe der Opposition, darunter auch von uns besteht darin, Georgien künftig wieder auf den Weg der europäischen Integration zu bringen", meint sie.
Georgien Thema auf nächstem EU-Gipfel
EU-Ratspräsident Charles Michel kündigte an, das Thema auf die Tagesordnung des nächsten EU-Gipfels zu setzen. Der ist für Ende Juni geplant, nach den Wahlen zum Europaparlament. Michel erinnerte daran, dass Georgien der Kandidatenstatus unter der Voraussetzung mehrerer Schritte und demokratischer Reformen gewährt worden sei.
Europarat rügt ebenfalls das Land
Auch der Europarat äußerte Kritik. Die Generalsekretärin der Institution, Marija Pejcinovic Buric, erklärte, das Gesetz sei unvereinbar mit europäischen Standards. Tiflis habe "die letzte Gelegenheit verpasst, das Gesetz zurückzuziehen und in einen sinnvollen Dialog einzutreten". Die Regierung missachte damit die maßgeblichen Empfehlungen der Verfassungsrechtsexperten in der sogenannten Venedig-Kommission des Europarats.
Veto überstimmt
Das georgische Parlament hatte das Gesetz zur schärferen Kontrolle der Zivilgesellschaft trotz wochenlanger Massenproteste verabschiedet. Für das Gesetz votierten 84 von 105 Abgeordneten bei zehn Gegenstimmen.
Es überstimmte dabei auch ein Veto der proeuropäischen Präsidentin Salome Surabischwili. Für die Zurückweisung des Vetos reicht eine einfache Mehrheit aus.
Die Regierungspartei "Georgischer Traum", die im Parlament die Mehrheit hält, verschärft mit dem Gesetz konkret die Rechenschaftspflicht von Nichtregierungsorganisationen, die mehr als 20 Prozent ihres Geldes aus dem Ausland erhalten. Sie wolle damit für mehr Transparenz bei der Finanzierung von Nichtregierungsorganisationen und Medien zu sorgen. Es verpflichtet Einrichtungen, die mehr als 20 Prozent ihrer Gelder aus dem Ausland bekommen, sich als Vertreter "ausländischer Interessen" zu registrieren.
Der Protest gegen das Gesetz geht indes weiter. Für den Abend rief die Opposition zu einer Kundgebung vor dem Parlamentsgebäude in Tiflis auf.
Kritiker sehen Parallelen zu Russland
Die Regelung ist nach Ansicht der Kritiker dazu gedacht, kritische Organisationen mundtot zu machen. Sie sehen Parallelen zu dem in Russland erlassenen Gesetz gegen sogenannte ausländische Agenten. Dies wird vom Kreml seit Jahren dazu eingesetzt, die Opposition und unabhängige Medien zu unterdrücken.
Mit Informationen von Thomas Spickhofen, ARD-Studio Brüssel und Frank Aischmann, ARD-Studio Moskau