Terrorvorwürfe Israel schließt Al-Jazeera-Büro im Westjordanland
Die israelische Armee hat das Al-Jazeera-Büro in Ramallah gestürmt und vorübergehend geschlossen. Sie wirft dem Sender "Aufstachelung zum Terror" vor. Der Schritt löste international Kritik aus.
Nachdem die israelischen Streitkräfte am Morgen das Büro des TV-Senders Al Jazeera im Westjordanland gestürmt haben, hat ein Sprecher die vorläufige Schließung mit Terrorvorwürfen begründet. Eine Prüfung durch die Justiz und die Einschätzung der Geheimdienste hätten ergeben, dass "die Büros genutzt wurden, um zu Terror aufzustacheln, um terroristische Aktivitäten zu unterstützen", erklärte die Armee. Mit seinem Programm gefährde der Sender "die Sicherheit und öffentliche Ordnung sowohl in dem Gebiet als auch im Staat Israel insgesamt".
Der Sender mit Sitz im Golfemirat Katar bezeichnete den Einsatz gegen das Büro als "kriminellen Akt". Die Beschlagnahme der Ausrüstung des Studios in Ramallah sei "nicht nur ein Angriff" auf den Sender selbst, sondern "ein Affront gegen die Pressefreiheit und die ureigenen Prinzipien des Journalismus". Die Studioschließung verletze "das Menschenrecht auf Zugang zu Informationen".
Einsatzkräfte dringen in Büro ein
Büroleiter Walid al-Omari berichtete, ein israelischer Soldat habe ihm am Morgen die Schließungsanordnung ausgehändigt und erklärt, aufgrund eines Gerichtsbeschlusses müsse Al Jazeera für 45 Tage schließen. Das Medium, das unter anderem auf Englisch und Arabisch sendet, strahlte den Militäreinsatz in seinem örtlichen Büro live aus, bevor die Sendung unterbrochen wurde. Auf den Aufnahmen war zu sehen, wie schwer bewaffnete Einsatzkräfte dort eindrangen.
Al Jazeera berichtet seit Beginn des vom Großangriff der Terrormiliz Hamas auf Israel ausgelösten Gaza-Krieges über das darauf folgende Vorgehen Israels im Gazastreifen. Seit Kriegsbeginn wurden vier Journalisten des Senders getötet, das Büro des Senders im Gazastreifen wurde bombardiert.
Israel erhebt schwere Vorwürfe
Im Mai war ein zuvor verhängtes Sendeverbot verlängert worden. Grundlage dafür war ein im April vom israelischen Parlament gebilligtes Gesetz zum Schutz der nationalen Sicherheit. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu begründete den Schritt damals mit dem Argument, Al Jazeera habe der Sicherheit Israels "Schaden zugefügt, aktiv am Massaker am 7. Oktober teilgenommen und gegen israelische Soldaten gehetzt".
Die israelische Armee warf dem Sender immer wieder vor, dass seine Journalisten Verbindungen zur Hamas oder dem mit ihr verbündeten Islamischen Dschihad unterhalten. Israel erneuerte die Vorwürfe im Juli, als ein Korrespondent und ein Kameramann des Senders bei einem israelischen Luftangriff während einer Recherche im Flüchtlingslager Al Schati im Gazastreifen getötet wurden.
Bei dem Korrespondenten Ismail al-Ghoul handelt es sich nach Aussage der israelischen Armee um ein Hamas-Mitglied. Der Journalist habe aktiv am Überfall der Islamisten auf Israel am 7. Oktober teilgenommen. Zudem sei er "aktiv an der Aufnahme und Verbreitung von Inhalten über Angriffe auf israelische Truppen beteiligt" gewesen, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung der Armee und des israelischen Inlandsgeheimdienstes Schin Bet. Der Sender wies die Vorwürfe zurück.
"Willkürlicher Schlag gegen die Pressefreiheit"
Der Verband der Auslandspresse in Israel und den palästinensischen Gebieten zeigte sich "zutiefst beunruhigt über diese Eskalation" und forderte Israel auf, die Schließung des Studios zu "überdenken". Die "Einschränkung ausländischer Reporter und die Schließung von Nachrichtenkanälen" signalisierten eine "Abkehr von demokratischen Werten", erklärte der Verbandsvorstand.
Kritik am israelischen Vorgehen äußerte auch der Deutsche Journalisten-Verband (DJV). Die Schließung sei "ein willkürlicher Schlag gegen die Pressefreiheit", erklärte der DJV-Bundesvorsitzende Mika Beuster. Es dränge sich der Eindruck auf, dass die Armee "die Kontrolle über die Bilder behalten" wolle, die über die Kampfhandlungen an die Weltöffentlichkeit gelangten. Die sei "mit den Grundwerten einer Demokratie unvereinbar".