Buch "Jetzt. Wie wir unser Land erneuern." von Annalena Baerbock

Grüne Kanzlerkandidatin Plagiatsjäger erhebt Vorwürfe gegen Baerbock

Stand: 29.06.2021 19:12 Uhr

Der österreichische Medienwissenschaftler Weber wirft der Grünen-Kanzlerkandidatin Baerbock vor, in ihrem neuen Buch abgeschrieben zu haben. Die Grünen weisen das zurück und sprechen von Rufmord.

Der österreichische Medienwissenschaftler Stefan Weber wirft der Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock vor, in ihrem Buch abgeschrieben zu haben - was die Grünen kategorisch zurückweisen. In einem Blogbeitrag legt Weber Baerbock zur Last, einige Formulierungen aus dem Buch stammten nicht von ihr. "Und wenn man es genau nimmt, handelt es sich auch um mehrere Urheberrechtsverletzungen."

Ein Grünen-Sprecher sagte dazu am Dienstag: "Das ist der Versuch von Rufmord." Baerbock habe den auf Medienrecht spezialisierten Rechtsanwalt Christian Schertz eingeschaltet.

"Ein Sachbuch, keine Dissertation"

Baerbocks Buch "Jetzt. Wie wir unser Land erneuern" war am 21. Juni erschienen. Es handelt sich dabei nicht um einen akademischen Text, für den zwingend strenge Standards wissenschaftlichen Arbeitens gelten. Baerbock breitet in dem 240 Seiten umfassenden Buch grüne politische Konzepte aus und verbindet diese mit persönlichen Erlebnissen. Fußnoten, mit denen sie auf Quellen verweisen könnte, nutzt sie nicht. Das räumt auch Weber ein. "Ein Sachbuch einer Politikerin im Ullstein-Verlag ist keine Dissertation", schreibt er. Aber: "Textplagiate sind ethisch nicht korrekt und wurden auch bereits in Sachbüchern zurecht bemängelt."

Der Medienwissenschaftler Weber, der sich bereits seit Mai auch mit Ungenauigkeiten im Lebenslauf Baerbocks befasst hat, zählt in seinem Beitrag mehrere Textpassagen mit Parallelen zu anderen Veröffentlichungen auf.

Als Beispiel führt Weber unter anderem eine Passage auf Seite 174 von Baerbocks Buch an. Dort schreibt sie über die EU-Osterweiterung im Jahr 2004: "Die EU wuchs von 15 auf 25 Mitglieder - und begrüßte damit rund 75 Millionen neue Unionsbürger*innen." Die Bundeszentrale für politische Bildung formuliert es in einem Artikel zum Thema sehr ähnlich: "Die EU wuchs von 15 auf 25 Mitglieder - und begrüßte damit rund 75 Millionen neue Unionsbürgerinnen und -bürger. Davon lebte etwa die Hälfte in Polen."

An anderer Stelle lobt Baerbock die Vorzüge von Holz als Rohstoff zum Häuserbau und nennt dabei drei geplante massive Bauten aus Holz in Amsterdam, Chicago und Tokio, eine Information, die sich auch in einem "Spiegel"-Artikel von 2019 findet.

Grüne sprechen von Rufmord

Weber versuche, "bösartig" Baerbocks Ruf zu schädigen, sagte der Grünen-Sprecher. "Bei den beschriebenen Passagen handelt es sich um allgemein zugängliche Fakten oder bekannte Grüne Positionen." Anwalt Schertz erklärte in einer von der Grünen-Pressestelle verschickten Stellungnahme: "Ich kann nicht im Ansatz eine Urheberrechtsverletzung erkennen, da es sich bei den wenigen in Bezug genommenen Passagen um nichts anderes handelt, als um die Wiedergabe allgemein bekannter Fakten sowie politischer Ansichten."

Auch der Ullstein-Verlag, bei dem das Buch erschienen ist, verwahrte sich gegen die Vorwürfe und argumentierte ähnlich. "Das Manuskript von Annalena Baerbocks Buch ist im Verlag sorgfältig lektoriert worden", so der Verlag. "Die Aufzählung von allgemein zugänglichen Fakten ist ebenso wenig urheberrechtlich geschützt wie einfache Formulierungen, mit denen solche Fakten transportiert werden. Wir können keine Urheberrechtsverletzung erkennen." Wie bei nichtwissenschaftlichen Werken üblich enthalte das Buch kein Quellenverzeichnis.

Entschlossene Reaktion der Partei

Der Grünen-Sprecher nannte die Vorwürfe absurd: "Welche Staaten im Rahmen der EU-Osterweiterung aufgenommen wurden, wie sich die Mitgliedszahl dadurch vergrößert hat oder was die größten Holzbauprojekte sind, ist ein allgemeiner Fakt und kein Plagiat." Weber sieht das anders: Es gehe nicht allein um faktische Übereinstimmungen sondern um den sprachlichen Guss.

Im Vergleich zu früheren Vorwürfen gegen Baerbock reagierte die Parteispitze dieses Mal mit äußerster Entschlossenheit. In einer E-Mail an Unterstützer mit dem Betreff "Das ist Rufmord!" schrieb Bundesgeschäftsführer Michael Kellner, es handle sich um eine Kampagne und schlug vor: "Twittere selbst dazu oder retweete und zeige damit volle Solidarität mit Annalena!"

Weber sagte der Nachrichtenagentur dpa, er habe das Buch auf eigene Rechnung untersucht, es handle sich nicht um eine bezahlte Auftragsarbeit. "Ich habe mich in das Thema Baerbock verbissen, weil da einiges zusammen kommt."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 29. Juni 2021 um 17:00 Uhr.