US-Kongress

Fragen und Antworten US-Wahlen als Obamas Zwischenzeugnis

Stand: 25.10.2010 12:02 Uhr

Bei den Kongresswahlen am 2. November droht US-Präsident Obamas Demokraten eine bittere Niederlage. Welche Folgen hätte das für die künftige Regierungspolitik und die Präsidentschaftswahl 2012? tagesschau.de beantwortet die wichtigsten Fragen rund um die Zwischenwahlen.

Was sind Zwischenwahlen?

Als Zwischenwahlen ("mid term elections") werden in den Vereinigten Staaten diejenigen Wahlen bezeichnet, die nach der Hälfte der vierjährigen Amtszeit eines US-Präsidenten stattfinden. Der Begriff umfasst mehrere Abstimmungen auf Bundesebene sowie in den einzelnen Staaten.

Von zentraler Bedeutung sind dabei die Wahlen zum US-Kongress, der sich aus zwei gesetzgebenden Kammern zusammensetzt - dem Senat und dem Repräsentantenhaus. Im Senat sitzen je zwei Senatoren aus allen 50 Einzelstaaten, unabhängig von der jeweiligen Bevölkerungszahl. Alle zwei Jahre wird ein Drittel der 100 Senatoren neu gewählt.

Das Repräsentantenhaus besteht aus 435 Parlamentariern, die alle zwei Jahre neu gewählt werden. Im Gegensatz zum Senat spielt die Bevölkerungsgröße hier eine Rolle, da die Anzahl der Mandate pro Bundesstaat von deren Einwohnerzahl abhängt.

US-Kongress

Noch haben die Demokraten hier die Mehrheit: Der US-Kongress in Washington.

Kalifornien sendet mit 53 Sitzen die meisten Abgeordneten ins Repräsentantenhaus; jeweils nur ein Parlamentarier vertritt die bevölkerungsarmen Staaten Wyoming, Vermont, South Dakota, North Dakota, Montana, Delaware und Alaska.

Am 2. November bestimmen die US-Bürger alle 435 Sitze im Repräsentantenhaus sowie 37 von 100 Sitzen im Senat. Zudem finden in 37 Bundesstaaten und in zwei Territorien (Virgin Islands und Guam) Gouverneurswahlen statt, darunter auch in Kalifornien, wo ein Nachfolger von Amtsinhaber Arnold Schwarzenegger bestimmt wird.

Warum gelten die Zwischenwahlen als wichtig?

Die Wahlen zur Halbzeit sind ein Stimmungstest für die Politik des amtierenden Präsidenten, Barack Obama. Die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit, das Gezerre um die Gesundheitsreform oder die Diskussionen über den umstrittenen Afghanistan-Einsatz haben dem Ansehen Obamas und seiner Demokratischen Partei geschadet. Derzeit sind die Demokraten noch in beiden Kammern stärkste Kraft. Im Abgeordnetenhaus verfügen sie über 255 Sitze, die Republikaner stellen 178 Abgeordnete, zwei Mandate sind unbesetzt. Im Senat sitzen 57 Demokraten, 41 Republikaner und zwei Unabhängige.

Wie könnten die Wahlen ausgehen...?

Bei Zwischenwahlen macht sich fast immer der Frust der Wähler über den Präsidenten und seine Partei breit. Im Repräsentantenhaus hat seit 1946 nur zwei Mal die Partei des Präsidenten Sitze hinzugewonnen, bei allen anderen Wahlen mussten die Amtsinhaber Verluste hinnehmen. Dass Obamas Demokraten diesmal mit einem Rückschlag rechnen müssen, gilt deshalb als sicher.

Die Enttäuschung der Amerikaner über die Politik des Präsidenten spiegelt sich in dessen Zustimmungswerten wider: Während kurz nach Beginn seiner Amtszeit im Januar 2009 rund 70 Prozent der US-Bürger ihm ein positives Zeugnis ausstellten, stehen im Oktober 2010 nach Angaben des Meinungsforschungsinstitut Gallup lediglich 48 Prozent hinter Obamas Politik.

... im Repräsentantenhaus - und welche Auswirkungen hätte das für Obama?

