ARD-DeutschlandTrend Klima und Corona am wichtigsten
Die Bewältigung der Corona-Pandemie und den Klimaschutz sehen die Deutschen als Hauptaufgaben der deutschen EU-Ratspräsidentschaft. Die Mehrheit der Bürger unterstützt das geplante EU-Konjunkturpaket - auch die Aufnahme gemeinsamer Schulden.
Ein solches Hilfspaket hat es in Europa noch nie gegeben: Die EU-Kommission plant ein Konjunkturprogramm von mehreren hundert Milliarden Euro, um besonders betroffenen Staaten zu helfen und die Corona-Pandemie zu bewältigen. Gut zwei Drittel der Deutschen - 69 Prozent - finden, dass ein solches europäisches Hilfsprogramm grundsätzlich in die richtige Richtung geht. 21 Prozent hingegen lehnen diese Idee ab.
Um das Konjunkturprogramm zu finanzieren, sollen erstmals in der Geschichte der EU in größerem Rahmen Schulden im Namen aller EU-Staaten aufgenommen werden. Dabei soll jeder Staat entsprechend seiner Wirtschaftskraft dafür haften. Diese gemeinschaftliche Haftung für Schulden in der EU bewerten 59 Prozent der Befragten als "akzeptabel", 35 Prozent hingegen als "nicht akzeptabel".
Offen ist noch, ob diese Hilfen an die betroffenen EU-Länder als Kredite, die zurückgezahlt werden müssen, oder als Zuschüsse vergeben werden - oder ob es eine Mischform von Zuschüssen und Krediten geben wird. Dass die Hilfen vornehmlich in Form von Krediten gezahlt werden, befürworten 62 Prozent der Bundesbürger. Dass die betroffenen EU-Staaten vornehmlich Zuschüsse erhalten, die nicht zurückgezahlt werden müssen, befürworten nur 29 Prozent.
Kritischer Blick auf deutsche EU-Kommissionspräsidentin
Das Corona-Konjunkturprogramm hatte Ursula von der Leyen Ende Mai vorgestellt. Sie will dafür 750 Milliarden Euro mobilisieren und in Krediten und Zuschüssen an die EU-Länder auszahlen. Damit fallen die von der Kommission geplanten Hilfen noch deutlich höher aus als eine deutsch-französische Initiative für ein Paket von 500 Milliarden Euro, die als reine Zuschüsse geplant waren. Die Deutschen blicken aktuell eher kritisch auf die EU-Kommissionspräsidentin: 36 Prozent sagen, sie sind mit der Arbeit von Ursula von der Leyen sehr zufrieden oder zufrieden. 53 Prozent hingegen geben an, mit ihrer Arbeit weniger oder gar nicht zufrieden zu sein.
Weiterhin 71 Prozent zufrieden mit Merkel
Dies ist die erste Befragung, seit von der Leyen ihr Amt am 1. Dezember 2019 angetreten hat. Bundeskanzlerin Angela Merkel sehen die Deutschen deutlich positiver: 71 Prozent geben an, mit Merkels politischer Arbeit sehr zufrieden oder zufrieden zu sein. Die Kanzlerin hat, im Gegensatz zu von der Leyen, in der Corona-Krise damit deutlich an Zustimmung gewinnen können.
Als sie im Juli 2019 überraschend als Präsidentin der EU-Kommission vorgeschlagen wurde, wurden die Bürger gefragt: Wäre von der Leyen eine gute Kommissionspräsidentin, oder wäre sie das nicht? Damals sagten 33 Prozent, sie wäre eine gute Kommissionspräsidentin; 56 Prozent verneinten das. Im Oktober 2019 - also nach ihrer Wahl durch das europäische Parlament, aber vor ihrem Amtsantritt - gaben 36 Prozent der Bürger an, mit ihrer Arbeit zufrieden zu sein; 56 Prozent waren damals unzufrieden mit ihrer Arbeit.
Klimaschutz und Corona-Bewältigung wichtigste Themen
Deutschland hat am 1. Juli die EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Die Bundesregierung hat für die Zeit des halbjährigen Vorsitzes selbst Arbeitsschwerpunkte gesetzt. Die Bürgerinnen und Bürger meinen aktuell, dass sich Deutschland während der EU-Ratspräsidentschaft vor allem auf Aspekte des Klimaschutzes (50 Prozent) und die Bewältigung der Corona-Folgen (39 Prozent) konzentrieren sollte. Die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit in der EU (33 Prozent), Fragen der Digitalisierung (25 Prozent) und des kommenden EU-Haushalts (24 Prozent) stehen demgegenüber in der Bevölkerungswahrnehmung etwas zurück. Der Ausgestaltung der künftigen Beziehungen zu Großbritannien (7 Prozent) wird am Beginn der deutschen Ratspräsidentschaft nur von wenigen Vorrang eingeräumt. Bei dieser Frage durften die Befragten zwei Schwerpunktthemen nennen, deswegen ergibt die Summe mehr als 100 Prozent.
Sicht auf EU leicht eingetrübt, aber immer noch positiv
Die Bundesbürger stehen der Europäischen Union im Übrigen weiterhin positiv gegenüber, auch wenn sich die Stimmung im Vergleich zur Zeit der Europawahl 2019 leicht eingetrübt hat: Aktuell sehen 40 Prozent der Befragten eher Vorteile in der Mitgliedschaft Deutschlands in der Europäischen Union. Das sind 6 Prozentpunkte weniger als im Mai 2019 - kurz vor der Europawahl. Nur jeder Siebte (15 Prozent; +1) sieht in der EU-Mitgliedschaft eher Nachteile für Deutschland. 41 Prozent (+4) vertreten aktuell die Meinung, Vor- und Nachteile der EU-Mitgliedschaft für Deutschland halten sich in etwa die Waage. Bei dieser Frage blicken vor allem die jungen Wählerinnen und Wähler (18-39 Jahre) positiv auf die EU-Mitgliedschaft Deutschlands: 53 Prozent der Befragten in der Altersgruppe sehen eher Vorteile in der EU-Mitgliedschaft. Bei den 40-64-Jährigen sind es 33 Prozent und bei den über 65-Jährigen 35 Prozent.
