Cookinseln Kobalt-Knollen aus der Tiefsee
Vor den Cookinseln liegen große Mineralvorkommen - ihr Abbau könnte das Land vom Tourismus unabhängiger machen. Während die Regierung schon vom Tiefsee-Bergbauzentrum träumt, warnen Meeresbiologen vor den Folgen.
"Diese Dinger haben nicht nur großes Potenzial, sie haben riesiges Potenzial", sagt der Südafrikaner Hans Smit von der Firma Moana Minerals. Er zeigt auf kleine, runde, schwarze Meeresknollen - große Mineralaggregate aus der Tiefsee, die seine Firma im Auftrag der Regierung der Cookinseln erforscht. Die Knollen stecken voller Kobalt und Nickel - Metalle, die auch Deutschland für seine Energiewende braucht. 20 bis 30 Prozent der Kobalt-Vorkommen der Welt liegen nach Smits Schätzung im Südpazifik. Die schwarzen Trüffel der Südsee sind potenziell ein Milliarden-Geschäft.
Moana Minerals ist eine von drei Firmen, die im Auftrag der Regierung der Cookinseln eine Machbarkeitsstudie durchführen. Sie sollen vorab klären, wie sich die Knollen aus bis zu 5.000 Metern Wassertiefe einsammeln lassen - und welche Folgen der Abbau für das ökologische Gleichgewicht hätte. Denn die Tiefsee ist bisher kaum erforscht. Doch Smit fordert Pragmatismus: "Es gibt diese Metalle auch an Land, aber zu einem viel höheren Preis als auf dem Meeresgrund", sagt er. "Wir müssen die Daten und Fakten genau analysieren und uns für das kleinere Übel entscheiden."
Meeresknollen wie diese liegen in der Tiefsee um die Cookinseln - sie zu fördern, könnte dem Inselstaat Wohlstand bringen.
Meeresbiologe befürchtet Umweltschäden
Etwa 160 Kilometer von einem der möglichen Abbaugebiete entfernt liegt die Lagune von Aitutaki. Die bunte Unterwasserwelt dort leide jetzt schon unter dem Klimawandel und dem Tourismus, erklärt der Meeresbiologe Teina Rongo von der NGO "Korero O te Orau": Was der Tiefseebergbau anrichte, wisse niemand so genau. Die Menschheit kenne sich vermutlich auf dem Mond besser aus als in 5000 Meter Meerestiefe. "Wir haben nicht das Recht, dem Ozean noch mehr zuzumuten, als wir das jetzt schon tun", findet Teina Rongo. "Wir sollten das Meer schützen, ihm eine Überlebenschance geben, um mit dem fertig zu werden, was wir ihm ohnehin schon antun."
Der Meeresbiologe zeigt auf den Küstenstreifen, wo Bagger hin- und herfahren, um die Hafeneinfahrt von Aitutaki zu vergrößern. Das führe unter Wasser zu Ablagerungen und Sedimenten, die die Korallen zerstören, warnt er. Auch wenn in der Tiefsee Meeresknollen abgebaut würden, könne es zu solchen Problemen kommen.
Die Cookinseln leben bisher vor allem von ihrer Postkarten-Idylle: Mehr als 60 Prozent der Staatseinnahmen kommen aus dem Tourismus. Doch genau der macht dem Inselstaat auch Sorgen. Selbst die Tourismus-Chefin Karla Eggleton sagt, der Inselstaat müsse sich wirtschaftlich breiter aufstellen. "Wenn Covid uns eins gelehrt hat, dann das: Wir sind auf uns allein gestellt. Niemand rettet uns. Und wir haben ein Volk und Kinder zu versorgen", sagt sie. Man werde sorgfältig abwägen, "wie das harmonisch geht".
Premier Brown träumt von der Weltspitze
Das passt ganz zur Politik des Premiermisters Mark Brown, der ein Elektroauto fährt. Er sieht eine potentielle Win-Win-Situation: Der Westen bekomme die Metalle für seine Energiewende und die Cookinseln dringend benötigte Staatseinnahmen. Aber noch sei ja gar nichts entschieden, betont er, man erforsche noch. Dennoch: "Das Moratorium, der Aufschub, den viele andere Staaten wollen, ist nicht der Weg. Wir halten nichts davon, den Kopf in den Sand zu stecken. So nach dem Motto: Lieber erst gar nichts wissen wollen. Wir wollen unseren Ozean kennenlernen."
Brown spricht bewusst vom "Ernten" der Knollen, nicht vom "Abbauen" - das klingt ihm zu negativ. Er träumt davon, aus seinem kleinen Inselstaat ein Exzellenzzentrum für Meeresforschung und Tiefseebergbau zu machen. Die potenziellen Umweltprobleme müsse man nur richtig auffangen, glaubt er und hofft: "Wir könnten den Tiefseebergbau vielleicht in fünf Jahren starten. In zehn Jahren wird die Nachfrage nach diesen Metallen noch größer sein und wir im Pazifik könnten führend sein in der nachhaltigen Ernte dieser wichtigen Metalle, um die Welt zu beliefern - aber unter Schutz unseres Ozeans."
Taucher, blauer Himmel, blaues Meer: Urlaubsidylle in der Lagune von Aitutaki.
"Es geht um den indigenen Weg"
Der Tiefseebergbau könnte der Bevölkerung viel Wohlstand bringen. Doch Wissenschaftler Teina Rongo fürchtet, dass die Cookinseln dann auch ihre Identität, ihre Seele verlieren. "Wir nehmen einen Lebensstil an, der nicht zu uns und nicht zu unserer Umgebung passt", befürchtet er. "Es geht um den indigenen Weg. Unsere Vorfahren haben hier seit tausenden Jahren gelebt - und zwar in Harmonie mit unseren Ressourcen. All das stellen wir derzeit infrage."
Teina Rongo betet dafür, dass es anders kommt. Doch der Zwiespalt zwischen Tradition und Versuchung scheint gerade besonders groß.
Diese und weitere Reportagen sehen Sie am Sonntag, 3.09.2023 um 18:30 Uhr im "Weltspiegel".