Im Repräsentantenhaus müssen sich die Demokraten darauf einstellen, mindestens 40 Sitze an die Republikaner zu verlieren, wie das Fachdienst "Cook Political Report" errechnet hat. Trifft dies zu, hätten die Republikaner die 2006 eingebüßte Mehrheit im Abgeordnetenhaus wieder zurückerobert - und damit auch mehr Einfluss. Denn die Mehrheitspartei im Repräsentantenhaus stellt stets den Parlamentspräsidenten, den "speaker", der - anders als der deutsche Bundestagspräsident - das Amt parteilich ausführt.

So spielte die derzeitige Sprecherin des Abgeordnetenhauses, die Demokratin Nancy Pelosi, eine entscheidende Rolle dabei, Obamas Gesundheitsreform durchzusetzen - Hilfe, auf die das Weiße Haus künftig verzichten müsste. Als Mehrheitspartei hätten die Republikaner auch den Vorsitz in allen Ausschüssen inne, in denen die Gesetzesvorlagen beraten werden.

Die Ausschüsse sind auch deshalb so mächtig, weil sie medienwirksam Anhörungen einberufen können, sobald der politische Gegner in der Öffentlichkeit unter Druck gerät. Beobachter vermuten, die Republikaner könnten sie zum Tribunal über Obamas Politik machen, etwa in Sachen Ölpest im Golf von Mexiko.

… im Senat - und welche Folgen hätte das für die US-Politik?

Auch im Senat drohen den Demokraten Verluste. Nach einer Prognose von "Cook Political Report" können die Republikaner mit bis zu neun zusätzlichen Senatorenposten rechnen. In diesem Fall käme es zu einem Patt: Die Republikaner kämen auf 50 Senatoren, die Demokraten zusammen mit den zwei unabhängigen Senatoren ebenfalls. Folglich würde keine der beiden Seiten über die sogenannte Supermehrheit von mindestens 60 Stimmen verfügen, die bei zentralen Abstimmungen in dem hundertköpfigen Senat erforderlich ist. Demokraten und Republikaner müssten sich somit auf Kompromisse einigen.

Wer hat bei den Gouverneurswahlen bessere Aussichten?

Gute Chancen rechnen sich die Republikaner auch bei den Gouverneurswahlen aus. Momentan stellen die Demokraten in 26 Bundesstaaten den Gouverneur, die Republikaner in 24. "Cook Political Report" prognostiziert aber, dass republikanische Gouverneure künftig in bis zu acht Staaten die Demokraten ablösen könnten. Wichtig für die Bundespolitik ist der Ausgang der Gouverneurswahlen insofern, als die Gouverneure bei der Ziehung neuer Wahlkreisgrenzen mitentscheiden dürfen.

Hintergrund ist eine aktuelle Volkszählung in den USA, die alle zehn Jahre stattfindet, damit alle 435 Abgeordneten im Repräsentantenhaus in etwa gleich viele Bürger vertreten. Falls in prosperierenden Staaten wie etwa Florida mehr Menschen leben als bei der vergangenen Volkszählung, erhalten diese künftig mehr Sitze im Repräsentantenhaus - auf Kosten von Staaten, deren Bevölkerungsgröße zurückgeht. Und der Zuschnitt neuer Wahlbezirke, der sich daraus ergibt, sorgt seit jeher für Zündstoff. Der Vorwurf: Die Politik - unabhängig ob Demokraten oder Republikaner - zieht die Grenzen der Wahlbezirke nur mit Blick auf ihre geneigte Wählerschaft, damit ihre Kandidaten aus kommenden Wahlen mit hoher Wahrscheinlichkeit als Sieger hervorgehen.

Was sagen die Zwischenwahlen über die Präsidentschaftswahl in zwei Jahren voraus?

Zwischenwahlen sind vor allem von kurzzeitigen Faktoren bestimmt wie etwa der Popularität des Präsidenten oder der wirtschaftlichen Lage. Langfristige Trends lassen sich aus ihnen nicht ableiten. Die Präsidenten Harry Truman, Ronald Reagan und Bill Clinton haben bei den Wahlen zwei Jahre vor dem Ende ihrer ersten Amtszeit bei den Kongresswahlen Niederlagen einstecken müssen - und sind danach trotzdem im Amt bestätigt worden. Mit anderen Worten: Wenn die Republikaner diesmal einen Sieg davontragen, sagt dies nichts über die kommende Präsidentschaftswahl aus. Fest steht nur: Sobald die Kongresswahlen vorbei sind, laufen sich die Parteien für den Kampf ums Weiße Haus warm.

Von Jörn Unsöld, tagesschau.de