Kampfpause im Libanon Das sind die Kernpunkte der Waffenruhe
Die Waffenruhe im Libanon zwischen Israel und der Hisbollah ist in Kraft. Was wurde vereinbart? Welche Rolle spielen die Blauhelm-Soldaten? Was bedeutet der Schritt für den Krieg im Gazastreifen? Ein Überblick.
Was sieht das Abkommen vor?
Zentraler Punkt ist, dass die Kämpfe zwischen der libanesischen Hisbollah-Miliz und der israelischen Armee für zunächst 60 Tage eingestellt werden. Die Hisbollah soll ihre Präsenz an der südlibanesischen Grenze aufgeben und sich bis zum Litani-Fluss etwa 30 Kilometer nördlich der Grenze zurückziehen.
Die libanesische Armee stationiert rund 5.000 Soldaten südlich des Litani-Flusses, darunter an rund 30 Posten entlang der Grenze. Die israelischen Truppen sollen sich auf ihre Seite der Grenze zurückziehen.
Wer soll die Einhaltung des Abkommens überwachen?
Die libanesische Armee soll mit Soldaten der UN-Friedenstruppe UNIFIL für Sicherheit sorgen. Eine Staatengruppe unter Führung der USA soll die Waffenruhe überwachen.
Die Regierung des Libanon - derzeit nur geschäftsführend im Amt - soll alle Waffenverkäufe an das Land sowie deren Herstellung so überwachen, dass sie die Hisbollah oder andere bewaffnete Gruppen nicht erreichen.
Ob die libanesische Regierung, die in dem Staat nur begrenzten Einfluss hat, dieser Rolle gerecht werden kann, ist fraglich.
UNIFIL ist bereits mit rund 10.000 Blauhelmen im Land stationiert, scheiterte aber wiederholt daran, das Grenzgebiet zu überwachen. Mit der neuen Aufsicht verbindet sich die Hoffnung, dass die genannten Punkte künftig strenger durchgesetzt werden, womöglich durch Sanktionen bei Verstößen.
Hält die Waffenruhe bislang?
Ja. Bisher halten sich beide Seiten an die Vereinbarung. Die israelische Armee meldete die letzten Raketenangriffe auf den Norden des Landes, mehrere Stunden bevor die Waffenruhe um 4.00 Uhr Ortszeit (3.00 Uhr MEZ) in Kraft trat. Am Morgen blieb es auf beiden Seiten ruhig.
Im Libanon waren kurz nach Inkrafttreten der Feuerpause im Raum der Hauptstadt Beirut Freudenschüsse zu hören. Tausende Menschen machten sich seit den frühen Morgenstunden in vollgepackten Autos auf den Weg zurück in den Süden des Landes. In Sozialen Medien und im arabischen Fernsehen waren lange Staus auf den Straßen zu sehen.
Die libanesische Armee rief die Bewohner südlicher Orte jedoch zu Geduld auf. Sie sollten mit ihrer Rückkehr bis zum Abzug der israelischen Streitkräfte gemäß der Vereinbarung warten.
Ein israelischer Militärsprecher schrieb auf X, Bewohner von Gegenden, für die es Aufforderungen zur Evakuierung gegeben habe, dürften noch nicht in ihre Dörfer zurückkehren.
Sie gilt vorwiegend für einen räumlich begrenzten Bereich. Auch von einer Seite verkündete einseitige Feuerpausen kommen vor. Diese bewirken nicht immer, dass auch der Gegner die Kampfhandlungen aussetzt. Nach einer Waffenruhe kann die Wiederaufnahme der Kämpfe folgen. Sie kann aber genauso verlängert werden und in einen vertraglich vereinbarten Waffenstillstand übergehen.
Waffenstillstand: Die Haager Landkriegsordnung von 1907 als grundlegender völkerrechtlicher Vertrag über das Verhalten im Kriege kennt nur den Begriff Waffenstillstand.
