Italien und die "Neue Seidenstraße" "Wir waren nur die Marionetten"
In Italien ist die China-Euphorie unter Ministerpräsidentin Meloni verflogen. Die Regierung denkt laut über einen Ausstieg aus der "Neuen Seidenstraße" nach. Doch der könnte schwierig werden.
Maurizio Rasero, der Bürgermeister der Stadt Asti im Piemont, hat große Pläne. Mit der chinesischen Gemeinde Nanyang hat Asti im Mai eine Städtepartnerschaft unterzeichnet, gleich nach der Zeremonie begab sich die Delegation zur Handelskammer. Ende Juli gab Rasero der China Media Group ein Interview, in dem er die Volksrepublik über alle Maßen lobt: "China hat aus meiner Sicht im Laufe der Jahre bewiesen, dass es dazu beigetragen hat, der Welt Stabilität zu verleihen, dass es ein ernsthafter, glaubwürdiger Partner ist, ohne den die Welt nicht mehr auskommen kann."
Asti steht auch in Kontakt mit dem staatlichen Telekommunikationskonzern China Telecom. In einer Mitteilung bleibt die Stadt noch vage, man diskutiere die Entwicklung von Planungsstrategien, um die piemontesische Stadt durch intelligente Technologien bekannt zu machen. China Telecom wurde in den USA als nationales Sicherheitsrisiko eingestuft.
In Italien sorgt die Öffnung der knapp 74.000 Einwohner zählenden Stadt Asti gegenüber chinesischen Technologiekonzernen nur in regionalen Medien für Aufmerksamkeit. Das sei ganz im Sinne der Chinesen, so die Wirtschaftsprofessorin und China-Expertin Alessia Amighini: Niemand könne die Kooperation kritisieren oder blockieren. Amighini spricht vom "neuen China", das bedeute: "Wenige Freunde, ich schweige, ich mache weiter. Wenn ich nicht erwischt werde, schaffe ich es. Aber wenn sie es herausfinden, bin ich erledigt."
"Wir sind das Geschenk an Peking gewesen"
Die China-Euphorie von 2019 ist verflogen. Damals priesen einzelne Mitglieder der italienischen Regierung aus "Fünf Sternen" und Lega das im März des Jahres unterzeichnete Abkommen zwischen den beiden Ländern, mit dem sich Italien dem Projekt "Neue Seidenstraße" anschloss.
Es sollte Italien neue wirtschaftliche Kraft geben, durch mehr Engagement der Chinesen und mehr Exportchancen für italienische Unternehmen. Doch das Memorandum habe Italien nichts gebracht, meint Amighini: Nach wie vor importiere Italien mehr Waren aus China als umgekehrt.
Der Vertrag hatte vor allem große strategische Bedeutung für den chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping. Denn für ihn sei es sehr wichtig gewesen, Washington zu zeigen, dass Italien unterschreibt. "Es war alles nur ein Spiel, bei dem wir die Marionetten waren, und die beiden Spieler waren eigentlich Washington und Peking" - so drückt die Wirtschaftsprofessorin es aus. "Und wir sind das Geschenk an Peking gewesen, um es Washington zu zeigen."
Entscheidung noch vor Dezember
Drei Regierungen später hat sich das politische Blatt in Italien gewendet. Ministerpräsidentin Giorgia Meloni fährt außenpolitisch einen USA-freundlichen Kurs. Bereits im Wahlkampf hatte die 46-Jährige immer wieder erklärt, dass sie das Seidenstraßen-Abkommen nicht unterstützen werde.
Nach ihrem ersten Besuch im Weißen Haus Ende Juli gab sie dem Sender Fox News ein Interview. Noch vor Dezember werde Italien über einen möglichen Austritt entscheiden, sagte sie da - machte aber deutlich, dass sie das chinesische System, in dem Unternehmen eine ganz andere Rolle haben als in Italien, kritisch sieht. "Unsere Unternehmen müssen die Daten nicht an die Regierung weitergeben, wenn die Regierung danach fragt. Und das macht den Unterschied aus."
Nach den Worten der Parteivorsitzenden der "Fratelli d'Italia" kann ein globaler Handel nur frei sein, wenn er auch für alle Beteiligten fair ist. "Aber dann müssen wir bedenken, dass wir unserer Wirtschaft große Probleme bereiten, wenn wir mit jemandem handeln, der nicht sagt: 'Folgt den gleichen Regeln!' und der nicht dieselben Standards hat", sagte Meloni.
"Sie haben es nicht eilig"
Sollte Italien den Schlussstrich ziehen, könnten die Reaktionen Chinas harsch sein. Davon sind Politiker wie Fachleute überzeugt. Amighini vom Asienzentrum des Mailänder Thinktanks ISPI meint, dass die Chinesen dann sicherlich etwas tun müssten. Irgendwie müssten sie zeigen, "dass wir davon eine negative Konsequenz haben", meint sie. Wie genau diese aussehen wird, sei noch unklar.
Die italienische Regierung steckt jedenfalls bereits in einer Zwickmühle. Sollte das Memorandum 2024 enden, würde das China aber nicht davon abhalten, seinen politischen Einfluss auszudehnen.
Städte wie Asti - nicht weit entfernt vom wichtigen Hafen Genua - seien perfekt gewählt, meint Amighini: Mit einer Smart City und den sogenannten Repeatern, Signalverstärkern, könne man wichtige strategische Informationen erfassen. Nach der Einschätzung der Wirtschaftswissenschaftlerin nehmen sich die Chinesen für ihr Ziel die Zeit, die sie brauchen: " Das Wichtigste ist, dass man voranschreitet. Also sie haben es nicht eilig."