Parlamentswahl in Nordirland Sinn Fein erstmals stärkste Kraft
Ein historisches Ergebnis für Nordirland: Die irisch-nationalistische Partei Sinn Fein hat erstmals die Parlamentswahl gewonnen. Spitzenkandidatin O'Neill sprach von einer "neuen Ära". Die Regierungsbildung dürfte jedoch schwierig werden.
Die irisch-nationalistische Partei Sinn Fein ist erstmals als stärkste Kraft aus der Parlamentswahl in Nordirland hervorgegangen. Das stand nach Auszählung der meisten Stimmen fest. Demnach errang die einst als politischer Arm der militanten Organisation IRA geltende Partei 27 der 90 Sitze in der Northern Ireland Assembly.
Sinn Fein löst damit die protestantisch-unionistische DUP (Democratic Unionist Party) als stärkste Kraft ab, die schwere Verluste hinnehmen musste und nur noch 25 Sitze erhielt. Es ist das erste Mal, dass eine Partei stärkste Kraft wird, die sich für die Loslösung des Landesteils von Großbritannien und eine Vereinigung mit der Republik Irland einsetzt und gilt als symbolischer Wendepunkt in der Geschichte der vor gut 100 Jahren gegründeten Provinz.
Sinn Fein feiert
Sinn-Fein Spitzenkandidatin Michelle O'Neill hatte sich bereits am Nachmittag siegessicher gezeigt. Im Blitzlichtgewitter und zu tosendem Applaus ihrer Parteikollegen ließ sie sich bei der Verkündung der Ergebnisse in ihrem Wahlkreis Mid Ulster in dem Ort Magherafelt feiern. "Heute ist ein sehr bedeutsamer Tag des Wandels", sagte O'Neill. "Heute beginnt eine neue Ära, die uns allen die Möglichkeit gibt, Beziehungen in der Gesellschaft neu zu definieren auf der Grundlage von Fairness, Gleichbehandlung sowie von sozialer Gerechtigkeit unabhängig vom sozialem Hintergrund."
Die pro-britische DUP gestand am Nachmittag ihre Niederlage ein. "Im Moment sieht es so aus, als ob Sinn Fein als stärkste Partei (aus den Wahlen) hervorgehen wird", sagte DUP-Chef Jeffrey Donaldson dem Sender Sky News.
Ringen um die Regierungsbildung
Sinn Fein-Spitzenkandidatin O'Neill steht nun das Recht auf den Posten der Regierungschefin (First Minister) zu. Die Regierungsbildung könnte sich aber als zäh erweisen. Denn dem als Karfreitagsabkommen bekannten Friedensschluss von 1998 zufolge müssen sich die jeweils größten Parteien aus beiden konfessionellen Lagern auf eine Zusammenarbeit in einer Einheitsregierung einigen. Die größte protestantisch-unionistische Partei DUP kündigte jedoch bereits an, einer Regierung aus Protest gegen den Brexit-Sonderstatus von Nordirland nicht beitreten zu wollen.
O'Neill rief die anderen Parteien zur Kooperation bei der Regierungsbildung auf. Auch der britische Nordirland-Minister Brandon Lewis appellierte an die Parteien, "so bald wie möglich eine Regierung zu bilden". Die Menschen in Nordirland hätten eine stabile Regierung verdient. Er kündigte ein Gespräch mit den Parteichefs in den kommenden Tagen an. Seit Gründung der britischen Provinz Nordirland vor gut 100 Jahren haben immer unionistische Parteien die Regierungsspitze gestellt.
Debatte um irische Einheit
Sinn Fein steht weiterhin für die Abhaltung eines Referendums über eine Wiedervereinigung des britischen Nordirlands mit der Republik Irland ein, was die DUP kategorisch ablehnt. Das Thema irische Einheit hatte im Wahlkampf allerdings nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Sinn Fein konzentrierte sich stattdessen auf soziale Themen wie die steigenden Lebenshaltungskosten und Gesundheit. O'Neill kündigte an, sie wolle sich auch als künftige Regierungschefin vorwiegend diesen Themen widmen. Gleichzeitig rief sie zu einer breiten gesellschaftlichen Debatte über die Einheit Irlands auf. "Lasst uns alle an einem gemeinsamen Plan arbeiten", so O'Neill.
Das neue Regionalparlament soll kommende Woche zusammentreten. Es hat sechs Monate Zeit, eine Regierung zu bestimmen. Gelänge dies nicht, gäbe es Neuwahlen.