Streit in der CDU Günther stärkt Wüst den Rücken
Schleswig-Holsteins Regierungschef Günther hat NRW-Ministerpräsident Wüst als einen der "wichtigsten Köpfe" der Partei gelobt. Für eine Debatte über die Kanzlerkandidatur sei es aber zu früh. Nicht aber für einen Seitenhieb gegen CDU-Chef Merz.
Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) hat die Oppositionsarbeit seiner Partei im Bundestag kritisiert und Hendrik Wüst, seinen Amts- und Parteikollegen aus Nordrhein-Westfalen, gelobt. Rückendeckung, kurz nachdem in den Reihen der Union über mögliche Ambitionen des NRW-Regierungschefs gemunkelt wurde, Parteichef Friedrich Merz als potenziellem Kanzlerkandidaten für 2025 Konkurrenz machen zu wollen.
Als einen der "wichtigsten Köpfe, die wir in der Union haben" bezeichnete Günther den nordrhein-westfälischen Landeschef. Günther nahm Bezug auf einen Gastbeitrag von Wüst, der Mitte des Monats in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" erschienen war. Ein "kluger" Beitrag über den Kurs der Union sei das gewesen, welcher gezeigt habe, "wie wir die breite Volkspartei bleiben, die wir bisher sind".
Aufruhr um den "Stabilitätsanker der Mitte"
Doch gerade dieser Beitrag hatte in der Union für ziemliche Unruhe gesorgt und wurde teils als Angriff auf Merz gewertet. Direkten Bezug auf den Parteichef hatte Wüst zwar nicht genommen. Doch betonte er in dem Beitrag, die CDU sei "stark, wenn sie Gegensätze versöhnt, Spaltung überwindet und Ausgleich schafft". Sie müsse auch künftig ein "der Stabilitätsanker der Mitte" sein.
Ein Appell, Gegensätze zu verbinden und einen politischen Kurs Richtung Mitte einzuschlagen. Was im Kontrast gesehen werden kann zu den mehrfach als populistisch kritisierten Tönen von Merz - etwa der "Sozialtourismus" von Ukraine-Flüchtlingen oder der Bezeichnung von arabisch-stämmigen Schülern als "kleine Paschas" in der Sendung "Markus Lanz".
Und auch zum deutlichen Abrücken des CDU-Chefs von den Grünen bilden die Aussagen Wüsts einen Gegensatz. Zuletzt hatte Merz seine immer vehementer werdende Kritik an der Politik der Ampelkoalition stark auf die Grünen fokussiert und erklärt, er wolle ihnen gegenüber "klare Kante" zeigen. Sogar zu "Hauptgegnern" in der Bundesregierung erklärte sie Merz.
"Reicht nicht, Politik der Bundesregierung zu kritisieren"
Dass sich sowohl Wüst als auch Günther diesem scharfen Kontra-Kurs gegen die Grünen nicht anschließen, ist allem voran den Koalitionsverhältnissen in ihren Bundesländern geschuldet. Sowohl in Nordrhein-Westfalen als auch in Schleswig-Holstein sitzen CDU und Grüne als Bündnispartner in der Regierung.
Doch Günther sieht im Dauerfeuer gegen die Ampel-Parteien insgesamt den falschen Kurs. Es reiche nicht, "überwiegend nur die Politik der Bundesregierung zu kritisieren", betonte er im Gespräch mit den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Und es helfe auch nicht, beispielsweise Fehler beim sogenannten Heizungsgesetz zu nutzen, "um die Grünen oder ein ganzes Ministerium zu diskreditieren". Der schleswig-holsteinische Minsiterpräsident betonte:
Die Leute haben einen anderen Anspruch an uns als staatstragende Partei.
Und dieser Anspruch besteht für Günther etwa in einer "sauberen Sprache", in welcher die CDU erklären müsse, was sie anders machen wolle. Es sei aber nicht notwendig, sich in jedem Punkt von der Ampelkoalition abzusetzen. Im Interview sprach sich Günther dafür aus, "Hürden für ausländische Fach- und Arbeitskräfte" abzusenken und befürwortete, "dass am Ende einer gelungenen Integration durchaus auch schneller als bisher die Einbürgerung stehen kann". Beides Ansichten, die mit denen der Bundesregierung übereinstimmen.
"Konkrete Alternativen" für "enttäuschte Wähler" aufzeigen
"Konkrete Alternativen" müsse die CDU jedoch zur Politik der AfD aufzeigen - "und damit enttäuschte Wählerinnen und Wähler für die Union gewinnen, die sich von der Regierung abwenden", betonte Günther.
Im aktuellen ARD-DeutschlandTrend kommt die AfD auf 19 Prozent der Wählerstimmen - und landet damit vor der SPD und den Grünen. Die CDU führt zwar stabil mit 29 Prozent, kann sich aber auch nicht weiter von den anderen Parteien absetzen.
Im Zusammenhang mit den Umfragewerten schickt Günther einen direkten Seitenhieb Richtung Merz, der behauptet hatte, die Gender-Sprache sei mitverantwortlich für den Höhenflug der AfD. "Bei allem Respekt für Gender-Diskussionen: Entscheidender ist doch, dass Menschen sich überfordert und nicht mitgenommen fühlen von politischen Entscheidungen wie denen zur Wärmeversorgung", so Günther.
"Zu früh" für die Kandidatenfrage
Um einen einheitlichen Kurs zu finden, bleiben der Union noch etwas mehr als zwei Jahre bis zur nächsten Bundestagswahl. Noch viel zu früh, um ganz offiziell über die K-Frage zu diskutieren, heißt es unisono aus der Union. Die soll "im Spätsommer 2024" beantwortet werden, betonte Günther. Auch Wüst wich Nachfragen aus, was seine möglichen Ambitionen auf das Kanzleramt betrifft.
Vorher muss die CDU ihre politische Position in Landtagswahlen verteidigen, im Oktober etwa in Hessen, wo ebenfalls ein schwarz-grünes Bündnis regiert. Angesichts der Umfragegewinne der AfD rechnet Günther damit, dass es künftig schwieriger werden könnte, Regierungskoalitionen zu bilden. Zentraler Punkt dabei sei, dass die CDU aus staatspolitischer Verantwortung dafür sorgen müsse, dass ein Land handlungsfähig bleibe. Oberstes Ziel sei, demokratische Mehrheiten in den Parlamenten zu bekommen.