Bundestagswahl 2025

Eine Frau gibt ihre Stimme in einem Wahllokal ab.
analyse

Stimmung vor der Bundestagswahl Unsicher und pessimistisch an die Wahlurne

Stand: 23.02.2025 13:28 Uhr

Umfragen des ARD-DeutschlandTrends zeigen eine beunruhigte Stimmung bei den Wahlberechtigten in Deutschland. Vor allem die Themen Zuwanderung, Wirtschaft und Krieg sorgen für einen pessimistischen Blick in die Zukunft.

Dreieinhalb Monate liegt der Bruch der Ampel zurück, seither regiert eine rot-grüne Minderheit. Angesichts der außenpolitischen Lage und der wirtschaftlichen Probleme ist das eine lange Zeit. Für die Vorbereitung der Neuwahl war es hingegen vergleichsweise wenig Zeit und damit eine Herausforderung.

Für die Briefwahl blieben vielen Menschen oft nur ein paar Tage Zeit - einige haben die Unterlagen wegen eines Urlaubs oder längerer Abwesenheit gar nicht erreicht. Tausende Auslandsdeutsche werden es außerdem nicht schaffen, ihre Stimmzettel rechtzeitig mit der Post zurückzusenden.

Hohe Beteiligung erwartet

Trotzdem deutet, wie bei den vorangegangenen Wahlen, alles auf eine hohe Beteiligung hin. Die Wählerinnen und Wähler spüren den Druck der Probleme, sie wollen verantwortlich mit ihren Stimmen umgehen und sind deshalb häufig unsicher mit ihrer Entscheidung.

In der Woche vor der Wahl sehen 83 Prozent der Befragten mit Beunruhigung auf die Verhältnisse im Land, nur 12 Prozent mit Zuversicht. Eine ähnlich pessimistische Grundstimmung wurde zuletzt vor über 20 Jahren gemessen. 

Migration, Innere Sicherheit und Krieg

Neben dem Krieg in der Ukraine und dem ausbleibenden Wirtschaftswachstum ist es vor allem die irreguläre Migration, die für Beunruhigung sorgt und bei der Wahlentscheidung eine deutlich größere Rolle spielt als 2021. Zwei Drittel der Befragten möchten, dass weniger Flüchtlinge und Asylbewerber ins Land kommen als in den letzten Jahren. Für einige ist diese Frage entscheidend.

Nach den Anschlägen der vergangenen Wochen ist nun aber vor allem das Thema innere Sicherheit in den Vordergrund gerückt und ein noch wichtigeres Motiv bei der Stimmabgabe geworden. Soziale Fragen bleiben zwar wichtig, haben gegenüber der letzten Wahl aber an Bedeutung verloren. Nach unten gerutscht auf der Entscheidungsliste ist das Thema Umwelt und Klima. 

Abrechnung mit Ampel-Koalition

Die heutige Wahl ist eine Abrechnung mit der Ampel. Nur 17 Prozent sind im Rückblick mit ihrer Arbeit zufrieden - die schlechteste Bewertung, die jemals für eine Regierung vor der Wahl gemessen wurde. Das gilt auch für das Spitzenpersonal der bisherigen Regierung. Alle drei Parteien treten erneut mit den Kandidaten an, die innerhalb der gescheiterten Ampel die Verantwortung getragen hatten.

Das schlägt sich in den Zustimmungswerten nieder: SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz kommt auf 26 Prozent Zustimmung, der FDP-Vorsitzende Christian Lindner auf 24, Wirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen immerhin auf 34 Prozent. Gegenüber der letzten Wahl sind das für Scholz minus 30, für Lindner minus 16 und für Habeck minus 9 Punkte. 

Merz gilt nicht als vertrauenswürdig

Friedrich Merz hat zwar mit 35 Prozent Zustimmung knapp den höchsten Wert aller Spitzenkandidaten. Auch nach der viel diskutierten Bundestagsabstimmung über die Migrationspolitik Ende Januar hat er weiter persönliche Unterstützung gewinnen können. Angesichts seiner Rolle als Oppositionsführer ist das aber - auch im historischen Vergleich - immer noch ein niedriger Wert. Zwar trauen ihm die Befragten eher als dem amtierenden Olaf Scholz zu, das Amt des Kanzlers auszufüllen, doch Merz gilt mehrheitlich nicht als sympathisch oder vertrauenswürdig.

