Weltgesundheitsversammlung in Genf "Der Fortschritt ist in Gefahr"
Unter dem Motto: "Leben retten - Gesundheit für alle fördern" findet in Genf die Jahrestagung der Weltgesundheitsversammlung statt. Doch vom postulierten Ziel ist die Organisation noch weit entfernt.
Die Gesangseinlage bei der Eröffnung der Weltgesundheitsversammlung kam von Hunderten Pflegekräften aus aller Welt. Ein Mutmacher-Song, denn die Herausforderungen sind gewaltig - vom großen Ziel der Weltgesundheitsorganisation WHO "Gesundheit für alle" ist die Welt noch weit entfernt.
"Zwischen und innerhalb von Staaten gibt es nach wie vor riesige Unterschiede bei der Gesundheitsversorgung", sagte WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus. Und auch UN-Generalsekretär Antonio Guterres mahnte in einer Videobotschaft: "Der Fortschritt ist in Gefahr." Millionen seien von Kriegen und Konflikten bedroht, so Guterres. Die Klimakrise gefährde die Gesundheit von Milliarden Menschen.
WHO-Chef Tedros hält heute eine Grundsatzrede vor der Weltgesundheitsversammlung.
Rückschläge durch Pandemie
Die Covid19-Pandemie brachte Rückschritte im Gesundheitswesen. Dazu kommen, so WHO-Generaldirektor Tedros, institutionelle Herausforderungen für die Weltgesundheitsorganisation: Die Erwartungen an die WHO seien in den vergangenen 20 Jahren enorm gewachsen, nicht aber die Mittel.
Mit rund drei Milliarden Dollar entspricht der WHO-Jahresetat dem eines Großstadtkrankenhauses wie der Berliner Charité. Und nur knapp 15 Prozent der Mittel sind Pflichtbeiträge der Mitgliedsstaaten - der große Rest freiwillige und oft zweckgebundene Spenden von Ländern und privaten Stiftungen.
Das müsse sich ändern, fordert in Genf Julia Stoffner vom Hilfswerk "Brot für die Welt" an die Adresse der Bundesregierung: "Das heißt, dass Deutschland sich dafür einsetzen soll, dass die Pflichtbeiträge steigen, und dass auch die freiwilligen Beiträge, die Deutschland an die Weltgesundheitsorganisation leistet, auf einem hohen Niveau bleiben."
NGOs fordern mehr Mitsprache
Die Weltgesundheitsversammlung ist das höchste Gremium der WHO. Hier entscheiden die 194 Mitgliedsländer im Konsens, wo es lang geht bei der Förderung der globalen Gesundheit. Doch nicht nur Regierungen, auch Stimmen aus der Zivilgesellschaft müssten in Genf mehr Gehör finden, sagt Andreas Wulf von der Hilfsorganisation medico international: "International sehen wir schon seit Jahren, dass der Raum, den wir in den Debatten mit eigenen Statements haben, immer weiter zurückgeht: Das waren mal drei Minuten pro Statement, dann zwei Minuten jetzt ist es gerade noch eine Minute."
Die Chefetage der WHO signalisiert Verständnis - schließlich geht es beim Thema Gesundheit um Menschen, nicht um Staaten. "Wir können nicht nur mit Regierungen reden, sondern wir müssen auch mit denen reden, für die dann diese Sachen gemacht werden", sagt Rüdiger Krech, WHO-Direktor für Gesundheitsförderung. Man müsse nicht über die Menschen, sondern mit den Menschen reden. "Das müssen wir auch besser in der WHO implementieren." Aber auch das können letztlich allein die Mitgliedsländer entscheiden, so Krech: "Es ist eine politische Entscheidung: "Wie wollen wir denn in Zukunft globale Gesundheitsarbeit machen?"
Gesundheit ist auch Machtfrage
Die politische Brisanz des schönen WHO-Versprechens "Gesundheit für alle" zeigt sich daran, wer mitreden darf und wer nicht: Es ist eine Machtfrage. "Taiwan muss in die WHO", forderten die Demonstrantinnen und Demonstranten, die am Wochenende durch das Genfer UN-Viertel gezogen sind. China verhindert das bislang erfolgreich.