Europawahl 2024
Junge Europäer vor der Wahl "Wir brauchen mehr junge Politiker"
Im Chat mit Europas Jugend: Hugo Nauche ist französischer Jungpolitiker. Er wollte im Frühjahr Bürgermeister einer Kleinstadt nördlich von Paris werden. Er sieht sich als Europäer - was sind seine Hoffnungen und Ängste? Geht er im Mai bei der Europawahl wählen? tagesschau.de hat ihn gefragt.
tagesschau.de: Sie sind Franzose und überzeugter Jungpolitiker. Doch fühlen Sie sich eher als Franzose oder eher als Europäer?
Nauche: Es ist für mich nicht einfach, darauf eine Antwort zu finden. Aber prinzipiell sehe ich mich als Franzose, auch wenn ich viel Wert auf meine europäische Bürgerschaft lege.
tagesschau.de: Warum?
Nauche: Zunächst gibt es nicht die europäische Bürgerschaft schlechthin. Denn es gibt zu viele Unterschiede zwischen den einzelnen Staaten, als dass man von einer solchen Bürgerschaft sprechen könnte.
Der Pariser Hugo Nauche (23) kandidierte bei den Kommunalwahlen im März 2014 als Bürgermeister der Kleinstadt Bornel nördlich von Paris, unterlag aber knapp. Seit fünf Jahren ist er Mitglied der Sozialistischen Partei. Zuvor studierte er Politik und Wirtschaft.
tagesschau.de: Was für eine Bedeutung haben Europa und die EU für Sie?
Nauche: Allein die EU ist dafür verantwortlich, dass Kriege zwischen unseren Ländern vermieden werden. Dadurch, dass wir dieselben Werte teilen - wie das Demokratieverständnis oder das Gleichheitsprinzip - sind wir zu einer starken Gemeinschaft geworden. Außerdem ist die EU ein System, um eine starke Ökonomie zu formen.
"Jeder Europäer sollte wählen gehen"
tagesschau.de: Nun haben Sie einige Vorteile genannt. Was sind aber die großen Nachteile für Sie?
Nauche: Es gibt für mich keinerlei Nachteile.
tagesschau.de: Sie finden also nur gute Gründe, die Sie dann auch bewegen, im Mai wählen zu gehen?
Nauche: Genau. Das Recht, eine Wahl zu haben, ist für mich das größte demokratische Gut. Jeder sollte davon Gebrauch machen.
tagesschau.de: Nun haben bei der letzten Wahl nur 43 Prozent den Weg zur Urne gefunden...
Nauche: Leider ja. Ich glaube, dass auch dieses Jahr die Beteiligung leider sehr gering sein wird. Womöglich wieder weniger als die Hälfte. Das hat meiner Meinung nach verschiedene Gründe. Zunächst einmal denke ich, dass viele Europäer der EU die Schuld für aktuelle Probleme geben. Außerdem ist die EU für viele zu komplex und viele Bürger verstehen nicht, wie die EU funktioniert.
"Ich fürchte, dass rechte Parteien gewählt werden"
tagesschau.de: Trotzdem gehen gerade Sie als junger Europäer wählen. Welche Hoffnungen stecken Sie in die kommenden Wahlen?
Nauche: Ich stimme für ein aus ökonomischer Sicht nicht zu liberales Europa. Also ein solidarisches Europa, so dass wir mit einer Stimme in der Welt agieren. Hingegen fürchte ich, dass rechte Parteien stark sein werden dieses Jahr. Vielleicht ist das eine Folge der Krise.
tagesschau.de: Glauben Sie trotzdem, dass die EU erfolgreich ist?
Nauche: Absolut. Es gibt seit Jahrzehnten keinen Krieg mehr und trotz der Krise ist Europa eine starke, ökonomische Macht. Das ist doch alles positiv.
"Die Krise ist gut für den Entwicklungsprozess der EU"
tagesschau.de: Wie bewerten Sie dann die Krise, wenn Sie sagen, dass Europa ökonomisch gesehen stark sei?
Nauche: Die EU ist das Produkt aus europäischen Krisen. Weltkriege haben uns gezwungen, neu zu denken. Daher kann auch die Banken- und Finanzkrise, so schlecht sie ist, nur gut für den Entwicklungsprozess sein.
tagesschau.de: Sie wollen an diesem Prozess aktiv teilhaben und gehen in die Politik - zwar eher in Ihrer Region als in Europa. Trotzdem: Warum wollen Sie Teil des politischen Spiels werden?
Nauche: Weil es mehr junge Politiker geben sollte. Nur wir können neue Ideen in die Praxis bringen und uns vor allem für die Zukunft unseres Landes und Kontinents einsetzen. Ich will, dass es den Menschen besser geht und will dafür meine Zeit und meine Kraft investieren. Allein darum will ich Teil des Spiels werden.
Das Interview führte Jan Koch per Chat für tagesschau.de