Bundestagswahl 2025

Wahlplakate zur Bundestagswahl 2025 stehen in München an einer Straße.
analyse

TV-Wahlkampfauftritte Die Ideen der Anderen

Stand: 11.02.2025 05:39 Uhr

Einen Tag nach dem "Kanzlerduell" kamen die Mitbewerber zu Wort. Allerdings in unterschiedlichen TV-Formaten und zum Teil ohne politisches Gegenüber. Was haben Grüne, FDP, AfD, Linke, BSW und CSU daraus gemacht?

Von Anke Hahn, ARD-Hauptstadtstudio

Alice Weidel von der AfD und Robert Habeck für die Grünen hätten eigentlich beide gern am "Kanzlerduell" am Sonntag teilgenommen, ihre Argumente mit Olaf Scholz (SPD) und Friedrich Merz (CDU) ausgetauscht. Dass sie nun jeweils allein zwei Journalistinnen gegenübersaßen, war für sie nur zweite Wahl.

Robert Habeck hatte das von ARD und ZDF statt der Teilnahme am Kanzlerduell vorgeschlagene Doppelinterview mit Alice Weidel abgelehnt. Diese hatte wiederum erwogen, mit juristischer Unterstützung aus dem "Kanzlerduell" ein Triell zu machen. Alles Schnee von gestern. Nun also lange Einzelinterviews bei "Was nun?" im ZDF.  Das hieß immerhin, sie hatten  viel Zeit, ihre Ideen und Argumente zu platzieren.

Habeck wirbt für sich als "Bündniskanzler"

Zunächst Robert Habeck, der gleich zu Anfang betont, er trete natürlich an, um Kanzler zu werden, genauer "Bündniskanzler". Er wolle die politische Mitte vereinen durch Argumente und gegen Extreme. Sein modernes Führungsverständnis sei es, durch den Konflikt hindurch zum Konsens zu kommen. Dass seine realen Chancen auf die Kanzlerschaft eher gering sein dürften, nimmt er sogar in seine Argumentation auf. Die Grünen, der ideale Bündnispartner, denn dass er lieber mitregieren wolle als in der Opposition zu landen, daran lässt er keinen Zweifel.

Inhaltlich waren Habecks Ideen erwartungsgemäß deutlich näher an der SPD als an der CDU. Migration, Wirtschaftspolitik, Reform der Schuldenbremse und starke Einbindung in die EU - alles mit der SPD gut vereinbar. Gerade in der Frage der Migration widersprach er Friedrich Merz deutlich. Er sehe eher ein Problem bei mangelnder Integration als im Familiennachzug von Geflüchteten. Wichtig sei vor allem, die Menschen, die zu uns kämen, in Arbeit zu bringen. Das sei eine Investition in die Zukunft.

Überhaupt,  die Zukunft, über die werde ihm zu wenig geredet, betonte Habeck. Bildung müsse mehr in den Mittelpunkt der Diskussion gerückt werden, das sei ihm wichtig. Die Kritik an seiner Wirtschaftspolitik nahm er erstaunlich gelassen hin, räumte auch Fehler ein, zum Beispiel beim sogenannten Heizungsgesetz. Nun aber wolle er vieles besser machen: Bürokratie abbauen, die Steuerlast und die Sozialabgaben senken. Und natürlich müsse viel investiert werden, weshalb die Schuldenbremse reformiert werden müsse.

AfD setzt auf "bürgerliche Steuerpolitik"

Genau das aber will die AfD nicht, genauer gesagt, sie meint, das nicht zu brauchen. Alice Weidel präsentiert im Interview bei "Was nun?" die "bürgerliche Steuerpolitik" ihrer Partei. Im Wesentlichen sind das Entlastungen für die Bürger: Steuersenkungen, geringere Sozialabgaben, dazu deutlich höhere Renten und ein sogenanntes Erziehungsgehalt, auch für Großeltern.