AfD mit Chancen auf Rekord-Ergebnis

Derweil liegt AfD-Kandidatin Alice Weidel mit 24 Prozent Zustimmung auf Augenhöhe mit Scholz und Lindner. Alle drei Oppositionsparteien können nach dem letzten Stand der Umfragen mit teilweise deutlichen Zugewinnen gegenüber der vergangenen Wahl rechnen. Die AfD hat gute Chancen auf ihr bisher bestes Ergebnis bei einer bundesweiten Wahl.

Dabei ist wie schon bei den jüngsten Landtagswahlen und der Europawahl im vergangenen Jahr erkennbar, dass sie zunehmend aus Überzeugung und weniger aus Enttäuschung für andere Parteien gewählt wird. Ihre Kompetenzwerte auf Feldern wie Kriminalitätsbekämpfung, Asyl- und Flüchtlingspolitik, aber auch Wirtschaft und Außenpolitik sind deutlich angestiegen. Die Haltung der AfD, irreguläre Migration massiv zu begrenzen, findet weit über ihre Wählerschaft hinaus Zustimmung. 

Große Zweifel an der Kompetenz der SPD

Die Union erzielte 2021 nicht nur ihr historisch schlechtestes Wahlergebnis, sondern auch ihre bisher niedrigsten Werte in Kernkompetenzen wie Wirtschaft und innere Sicherheit. Hier legt sie aktuell wieder etwas zu, erreicht aber nicht ihr langjähriges Niveau. Verglichen mit den anderen Parteien trauen ihr die Wählerinnen und Wähler jedoch auch in der Außen- und Verteidigungspolitik und bei Flüchtlingen und Asyl am meisten zu. 

Bitter sind die Kompetenzwerte für die SPD. Immer weniger wird sie als die Partei des sozialen Ausgleichs wahrgenommen. Viele Befragte kritisieren, dass sie mehr auf das Thema Bürgergeld gesetzt habe als auf die Unterstützung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. In der Folge haben ihre Werte auf dem Feld der sozialen Gerechtigkeit einen Tiefstand erreicht. 

Linke hat noch aufgeholt

Unter den Ampelparteien werden die Grünen vermutlich die wenigsten Federn lassen. Sie markieren die eine Seite einer polarisierten Auseinandersetzung, vor allem über Wirtschaft und Klima. Die Angriffe vor allem aus der Union haben offenbar den Kern ihrer Wählerschaft nicht verunsichert. Das Vertrauen in die Kompetenz bei der Klima- und Umweltpolitik der Grünen ist nur leicht gesunken und bleibt ihr Alleinstellungsmerkmal. 

In den letzten zwölf Monaten hatten die Umfragewerte im ARD-DeutschlandTrend kaum relevante Veränderungen - trotz sich zuspitzender Krisen und trotz des Endes der Ampel-Regierung. Eine Ausnahme gibt es seit Januar: Die Linke hat wieder an Zustimmung gewonnen und kann sich unerwartet begründete Hoffnung machen, wieder in den Bundestag einzuziehen. Sie hat von den zugespitzten Debatten um die Flüchtlingspolitik profitiert, bekommt aber vor allem von jüngeren Wählerinnen und Wählern hohe Unterstützungswerte für ihre sozialpolitischen Positionen. 

Wieviele Parteien ziehen ins Parlament?

Ein Novum bei dieser Bundestagswahl ist auch, dass gleich drei Parteien in der Nähe der Fünf-Prozent-Hürde sind. Während die Linke von oben auf die Marke schaut, konnten FDP und BSW die magische Fünf im ARD-DeutschlandTrend der vergangenen Wochen nicht erreichen. Allerdings sind beide Parteien so nah an der Marke, dass ein Einzug ins Parlament durchaus möglich ist. Ein Bundestag mit fünf, sechs oder sieben Fraktionen - das wird eine entscheidende Rolle bei der Bildung von Mehrheiten und Koalitionen spielen.

Auch bei knappen Verhältnissen wird spätestens am frühen Morgen mit dem vorläufigen Ergebnis der Bundeswahlleiterin feststehen, wie die Kräfte im Bundestag verteilt sind. Dieser ist nach dem neuen Wahlrecht auf 630 Mitglieder begrenzt. In der Folge werden nicht alle Kandidatinnen und Kandidaten, die in ihren Wahlkreisen die höchste Stimmenzahl erreichen, auch ein Mandat erhalten. Dies könnte eine kleine zweistellige Zahl von Wahlkreisen betreffen. Hierüber wird die Bundeswahlleiterin aber erst im Laufe des Montags informieren.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 23. Februar 2025 um 13:00 Uhr.