Anschlag auf Kirche in Nigeria "Sie kamen nur, um zu töten"
Augenzeugen des Angriffs auf eine Pfingstmesse in Nigeria berichten von grauenhaften Szenen. Und noch immer ist unklar, wer hinter der Tat steckt. Handelt es sich um einen Racheakt am Gouverneur des Bundesstaates Ondo?
Bei dem Anschlag auf einen Pfingstgottesdienst in Nigeria sind laut offiziellen Angaben 22 Menschen getötet worden. Der nationalen Notfallbehörde zufolge wurden bei dem Angriff am Sonntag in der Stadt Owo 50 Menschen verletzt, wie der britische Sender BBC berichtete. Damit ist die Zahl der Toten niedriger als zunächst befürchtet. Bisher war in Medienberichten von mindestens 50 Toten die Rede.
Täter schossen wahllos um sich
Fotos, die die BBC veröffentlichte, zeigen eine große Blutlache unter einem Kruzifix, dazu zerschlagene Möbel. Scherben, verlorene Schuhe und viele Blutspuren zeugen von dem Morden, das am Pfingstsonntag über die Gläubigen hereinbrach.
Bis zu 1200 Menschen fasst die Sankt-Franziskus-Kirche in der sonst so friedlichen Stadt Owo. Das Gotteshaus ist voll besetzt, als die Täter kurz vor Mittag zuschlagen. Ein Augenzeuge berichtet: "Sie kamen von vorn herein und hinten durch die Seiteneingänge und begannen zu schießen. Aber niemand wurde entführt, kein Priester, niemand von der Kirchenleitung wurde gekidnappt. Sie kamen nur, um zu töten."
Sowohl Gewehre als auch Sprengstoff hätten die Täter eingesetzt, berichten Augenzeugen. Mindestens fünf Männer sollen es gewesen sein. Sie verschonten weder Kinder noch Schwangere und schossen Augenzeugen zufolge Flüchtenden in die Beine. Ganze Familien seien ausgelöscht worden, sagte ein Mitglied des Kirchenchors Journalisten der BBC.
Die Karte zeigt Nigeria mit der Stadt Owo. Hier ereignete sich die Tat.
Täter auf der Flucht
Die Kliniken der Umgebung sind noch immer überfüllt mit Verletzten, während von den Tätern jede Spur fehlt. Der Gouverneur von Ondo, Rotimi Akeredolu, sprach von einer satanischen Attacke: "Dies ist das abscheulichste Verbrechen, das einer Gesellschaft zustoßen kann, aber dass es in einer Kirche begangen wurde, ist - um es milde auszudrücken - umso schärfer zu verurteilen."
Die Hintergründe des Verbrechens liegen bislang noch im Dunkeln. Niemand hat die Verantwortung für das Massaker übernommen. Weder islamistische Terroristen noch kriminelle Banden erklärten, was das Töten bezwecken sollte. Ratlosigkeit und Verzweiflung liegen in den Worten von Joshua Oladapo, dem Vertreter der Christlichen Vereinigungen in Ondo State. Er wertet die Tat als deutlichen Appell - "nicht nur an unsere nationale Führung, sondern auch an die internationale Gemeinschaft."
Hier hat sich ein Angriff auf die Kirche ereignet, auf die christliche Gemeinschaft und auf eine friedliche Gemeinde - das sollte nicht so weitergehen.
Terror war bisher nie so weit vorgedrungen
Angriffe auf Kirchen waren früher ein Zeichen der zumeist im Norden operierenden Terrorgruppe Boko Haram, doch die war nie bis Ondo im Südwesten Nigerias vorgedrungen. Ondo war bislang auch von der in Nigeria um sich greifenden Gewaltkriminalität weitestgehend verschont geblieben.
In den vergangenen Wochen hatten sich Kriminelle auf die Entführung von Geistlichen kapriziert, offenbar um Lösegeld zu erpressen. Im März war ein Zug von der Hauptstadt Abuja in den Norden ebenfalls das Ziel von Geiselnehmern geworden.
Racheakt an Gouverneur?
Es gebe einfach zu viele Zonen der Rechtlosigkeit in Afrikas bevölkerungsreichstem Staat, kritisiert der renommierte Sicherheitsberater Kabiru Adamu in Abuja im Interview. Aus seiner Sicht kann es sich bei den Tätern um ein angeheuertes Killerkommando handeln. Dessen Angriff auf die wehrlosen Gläubigen könne ein gezielter Racheakt am Gouverneur gewesen sein. Adamu erklärt: "Wir hören, er ist gegen die Marihuana-Produktion im Land vorgegangen. Drogenkartelle schlagen immer zurück, wenn so etwas geschieht."
Auch politische Hintergründe will der Experte nicht ausschließen. In Nigeria stehen im nächsten Jahr Wahlen an. Der tödliche Angriff von Owo, sagt Sicherheitsberater Kabiru Adamu, könne auch zum Ziel gehabt haben, den amtierenden Gouverneur im politischen Wettbewerb zu schwächen.