In Artikel 36 heißt es: "Der Waffenstillstand unterbricht die Kriegsunternehmungen kraft eines wechselseitigen Übereinkommens der Kriegsparteien. Ist eine bestimmte Dauer nicht vereinbart worden, so können die Kriegsparteien jederzeit die Feindseligkeiten wieder aufnehmen." Ein Waffenstillstand kann die Vorbereitung von Verhandlungen über einen Friedensschluss ermöglichen, doch nicht immer folgt tatsächlich ein Friedensvertrag.
Welche Risiken gibt es?
In dem jahrzehntelangen Konflikt zwischen Israel und der Hisbollah bleiben große Bedenken, ob die Waffenruhe diesmal langfristig hält. Nach schwerem gegenseitigen Beschuss über mehr als ein Jahr und verheerenden israelischen Angriffen im Libanon ist die Skepsis auf beiden Seiten groß.
60 Tage für den Abzug von Israels Bodentruppen - also rund zwei Monate - sind eine lange Zeit mit viel Raum für Fehler, Verstöße oder Streitigkeiten über die Umsetzung.
"Die große Sorge ist, dass sich die Hisbollah wieder bewaffnet und sich nicht aus dem südlichen Libanon zurückzieht", beschreibt ARD-Korrespondent Christian Limpert die Stimmung in Israel. "Die Menschen aus den evakuierten Orten möchten nicht zurückkommen, solange sie diese Bedrohung fürchten müssen."
Zweifel bestehen auch, ob die fragile libanesische Regierung genug Macht hat, um die Waffenruhe zu überwachen und etwa Waffenverkäufe an die Hisbollah zu unterbinden.
Wie fallen die Reaktionen aus?
US-Präsident Joe Biden, dessen Regierung die Waffenruhe zusammen mit Frankreich vermittelt hatte, sprach von "guten Nachrichten". Ziel sei eine "dauerhafte Einstellung der Feindseligkeiten". Sollte die Hisbollah das Abkommen brechen und eine Bedrohung für Israel darstellen, habe Israel das Recht auf Selbstverteidigung, so der US-Präsident. Dies stehe im Einklang mit dem Völkerrecht.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu richtete eine scharfe Warnung an die Hisbollah: "Bei jedem Verstoß werden wir mit aller Macht angreifen." Zugleich betonte er, die Feuerpause würde die mit der Hisbollah verbündete Hamas weiter isolieren und Israel die Möglichkeit geben, sich auf den Erzfeind Iran zu konzentrieren.
Der französische Präsident Emmanuel Macron sprach von einer Chance für den Libanon. "Es ist wichtig, dass diese Waffenruhe eingehalten wird - und das auf Dauer", sagte er in einem auf X veröffentlichten Video.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock sprach von einem "Lichtblick für die ganze Region". Hunderttausende Frauen, Kinder und Familien im Libanon könnten nun neue Hoffnung schöpfen, ebenso Zehntausende Menschen aus dem Norden Israels.
Auch die iranische Regierung als Verbündete der Hisbollah begrüßte die Waffenruhe. Der Iran werde auch in Zukunft "die Regierung, das Volk und den Widerstand im Libanon" unterstützen, sagte Außenamtssprecher Ismail Baghai. Nun sei es an der Zeit, Druck auszuüben, um auch eine Waffenruhe im Gaza-Krieg zu erzielen, fügte er hinzu.
Welche Folgen hat das Abkommen für den Krieg in Gaza?
Das lässt sich momentan noch nicht sagen. Die israelische Regierung hofft nach den Worten von Premierminister Netanyahu darauf, dass die radikal-islamische Terrormiliz Hamas nach dem Libanon-Abkommen weiter isoliert wird.
Von der Hamas selbst gibt es bislang Aussagen, die die Einigung mit der Hisbollah loben. Bezogen auf den Gaza-Konflikt heißt es, man sei flexibel für eine Waffenruhe - es scheitere aber an Israel. Mit anderen Worten: Noch zeichnet sich keine Annäherung ab.
"Der Knackpunkt bleibt, ob die Hamas bereit ist, eine Präsenz israelischer Truppen im Gazastreifen zu akzeptieren - bislang möchte sie das nicht", so ARD-Korrespondent Limpert. Für Israel sei das aber eine Voraussetzung. Sollte es in dieser Frage eine Lösung geben, "dann könnte es auch eine Art Geisel-Deal geben".