Ukrainisch-Orthodoxe Kirche in Kiew Ultimatum für Höhlenkloster läuft ab
Heute läuft die Frist der ukrainischen Regierung zur Räumung des Höhlenklosters in Kiew ab. Rund 200 Mönche und 400 Studenten sollen das Gelände verlassen. Der Vorwurf an die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche: Spionage für Russland.
Gottesdienst in der Kirche des Heiligen Agapit Petscherskyj - einer der zahlreichen Bauten des berühmten Kiewer Höhlenklosters, deren goldene Kuppeln auf den Hügeln über dem Dnipro glänzen. Ein prächtig gekleideter Priester schwenkt den Weihrauch und schreitet langsam durch den mit alten Ikonen, bunten Fresken und Gold verzierten hohen Kirchenraum. Hunderte Gläubige verneigen und bekreuzigen sich ehrfürchtig.
Verfahren gegen UOK-Amtsträger
Gegründet im 11. Jahrhundert ist das Höhlenkloster einer der wichtigsten Orte des orthodoxen Christentums. Heute gehört die geschichtsträchtige Anlage dem ukrainischen Staat. Sie ist jedoch zugleich Hauptsitz der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche (UOK). Diese sagte sich zwar im Mai vergangenen Jahres los vom Moskauer Patriarchat, UOK-Oberhaupt Onufri forderte ein Ende des "Bruderkriegs". Doch seine Anhänger gelten als mögliche Agenten Moskaus. Es laufen zahlreiche Verfahren gegen UOK-Amtsträger - unter anderem wegen Propaganda oder Spionage für Russland.
Die ukrainische Regierung beziehungsweise das Kulturministerium hat den Nutzungsvertrag der UOK gekündigt. Zum 29. März müssen die rund 200 Mönche und etwa 400 Studenten des geistlichen Seminars und der Akademie das Höhlenkloster inklusive der weltberühmten unterirdischen Höhlen räumen.
"Gottlose Befehle der Politiker"
Die Begründung lautet, das Kloster habe die Bestimmungen über die Nutzung von Staatseigentum verletzt, etwa durch Umbauten der Anlage, die zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt. Für Gottesdienstbesucherin Maria ist das ein Unding: "Ich bin orthodox und kann sagen, dass die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche nichts mehr mit der Russisch-Orthodoxen verbindet. Sie bemerken vielleicht, dass ich gut Ukrainisch spreche, und ich liebe mein Land, aber so etwas darf der Staat nicht machen."
Der bisherige Vorsteher des Höhlenklosters ist Metropolit Pawel. Die Kündigungsfrist könne nicht eingehalten werden, sagte er. Der Metropolit der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche verglich die aktuelle Situation mit der Oktoberrevolution der Bolschewisten und dem besonders brutalen stalinistischen Terrorjahr 1937.
Er rief die Gläubigen auf, ins Höhlenkloster zu kommen, um zu sehen, was die "gottlosen Befehle der Politiker" anrichten würden, so Pawel. "Es darf keine Revolution geben, es dürfen keine Brandsätze geworfen werden, wir können keine Steine werfen, wir können nur beten. Die Sicherheit aller kann ich nicht garantieren, weil Provokateure kommen könnten."
Gläubige auf dem Weg in den Gottesdienst der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche.
"Satan hat das Heiligtum betreten"
Der ukrainische Kulturminister Oleksandr Tkatschenko sieht in der UOK nach wie vor Vertreter des Moskauer Patriarchats, deren Oberhaupt sei ein glühender Putin-Anhänger. Dem Metropoliten der UOK gehe es nicht um Gott und die Gläubigen, sondern um sich selbst und seinen Mercedes, so Tkatschenko. Sowohl Minister als auch Priester müssten als Bürger der Ukraine das Gesetz respektieren. Auch wenn sie dem Klerus des Moskauer Patriarchats angehörten, so Tkatschenko im ukrainischen Fernsehen.
Die Kuppeln des Höhlenklosters seien wegen der Kündigung für die UOK nicht schwarz angelaufen, betonte der Minister ironisch. Diese Teufelsgeschichte hatte die UOK verbreitet, und der grauhaarige Wassily Jossipowitsch ist davon felsenfest überzeugt. Ernst zeigt er auf die Kuppeln, die schwarz geworden seien. "Vorher waren sie silbern, und das bedeutet, dass Satan das Heiligtum betreten hat."
"Patrioten in beiden orthodoxen Kirchen"
Schräg über die Straße in der Kirche des Heiligen Feodosji Petscherskzyj feiert die Orthodoxe Kirche der Ukraine Gottesdienst. Die zweite orthodoxe Kirche, die sich nach der Unabhängigkeit der Ukraine formierte. Hier wird nicht kirchenslawisch, sondern ukrainisch gepredigt.
Ihor eilt gerade in den Gottesdienst, an dem an diesem Tag weit weniger Menschen teilnehmen als gegenüber. Im Prinzip hätten alle den gleichen Gott, meint er. Wenn die Kirche des Moskauer Patriarchats (Anm. d. Red.: gemeint ist die UOK ) den Krieg verherrliche, sei das falsch. "Deshalb denke ich, dass die UOK das Höhlenkloster verlassen sollte." Ein älterer Gläubiger mit Schnurrbart und Kosakenfrisur meint, in beiden orthodoxen Kirchen in der Ukraine gebe es Patrioten. "Gott wird uns allen einen Platz zuweisen."
Ein Verbot wäre schwierig
Vor dem Höhlenkloster patrouilliert die Polizei. Bei der Kontrolle von Ausweisen gebe es manchmal Unmut, größere Zwischenfälle habe es bisher nicht gegeben, sagt einer knapp.
Präsident Wolodymyr Selenskyj möchte die Ukrainische-Orthodoxe Kirche am liebsten verbieten lassen. Ob das Verbot einer ganzen Kirche verfassungsgemäß wäre, ist umstritten. Das wäre nach jetziger Gesetzeslage ein langwieriger Prozess, da - grob gesagt - jede Pfarrei einzeln verboten werden müsste.
Selenskyj hat die Regierung bereits vor Längerem mit einem Gesetzentwurf beauftragt. Dieser soll beinhalten, dass religiöse Organisationen in der Ukraine künftig nur tätig werden können, wenn sie nicht mit "Einflusszentren in einem Aggressorstaat" verbunden sind.