Jeder zweite Deutsche sorgt sich vor neuer Corona-Infektionswelle
In der Wissenschaft gibt es verschiedene Szenarien, ob Deutschland eine neue Welle von Corona-Infektionen droht. Doch jeder zweite Deutsche sorgt sich davor, dass die Zahl der Infizierten in den kommenden Wochen wieder deutlich ansteigen könnte. Bei 13 Prozent der Menschen ist diese Sorge sehr groß, bei 37 Prozent groß. Die andere Hälfte der Deutschen blickt diesbezüglich gelassener in die Zukunft: Bei 32 Prozent ist die Sorge vor einer zweiten Corona-Infektionswelle weniger groß, bei 17 Prozent ist sie klein.
Leichte Unterschiede zeigen sich bei der Bewertung durch verschiedene Altersgruppen: Die Menschen ab 65 Jahren machen sich vergleichsweise große Sorgen vor einer zweiten Infektionswelle. Bei 60 Prozent ist die Sorge sehr groß bzw. groß, dass die Zahl der Corona-Infektionen in Deutschland in den kommenden Wochen wieder deutlich ansteigt. Bei den 18- bis 39-Jährigen trifft das nur auf 43 Prozent zu; bei den 40- bis 64-Jährigen sind es 48 Prozent.
Corona-Regeln werden mehrheitlich eingehalten
Wegen der Corona-Pandemie haben die Deutschen auch nachhaltig ihr Verhalten verändert: 9 von 10 Bürgern geben an, sich häufig die Hände zu waschen oder deutlich Abstand zu anderen zu halten. 85 Prozent meiden nach eigener Aussage Menschenansammlungen. Knapp drei Viertel (72 Prozent) sagen, sie treffen nur eingeschränkt Freunde und Verwandte; 28 Prozent sagen, diese Aussage treffe auf sie nicht zu. 57 Prozent fahren nach eigener Aussage dieses Jahr nicht in den Sommerurlaub; 39 Prozent erklären, dies zu tun. Diese Zahlen müssen allerdings vor dem Hintergrund betrachtet werden, dass Mitte April 31 Prozent der Bürger angegeben hatten, ohnehin keinen Sommerurlaub zu planen (DeutschlandTrend im Auftrag des ARD-Morgenmagazins). Bei diesen 31 Prozent handelt es sich um überdurchschnittlich viele Ältere sowie Personen mit geringem Einkommen.
Einen Mund-Nasen-Schutz benutzen die meisten Deutschen hingegen nur dort, wo es vorgeschrieben ist: 80 Prozent sagen, sie tragen keine Schutzmaske außerhalb von Geschäften, Restaurants und öffentlichen Verkehrsmitteln; jeder fünfte Deutsche (19 Prozent) hingegen bedeckt sich auch dort Mund und Nase.
Union bei Sonntagsfrage vorn
Die Deutschen schauen weiterhin wohlwollend auf die Bundesregierung: 63 Prozent sind mit der Arbeit der Koalition aus Union und SPD sehr zufrieden bzw. zufrieden. Das ist ein Prozentpunkt mehr als im Vormonat. Aktuell sind 36 Prozent (-2) weniger oder gar nicht zufrieden mit der Arbeit der Bundesregierung. Im März waren die Befragten noch mehrheitlich weniger bzw. gar nicht zufrieden mit dem Kabinett (65 Prozent).
Wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre, käme die Union auf 37 Prozent - ein Punkt weniger als im Vormonat. Die SPD verbessert sich um einen Punkt und kommt auf 16 Prozent. Auch die AfD verbessert sich um einen Punkt auf 10 Prozent. FDP und Linke büßen jeweils einen Punkt ein und landen bei 5 bzw. 7 Prozent. Die Grünen verbessern sich um einen Punkt und erreichen 20 Prozent.
Stichprobe: Repräsentative Zufallsauswahl/ Dual Frame
(Relation Festnetz-/Mobilfunknummern 60:40)
Disproportionaler Ansatz (West/Ost 70:30)
Erhebungsverfahren: Telefoninterviews (CATI)***
Fallzahl: 1003 Befragte
Erhebungszeitraum: 29. bis 30. Juni 2020
Sonntagsfrage
Fallzahl: 1503 Befragte
Erhebungszeitraum: 29. Juni bis 01. Juli 2020
Gewichtung: nach soziodemographischen Merkmalen;
Sonntagsfrage mit separater Gewichtung
Schwankungsbreite: 1,4* bis 3,1** Prozentpunkte
Durchführendes Institut: Infratest dimap
* bei einem Anteilswert von fünf Prozent ** bei einem Anteilswert von 50 Prozent
*** Die Ergebnisse sind auf ganze Prozentwerte gerundet, um falsche Erwartungen an die Präzision zu vermeiden. Denn für alle repräsentativen Befragungen müssen Schwankungsbreiten berücksichtigt werden. Diese betragen im Falle eine Erhebung mit 1000 Befragten bei großen Parteien rund drei Prozentpunkte, bei kleineren Parteien etwa einen Punkt. Hinzu kommt, dass der Rundungsfehler für kleine Parteien erheblich ist. Aus diesen Gründen wird deshalb keine Partei unter drei Prozent in der Sonntagsfrage ausgewiesen.