Urteil in der Schweiz Boulevardzeitung muss Ex-Politikerin entschädigen
Der Medienkonzern Ringier soll einer Ex-Politikerin mehr als 300.000 Franken zahlen - als Entschädigung für Artikel der Boulevardzeitung Blick. Die Summe ergibt sich aus dem Gewinn der Zeitung mit der Kampagne.
Es ist ein Urteil mit Signalwirkung für den Boulevardjournalismus - zumindest in der Schweiz: Der Medienkonzern Ringier, so entschied das Kantonsgericht Zug, muss der Schweizer Ex-Grünenpolitikerin Jolanda Spiess-Hegglin rund 309.000 Franken (etwa 327.000 Euro) plus Zinsen zahlen.
Die Summe errechnet sich aus dem Gewinn, den die Schweizer Boulevardzeitung Blick mit reißerischen und persönlichkeitsverletzenden Artikeln über Spiess-Hegglin gemacht habe.
Berichte über mögliches Sexualdelikt
Konkret geht es um vier Artikel über ein mögliches Sexualverbrechen bei einem lokalpolitischen Fest, einer sogenannten Landammann-Feier im Dezember 2014 im Kanton Zug. Was sich dort genau ereignet hat, ist bis heute ungeklärt.
Im Raum stand die Möglichkeit eines Sexualdelikts in Verbindung mit K.O.-Tropfen. Die damalige Grünen-Politikerin Spiess-Hegglin hatte sich jedenfalls am Morgen nach dem Fest wegen Gedächtnislücken und Unterleibsschmerzen im Krankenhaus untersuchen lassen. Dabei wurde die DNA eines SVP-Politikers gefunden - K.O.-Tropfen oder andere Drogen konnten aber nicht nachgewiesen werden, weil entsprechende Blut- und Urintests zu spät erfolgten.
So unklar die Faktenlage auch war, für die Schweizer Medien war es ein gefundenes Fressen. Vor allem das Boulevardblatt "Blick" mutmaßte, Spiess-Hegglin wolle mit dem K.O.-Tropfen-Verdacht womöglich eine außereheliche Affäre vertuschen.
"Meilenstein im Medienrecht"
Artikel mit reißerischen Überschriften wie "Sex-Skandal in Zug" erzielten hohe Klickzahlen und entsprechende Werbeeinnahmen. Diese sprach das Gericht nun Spiess-Hegglin zu. Ihre Anwältin sprach von einem "Meilenstein im Medienrecht" und "neuen Maßstäben" für die Entschädigung von Boulevardmedien-Opfern.
Der Medienkonzern Ringier dagegen hat angekündigt, Berufung einzulegen, und bezeichnete das Urteil als "fatalen Schlag für den freien Journalismus."