Neues Gesetz in Ungarn Orban erhöht Druck auf Regierungskritiker
Ungarns Regierung hat ein Gesetz zum "Schutz der nationalen Souveränität" ins Parlament eingebracht. Es verbietet, Wahlkämpfe mit ausländischen Spenden zu finanzieren. Kritiker sehen einen Angriff auf Opposition und freie Meinungsäußerung.
Die Regierung unter Viktor Orban greift erneut in den politischen Wettbewerb in Ungarn ein. Orbans Fidesz-Partei brachte am späten Dienstagabend ein Gesetz zum "Schutz der nationalen Souveränität" ins Parlament ein.
Was das heißt, umschreibt Fidesz-Fraktionschef Máté Kocsis mit der mittlerweile üblichen, antiwestlichen Regierungsrhetorik:
Wir möchten denen das Leben schwer machen, die im Ausland unsere Heimat für Dollar verkaufen. Wir wollen den linken Journalisten, Pseudo-NGOs und Dollar-Politikern einheizen, die glauben, das Interesse amerikanischer Dollar-Milliardäre oder Brüsseler multinationaler Firmen vertreten zu wollen.
Spendensammeln wird noch schwieriger
Die direkte Parteienfinanzierung aus dem Ausland ist in Ungarn schon seit Längerem verboten. Nun soll sie auch für Organisationen und Vereine unterbunden werden, die politisch tätig sind. Sollte das Gesetz kommen wie geplant, drohen Vertretern solcher Organisationen, die gegen die Regeln verstoßen, bis zu drei Jahre Haft. Weil auch Parteien über Vereine Spenden sammeln, ortet die Opposition darin einen Versuch, die politischen Gegner von Orbans Fidesz-Partei weiter zu marginalisieren.
"Die Souveränität eines Landes zu schützen, ist immer nötig", sagt Gergely Bárándy, Anwalt und ehemaliger Politiker der Sozialisten, im Sender ATV. "Aber eine Hexenjagd braucht man nicht. Es sei kein Problem, dass der Staat seine Souveränität schützen möchte und dafür Gesetze schreibe - "aber schon, dass Fidesz alles tut, um die eigene Macht zu sichern und das eigene System zu stabilisieren".
NGOs sehen sich gefährdet
Fidesz will die "Souveränität" auch in der Verfassung verankern. Dem dürfte nichts im Wege stehen. Orbans Regierungskoalition hat im Parlament eine Zweidrittelmehrheit. Auch nichtstaatliche Organisationen gehen davon aus, dass das "Souveränitätsgesetz" sie treffen wird. Der Direktor von Transparency International in Ungarn, Miklós Ligeti, sieht damit die Arbeit von NGOs gefährdet.
"Es ist eine klammheimliche Taktik, denn die Finanzierung aus dem Inland hat uns die Regierung auch schon lange unmöglich gemacht", sagt Ligeti. "Unternehmen haben nicht genug Mut, um uns zu sponsern. Die Spenden von Privatpersonen sind wahnsinnig wichtig, aber das sind nur ein paar Millionen Forint im Jahr."
Eine Million Forint sind etwa 2.600 Euro. Regierungskritische Arbeit dürfte mit dem Durchgreifen der Fidesz also noch schwieriger werden.
Kampagne gegen EU-Kommission
Die Regeln sind, sagen Kritiker, absichtlich so vage gehalten, dass sie willkürlich ausgelegt werden könnten. Für die Durchsetzung soll eine neue Behörde sorgen. Den Worten des Kanzleramtsministers Gergely Gulyás zufolge dürfte sie weitgehende Kompetenzen erhalten: "Diese Behörde - wir werden sehen, wie sie heißen wird - kann alle Tätigkeiten untersuchen, die die Souveränität des Landes bedrohen."
Dem Anschein nach fährt Fidesz zum Thema "nationale Souveränität" im Augenblick eine ganze Kampagne. Seit einigen Tagen hängen im Land Plakate, die unter anderem EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen zeigen. "Lasst uns nicht nach ihrer Pfeife tanzen", steht darauf.
Zeitgleich läuft erneut eine sogenannte "nationale Konsultation": eine unverbindliche, tendenziöse Volksbefragung, mit der die Fidesz ihre Politik absichern will. Die aktuelle Umfrage dreht sich um EU-Politik. Unter anderem wird fälschlicherweise behauptet, dass die EU in Ungarn "Migrantenghettos" einrichten wolle.