Europawahl 2024
Debatte vor der Europawahl Elefantenrunde in Maastricht
Schlagabtausch zum Europa-Wahlkampf im Hochglanz-Studio: Ursula von der Leyen verteidigte ihren "Green Deal" gegen Kritik - und schloss ein Bündnis mit Rechtskonservativen nicht aus.
Es war ein freundlicher Empfang, mit dem die acht Spitzenkandidatinnen und -kandidaten auf der Bühne eines Theater- und Konzertsaals im Herzen von Maastricht begrüßt wurden. Wie im US-amerikanischen Wahlkampf standen sie nebeneinander aufgereiht an Rednerpulten. Das Format ist auch für den europäischen Wahlkampf nicht ganz neu.
Schon vor fünf und vor zehn Jahren gab es diese Debatte vor einer Europawahl. Sie wird komplett in Englisch gehalten, für Interessierte auch im Internet auf einem Extrakanal unter anderem ins Deutsche übersetzt. Für die Diskussion bleiben insgesamt 90 Minuten, das fordert ein strenges Zeitmanagement durch die beiden Moderatorinnen.
Dem muss sich auch eine amtierende EU-Kommissionspräsidentin gelegentlich beugen, wenn sie um die Gelegenheit für eine zusätzliche Antwort bittet - aber versprechen muss, dass sie es wirklich kurz macht.
Klimawandel als ein zentrales Thema
Es geht quer durch die großen aktuellen Themen der internationalen Politik: Sicherheit und Ukraine-Krieg, die Lage im Nahen Osten, die Gefahren für die Demokratie durch Manipulationen von Außen. Und natürlich: der "Green Deal", Herzstück der Kommission in den vergangenen fünf Jahren.
Der gehe nicht verloren, verspricht der sozialdemokratische Spitzenkandidat Nicolas Schmit: "Es wäre ein großer Fehler, jetzt im Kampf gegen den Klimawandel nachzulassen. Wir müssen mutig bei unseren Entscheidungen bleiben."
Aber der Luxemburger und Herausforderer Ursula von der Leyens, der zurzeit als Kommissar für Arbeit und Soziales am Kabinettstisch sitzt, findet, man müsse noch mehr die Balance finden: "Wir müssen das alles auch sozial fair und gerecht finanzieren."
"Wir sind erst am Beginn dieses Marathons"
Bas Eickhout von den Grünen wirft von der Leyen vor, mit dem "Green Deal" auf halbem Wege stecken geblieben zu sein. Sie habe das doch zu ihrem großen Projekt ausgerufen, so wie Kennedy einst den Flug zum Mond. "Stellen sie sich vor, Kennedy hätte damals gesagt: Och, der halbe Weg ist auch ok", wendet er sich an die Kommissionspräsidentin.
Europa brauche ein Investitionsprogramm für klimasaubere und bezahlbare Häuser, Geld für den öffentlichen Verkehr. Der "Green Deal", findet Eickhout, sei ein guter Start gewesen, "aber wir sind erst am Beginn dieses Marathons."
Von der Leyen verweist auf die 650 Milliarden Euro, die schon bereit stünden, dazu müsse aber auch privates Kapital kommen. Zur Kritik, der "Green Deal" reguliere die Wirtschaft zu sehr, sagt sie: Nein, er sei nicht ein Problem für den Wettbewerb, sondern - im Gegenteil - seine Lösung.
Von der Leyen hält sich Optionen offen
Die meisten Positionen in der Debatte, in der sich gelegentlich auch direkte Dialoge und Auseinandersetzungen entwickeln, sind nicht überraschend.
Der dänische Vertreter der Fraktion ID, der aus Deutschland auch die AfD angehört, will die Migration stärker begrenzen, der Vertreter der Linken - er kommt aus Österreich - will mehr für bezahlbaren Wohnraum tun. Die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die für die liberale Fraktion im Europaparlament antritt, hält die Sicherheit für die Schlüsselfrage der europäischen Zukunft.
Zu einem nachrichtlich interessanten Augenblick kam es dann, als es um mögliche Bündnisse nach der Wahl ging. Wie sie es denn mit der EKR halte, der nationalkonservativen Allianz, der zum Beispiel die polnische PiS und die Brüder Italiens von Georgia Meloni angehören, wird von der Leyen gefragt. Das hänge sehr davon ab, wie die Zusammensetzung des Parlaments sein werde und wer in welcher Gruppe ist, antwortet die Kommissionschefin - also kein klarer Ausschluss.
Plädoyer eines Ex-Sowjetsoldaten
Für einen berührenden Moment am Ende der Debatte sorgt Valeriu Ghiletchi von der Europäischen Christlichen Bewegung, ein Pastor und Elektroingenieur aus Rumänien, geboren und aufgewachsen der in der Sowjetunion.
"Selbst in meinem wildesten Traum", gesteht Ghiletchi, "hätte ich mir nicht vorstellen können, dass ich, ein ehemaliger Sowjet-Soldat, eines Tages hier stehen und an einer freien Debatte teilnehmen würde. Aber unsere Träume können wahr werden. Deshalb rufe ich dazu auf, für unsere fundamentalen Freiheitsrechte einzutreten. Und ich bete dafür: Gott schütze Europa."
Die Maastricht-Debatte war die erste von voraussichtlich zweien mit den Spitzenkandidatinnen und -kandidaten. Die zweite ist für den 23. Mai geplant.