Marie-Agnes Strack-Zimmermann
reportage

Strack-Zimmermann In Brüssel bislang eher im Hintergrund

Stand: 21.03.2024 09:18 Uhr

Die Liberalen haben Strack-Zimmermann zur Spitzenkandidatin für die Europawahl gewählt. In Deutschland ist die streitbare Verteidigungsexpertin bekannt wie kaum jemand aus der FDP. Wie tritt sie in Brüssel auf?

Von Sebastian Binz, ARD-Brüssel

Auf einem Parteitag in Brüssel hat die europäische Partei ALDE (Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa) ihre Spitzenkandidatin für den Europawahlkampf nominiert: Die deutsche Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der FDP. Nach ihrer Nominierung tritt sie in Brüssel bei einer Wahlkampfveranstaltung des liberalen Bündnisses "Renew Europe" auf. Es ist ihr erster großer Auftritt in der europäischen Hauptstadt - ein Auftritt, bei dem es vor allem um Aufmerksamkeit geht.

Gemeinsam mit dem Italiener Sandro Gozi (Europäische Demokratische Partei) und der Französin Valérie Hayer (Renaissance) präsentiert sich Strack-Zimmermann als Teil von "Renew Europe". Nach eigenen Angaben vereint das Bündnis zentralistische, liberale und demokratische Kräfte.

Ein politischer Mix, der für Gesprächsbedarf auf der Wahlkampfveranstaltung sorgt. Selbst eine prominente Rednerin wie Kaja Kallas, die Regierungschefin von Estland, wird vom Publikum übertönt: "Ich bin es nicht gewöhnt, zu einem Publikum zu sprechen, das nicht wirklich zuhört." Immerhin: Als die drei Spitzenkandidaten zur Bühne laufen, wird Spalier gestanden und geklatscht.

Fokus auf dem Wahlkampf in Deutschland

Vom Spitzen-Trio ergreift Strack-Zimmermann als erste das Wort: "Könnt ihr mich hören? Weil ich kann euch hören." Auf Englisch weist sie das Publikum auf die Lautstärke im Saal hin. Den Rest ihrer kurzen Rede beschränkt sie auf Wahlkampf-Floskeln: "Lasst uns dieses Europa jetzt erneuern. Ich freue mich auf eine optimistische, pro-europäische Kampagne."

Inhaltlich konkreter wird die Französin Hayer. Auf Deutsch, Englisch und Französisch zählt sie auf, welche Themen im Wahlkampf von "Renew Europe" wichtig werden: Verteidigung, Wettbewerbsfähigkeit, Chancengleichheit, Klimawandel und Verantwortung in Migrationsfragen.

Im Gegensatz zu Berlin hält sich Strack-Zimmermann in Brüssel eher im Hintergrund. Ihr Fokus liegt offenbar auf dem Wahlkampf in Deutschland: Die kürzlich vorgestellten, schwarz-weißen Wahlplakate erinnern an den Bundestagswahlkampf von Christian Lindner 2017. Und auf TikTok erklärt die selbsternannte "Eurofighterin" seit letzter Woche ihre Politik. Natürlich geht es auch dort um Verteidigung: Eines der wenigen Themen, bei denen sie auch in Brüssel konkret wird, abseits der großen Showbühne.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann bei der Präsentation der Wahlplakate für die Europawahl

Strack-Zimmermann als "Oma Courage": Eines der Wahlplakate der FDP.

Strack-Zimmermann: "Europäische Verteidigungsunion"

Angesichts des Ukraine-Kriegs ist die Sicherheit Europas gerade eines der großen Themen in Brüssel - auch wenn die Europäische Union weit entfernt ist von einer gemeinsamen Armee. Die Verantwortung der Militärführung liegt noch immer bei den Mitgliedsstaaten. Aber im direkten Interview mit Journalisten stellt Strack-Zimmermann in Brüssel diesen Zustand offensiv in Frage: "Ich weiß, normalerweise ist das eine Frage der Nation, aber wenn wir nicht jetzt reagieren - wann dann?"

Auf Nachfrage wird sie noch deutlicher: "Der Moment war noch nie so günstig, jetzt auch über eine europäische Verteidigungsunion zu sprechen", betont Strack-Zimmermann. "Angesichts der Bedrohungen, die unser System kaputt machen wollen, ist es an der Zeit, dass wir uns auch im Bereich Sicherheit aufstellen. Daran würde ich mich gerne beteiligen."

Einzug ins Europäische Parlament ist realistisch

Auf der Wahlkampfveranstaltung geht es natürlich auch um politisches Kalkül: Als der Italiener Gozi auf die Konkurrenz bei der Europawahl angesprochen wird, spricht er von "fiction candidates." Damit meint er Ursula von der Leyen, die Spitzenkandidatin der Europäischen Volkpartei (EVP), und den Sozialdemokraten Nicolas Schmit. Die Spitzenkandidaten der großen europäischen Parteien machen nämlich Wahlkampf, ohne ein Mandat im Europaparlament anzustreben. Dafür gibt es Kritik von "Renew Europe": "Sie treten nur für sich selbst an. Wir treten für das Volk an", meint die Französin Hayer.

Formal geht es Strack-Zimmermann, Hayer und Gozi als Spitzenkandidaten zwar auch um die Kommissionspräsidentschaft, aber den Liberalen werden keine realistischen Chancen auf das Amt zugeschrieben. Realistisch ist dagegen der Einzug ins Europäische Parlament. Gozi und Hayer haben derzeit ein Mandat.

Strack-Zimmermann drängt auf schnelle Waffenlieferungen

Im Juni würde Strack-Zimmermann knapp ein Prozent der deutschen Stimmen reichen, um ebenfalls ins Europaparlament einzuziehen. Denn bei der kommenden Europawahl gibt es in Deutschland keine Sperrklausel. Derzeit stehen die Freien Demokraten in Umfragen zur Europawahl zwischen drei und sechs Prozent.

Gerade ist Strack-Zimmermann noch Abgeordnete im Deutschen Bundestag und dort Vorsitzende des Verteidigungsausschusses. Sie gehört zu den lautesten Kritikerinnen der deutschen Zurückhaltung im Kontext der Waffenlieferungen an die Ukraine. Obwohl sie als FDP-Abgeordnete in einer Regierungsfraktion sitzt, fordert sie immer wieder öffentlich von der Bundesregierung, Waffenlieferungen an die Ukraine zu beschleunigen.