Dass das teuer würde, räumt sie ein, aber das sei kein Problem. Denn Deutschland habe genügend Einnahmen, das Geld würde einfach für die falschen Dinge ausgegeben. Die AfD würde die Mittel für die Klimapolitik streichen und die "Ausländersozialhilfe". Es gehe schließlich darum, Politik für die "steuerzahlenden deutschen Staatsbürger" zu machen.

Weidel wirbt für Koalition mit der Union

Mehrfach wirbt Weidel bei Friedrich Merz für eine Koalition mit ihrer Partei, denn die CDU könne die Ziele, die Merz formuliere, doch nur erreichen, wenn sie die AfD an ihrer Seite hätte. Mit Rot-Grün plus CDU gebe es keinen Politikwechsel, für den aber stehe die AfD. Natürlich kam dabei auch die Migrationspolitik zur Sprache. Merz habe schon die richtigen Ansätze, lobte die AfD-Vorsitzende, denn schließlich seien das ja Ideen, die ihre Partei schon seit Jahren vertrete.

Auch Weidel denkt an die Zukunft, deshalb plädierte sie für einen Systemwechsel bei Renten- und Familienpolitik. In die Rentenversicherung sollten nach Ansicht der AfD alle Bürger einzahlen. Vor allem auch Politiker, dann würden sie auch eine bessere Rentenpolitik machen, weil sie selbst betroffen wären. Und auch Familien müssten entlastet werden, erklärte Weidel. Statt auf ungeregelten Zuzug von Ausländern zu setzen, sollten Anreize für deutsche Familien geschaffen werden, wieder mehr Kinder zu bekommen. Familiensplitting heißt das Modell, das Steuerfreibeträge pro Kind erhöht.

Dass verschiedene Wirtschaftsforschungsinstitute ausgerechnet haben, die AfD-Steuer- und Sozialpläne seien so teuer, dass sie kaum finanzierbar wären ohne neue Schulden, bestreitet Weidel. Sie und ihre Partei hätten das durchgerechnet, die anderen irrten. Interessant auch die Reaktion auf die Frage, welches bisher ihr größter Fehler gewesen sei: Da fiel ihr gar nichts ein.

FDP, Linke und BSW bangen um Einzug ins Parlament

Insgesamt waren beide Interviews in "Was nun?" sehr sachorientiert und wenig polemisch. Interessant wäre gewesen, wie die Thesen von Grünen und AfD bei "Hart aber fair" angekommen wären. Denn hier mussten sich kurz danach die sogenannten kleinen Parteien bewähren. Schon der Titel "Wer schafft es in den Bundestag? Wer fliegt raus?" setzte den Ton. Es ging um alles.

Denn sowohl AfD als auch Grüne können ziemlich sicher sein, dass sie dem nächsten Bundestag angehören werden. Die Fünf-Prozent-Hürde für sie kein Thema. Bei den vier Parteien, die in der ARD bei "Hart aber Fair" zu Gast waren, ist das zum Teil anders. Nur die CSU, für die Dorothee Bär gekommen ist, muss sich um den Einzug in den Bundestag keine Sorgen machen. Selbst wenn die nur in Bayern antretende Schwesterpartei der CDU bundesweit darunter liegen würde, hätte sie sicher genügend Direktmandate, um in der nächsten Legislaturperiode erneut im Parlament zu sitzen.

Darum müssen hingegen die drei anderen Parteien bangen: Im ARD-DeutschlandTrend liegt die FDP seit Monaten unter fünf Prozent, das BSW verlor zuletzt und kam auf vier Prozent, die Linke übersprang die Fünf-Prozent-Hürde erst vor Kurzem.

Herzlosigkeit oder Klassenkampf?

Da hilft es, maximale Aufmerksamkeit der potenziellen Wählerinnen und Wähler zu erringen. Entsprechend hitzig war die Diskussion. Linken-Spitzenkandidat Jan van Aken warf den anderen Parteien Herzlosigkeit vor, weil die das Bürgergeld immer in Zusammenhang mit Faulheit und Arbeitsverweigerung setzen würden. FDP-Chef Christian Lindner konterte, das seien Parolen für die Klientel der Linken, und Bär warf van Aken Klassenkampf vor sowie die Spaltung der Gesellschaft durch eine Debatte, die Leistungsbereitschaft diskreditiere. 

