Bundestagswahl 2025
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Mehrheitsverhältnisse im Bundestag Noch schnell das Grundgesetz ändern?
Eine Reform der Schuldenbremse oder die Wahl von Verfassungsrichtern - solche Änderungen sind künftig nur noch mit den Stimmen von AfD oder Linken möglich. Nun gibt es Überlegungen, die Verfassung noch vom alten Bundestag ändern zu lassen.
Im neuen Bundestag kommen die AfD und die Linke gemeinsam auf 216 Sitze. Damit haben beide Parteien etwas mehr als ein Drittel der Sitze im Bundestag und damit eine sogenannte Sperrminorität. Das bedeutet: Änderungen des Grundgesetzes, die eine Zweidrittelmehrheit erfordern, sind künftig nur möglich, wenn entweder die AfD oder die Linke im Bundestag mitziehen.
Aus Sicht der CDU wäre dies problematisch: Denn im Dezember 2018 beschloss die CDU auf einem Parteitag einen sogenannten Unvereinbarkeitsbeschluss. Dieser besagt, dass es keine Koalitionen oder ähnliche Formen der Zusammenarbeit mit AfD und Linken geben darf.
CDU-Parteichef Friedrich Merz, mutmaßlich der nächste Bundeskanzler, hat erkannt, dass eine unionsgeführte Bundesregierung mit Blick auf Verfassungsänderungen nun ein Problem hat. Vor allem aus den Reihen der Grünen kam der Vorschlag, noch mit dem alten Bundestag das Grundgesetz zu ändern.
Merz zeigte sich grundsätzlich offen für solche Gedankenspiele. Andere in der CDU wie der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, reagierten zurückhaltender. Aber das Thema liegt auf dem Tisch und wird derzeit ernsthaft debattiert.
Schuldenbremse und Sondervermögen
Auf die neue Bundesregierung kommen gewaltige Aufgaben zu, die sie finanzieren muss. Auch deshalb ist es wenig überraschend, dass Merz sich eine Lockerung der Schuldenbremse grundsätzlich vorstellen kann. Dies würde eine Grundgesetzänderung erfordern. Gleiches gilt für die Schaffung eines neuen Sondervermögens für die Bundeswehr. Merz machte aber deutlich, dass eine Schuldenbremsen-Reform umfangreich und komplex sei und deshalb für ihn "in der naheliegenden Zukunft ausgeschlossen".
Denkbar wäre, dass noch der alte Bundestag entsprechende Grundgesetzänderungen beschließt. Union, SPD und Grüne hätten dafür die nötige Zweidrittelmehrheit.
Kein Gebot der "Zurückhaltung"
Verfassungsrechtlich wäre ein solches Vorgehen möglich. Der alte Bundestag bleibt so lange für die Gesetzgebung verantwortlich, bis der neu gewählte Bundestag spätestens am 25. März zusammentritt. Nach Artikel 39 Grundgesetz muss der neue Bundestag spätestens am 30. Tag nach der Wahl zusammenkommen. Bis dahin sind die Handlungsmöglichkeiten des alten Bundestags nicht beschränkt und es gibt auch kein rechtliches Gebot der "Zurückhaltung".
Man habe jetzt noch vier Wochen Zeit, um eine Grundgesetzänderung etwa zugunsten eines Sondervermögens für die Bundeswehr nachzudenken, sagte Merz am Montag. Er wolle nun Gespräche mit SPD, Grünen und FDP führen. Sollte man sich in diesen Gesprächen über eine Grundgesetzänderung einig werden, müsste man eine Sondersitzung des Bundestages terminieren.
Am Dienstag bestätigte Merz, dass es Gespräche bezüglich eines neuen Sondervermögens gebe. Er sehe dies aber auch "im Augenblick als schwierig" an.
Vakanter Posten am Bundesverfassungsgericht
Ein weiteres Problem sind die Wahlen von neuen Richterinnen und Richtern des Bundesverfassungsgerichts. Im Ersten Senat des Gerichts hätte die Stelle von Richter Josef Christ eigentlich schon längst neu besetzt werden müssen, da er die Altersgrenze von 68 Jahren überschritten hat. Seitdem führt er sein Amt kommissarisch weiter. Die CDU hatte mit dem Richter am Bundesverwaltungsgericht Robert Seegmüller einen konservativen, umstrittenen Kandidaten nominiert. Zu einer Abstimmung im Bundestag über die Personalie ist es bislang nicht gekommen.
Auch eine Richterwahl im Bundestag erfordert eine Zweidrittelmehrheit, die nun mit Blick auf AfD und Linke sehr viel schwieriger geworden ist. Deshalb gibt es ebenfalls Überlegungen, die Wahl noch vom aktuellen Bundestag vornehmen zu lassen.
Verfassungsgericht kann eigene Personalvorschläge machen
Gibt es dauerhaften Streit über die Richterwahl, sieht das Bundesverfassungsgerichtsgesetz aber einen Lösungsmechanismus vor. Dann soll das Bundesverfassungsgericht eigene Personalvorschläge machen: Kommt innerhalb von zwei Monaten nicht die Wahl eines Nachfolgers zustande, muss das älteste Mitglied des Wahlausschusses das Bundesverfassungsgericht dazu auffordern, selbst drei Personalvorschläge für die Wahl zu machen.
Die Ausschussälteste Renate Künast von den Grünen hat das Ersuchen bereits an das Bundesverfassungsgericht gerichtet, teilte ein Sprecher des Gerichts der ARD-Rechtsredaktion mit. Das Plenum des Gerichts, in dem alle 16 Richterinnen und Richter vertreten sind, beabsichtige einen Personalvorschlag zu beschließen, wenn eine Wahl durch den neuen Bundestag nicht in einer "überschaubaren Zeit" erfolgen sollte.
In einer früheren Version hieß es, Union, SPD und Grüne müssten sich im alten Bundestag für Grundgesetzänderungen eine weitere Fraktion an die Seite holen, um auf die nötige Zweidrittelmehrheit zu kommen. Das ist nicht korrekt. Gemeinsam verfügen Union, SPD und Grüne im alten Bundestag bereits über eine Zweidrittelmehrheit.
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