Auch BSW-Chefin Sahra Wagenknecht erläuterte, ihre Partei wolle Arbeitsverweigerer sanktionieren, was ihr von Jan van Aken ein missbilligendes Kopfschütteln einbrachte. Die Positionen der vier Parteien wurden so noch einmal deutlich. Missverständnisse ausgeschlossen.

Ebenso herrschte bei anderen Themen vor allem eins vor: Uneinigkeit. Steuern rauf für Reiche? Das wollen Linke und BSW, wenn auch mit unterschiedlichem Ansatz. CSU und FDP sind strikt dagegen. Sie fordern, Leistung müsse sich lohnen, und warnen, höhere Steuern auf Vermögen würden Unternehmen aus Deutschland vertreiben. Die Linke findet das falsch, für van Aken sollte es grundsätzlich keine Milliardäre geben. Hier schütteln Christian Lindner und Dorothee Bär den Kopf.

Wie die Ukraine unterstützen?

Diese Art von Unverständnis erntete Sahra Wagenknecht dann von den drei anderen, als es um die Ukraine ging und um die Frage, wie dieser Krieg beendet werden kann. Nur durch Verhandlungen, findet Wagenknecht, und das sei schon viel früher möglich gewesen. Dabei verweist sie auf einen Friedensvorschlag Brasiliens und Chinas, den die Schweiz unterstützt habe.

Das geht dann selbst van Aken zu weit, der auch für Verhandlungen plädiert, aber betont, die Ukraine müsse das schon selbst entscheiden. Es könne auf keinen Fall sein, dass Putin mit dem Bruch des Völkerrechts, den der Angriff auf sein Nachbarland darstelle, einfach so durchkomme und Russland zur Belohnung dann auch noch Staatsgebiet der Ukraine bekomme. Da stimmt Christian Lindner zu, ein "Diktatfrieden" komme gar nicht infrage. Und Dorothee Bär stellt klar, Deutschland und die EU müssten die Ukraine weiter unterstützen, schließlich schütze man sich selbst damit. "Putin hört doch nicht bei der Ukraine auf, wenn er Erfolg hat."

Lebhaftere Diskussion im Vergleich zu Merz und Scholz

75 Minuten haben sich die Vier über diverse Themen gestritten, und das fast ohne auf die AfD Bezug zu nehmen. Das Thema Migration spielte eine weniger große Rolle in der Diskussion als beim "Kanzlerduell". Nur die Frage, ob Zurückweisungen an der Grenze möglich sein sollten, wurde kurz gestellt und kurz beantwortet. Alle außer der Linkspartei befürworten das.

So haben die Zuschauerinnen und Zuschauer an einem langen Talkabend in ARD und ZDF tatsächlich viel über die Programme der Parteien erfahren und eine deutlich lebhaftere Diskussion erlebt als zwischen Friedrich Merz und Olaf Scholz. In den nächsten Tagen wird es noch Gesprächsrunden geben mit anderer Zusammensetzung, dann müssen auch Robert Habeck und Alice Weidel ihre Positionen mit denen ihrer Mitbewerber messen im Kampf um Wählerstimmen. Es kann spannend werden.

In einer früheren Version hieß es, Linke, BSW und FDP erreichten in Umfragen höchstens fünf Prozent. BSW und Linke liegen in einigen Umfragen aber oberhalb der Fünf-Prozent-Hürde. Wir haben die Stelle geändert und beziehen uns nun auf den aktuellen ARD-DeutschlandTrend.

Mehr zum Hintergrund dieser und anderer Korrekturen finden Sie hier: tagesschau.de/korrekturen

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 11. Februar 2025 um 05:30 Uhr.