ARD-DeutschlandTrend Fast jeder Zweite muss sich einschränken
Die hohen Inflationsraten machen sich laut ARD-DeutschlandTrend im Alltag der Menschen bemerkbar. Die Union setzt sich in der Sonntagsfrage von der SPD ab.
Die Preise für Energie und Nahrungsmittel steigen - und die Menschen in Deutschland bekommen es zu spüren: 47 Prozent müssen sich nach eigener Aussage deshalb im Alltag sehr stark oder stark einschränken. Das gilt besonders für Haushalte mit geringem Einkommen, wo dies 77 Prozent angeben - aber auch für Bürgerinnen und Bürger aus Ostdeutschland, von denen 59 Prozent sagen, sie müssten sich einschränken. Anfang der Woche hatte das Statistische Bundesamt die Teuerung mit 7,9 Prozent beziffert. Inflationsraten, wie es sie im wiedervereinigten Deutschland noch nicht gegeben hat.
Um die Inflation abzumildern, hat die Regierung mehrere Maßnahmen beschlossen, die mehrheitlich befürwortet werden. Sechs von zehn Deutschen unterstützen die befristete Senkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe (61 Prozent) sowie die geplante Energiepreis-Pauschale für Erwerbstätige in Höhe von 300 Euro (59 Prozent). Auf noch etwas mehr Zustimmung (64 Prozent) stößt die Einführung des sogenannten 9-Euro-Tickets für die Nutzung des Nah- und Regionalverkehrs in den kommenden drei Monaten.
Fast jeder Zweite will 9-Euro-Ticket nutzen
Dieses Ticket will fast jeder zweite Deutsche nach eigener Aussage auch nutzen: Demnach werden 46 Prozent von dem Ticket auf jeden Fall bzw. wahrscheinlich Gebrauch machen - zwei Punkte mehr als bei der Befragung Mitte Mai. Eine knappe Mehrheit von 53 Prozent will das Ticket eher nicht bzw. auf keinen Fall nutzen (+/- 0). In Städten mit mehr als 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern überwiegt die Zahl der Menschen, die das 9-Euro-Ticket nutzen wollen: Dort sind es 58 Prozent. In kleineren Gemeinden mit weniger als 20.000 Einwohnerinnen und Einwohnern sagen dagegen sechs von zehn (61 Prozent), dieses Angebot eher nicht bzw. auf keinen Fall zu nutzen.
Knapp jeder vierte Autofahrer (23 Prozent) sagt, dank des 9-Euro-Tickets in den kommenden Monaten seltener auf das Auto zurückzugreifen. Insgesamt aber ist die Nachfrage nach dem 9-Euro-Ticket in Haushalten mit Auto leicht unterdurchschnittlich: 58 Prozent der Autofahrer werden das Angebot eher nicht bzw. auf keinen Fall nutzen.
Unmut über Preise des ÖPNV
Die grundsätzliche Bewertung des öffentlichen Personennahverkehrs fällt überwiegend kritisch aus. Mit der Anbindung des eigenen Wohnorts an den Nahverkehr ist zwar die Hälfte der Deutschen (51 Prozent) zufrieden. Im ländlichen Raum aber, wo eine grundsätzlich kritischere Sicht auf den ÖPNV besteht, wird die Streckenanbindung mehrheitlich negativ bewertet: 60 Prozent sind damit unzufrieden, nur 33 Prozent zufrieden. Bei der Zuverlässigkeit von Fahrplänen überwiegen unter allen Deutschen die negativen Urteile (46:36 Prozent). Am größten aber ist die Verärgerung über die bestehenden Preise. 60 Prozent der Deutschen sind damit weniger bzw. gar nicht zufrieden, nur 22 Prozent sind damit sehr zufrieden bzw. zufrieden. Den Öffentlichen Personennahverkehr preislich attraktiver zu machen, könnte diesem in Deutschland also auch langfristig Nutzerinnen und Nutzer zuführen.
Ukraine-Krieg wichtigstes Problem für deutsche Politik
Überhaupt: die Preise. Dass die Preisentwicklung eines der wichtigsten Probleme ist, um das sich die deutsche Politik vorrangig kümmern muss, sagt aktuell knapp jeder vierte Deutsche (23 Prozent). Damit landet das Thema Inflation bei dieser offenen Frage, auf die maximal zwei Probleme genannt werden konnten, noch vor Umweltschutz und Klimawandel (22 Prozent) sowie der sozialen Ungerechtigkeit (16 Prozent) auf dem zweiten Rang. Nur ein Thema wurde noch häufiger genannt: der Ukraine-Krieg (37 Prozent).
Große Unterschiede zwischen Ost und West
Der deutsche Kurs im Umgang mit diesem Krieg wird in der Bevölkerung sehr unterschiedlich bewertet. Jeder Zweite (50 Prozent) vertritt die Haltung, Deutschland solle dabei entschlossen agieren und Härte gegenüber Russland zeigen. 43 Prozent indes sagen, die Bundesregierung sollte eher zurückhaltend sein, um Russland nicht zu provozieren. Während die Mehrheit der Anhänger von Grünen (74 Prozent), FDP (60 Prozent) und Union (59 Prozent) ein entschlossenes Auftreten Deutschlands unterstützen und in den AfD-Reihen ein zurückhaltendes Agieren (71 Prozent) favorisiert wird, sind die Anhänger der SPD in dieser Frage gespalten. Darüber hinaus bestehen massive Unterschiede zwischen West und Ost. 53 Prozent der Westdeutschen halten ein entschlossenes Handeln und Härte gegenüber Russland für angebracht, im Osten sagen das jedoch lediglich 35 Prozent. Für Zurückhaltung hingegen plädieren im Westen 40 Prozent, unter Ostdeutschen sind es 58 Prozent.
Die bestehende Unterstützung der Ukraine mit Waffen halten vier von zehn Befragten (42 Prozent) für angemessen (+7 im Vgl. zu Ende April). 29 Prozent geht sie nicht weit genug (-2), knapp jedem Vierten (23 Prozent) geht sie zu weit (-4). Hierbei ist wichtig zu wissen: Am Mittwoch, dem letzten Tag der Befragung, hatte die Bundesregierung weitere Waffenlieferungen an die Ukraine angekündigt, darunter unter anderem ein modernes Flugabwehrsystem.
Die deutschen Sanktionsmaßnahmen gegen Russland halten derzeit 37 Prozent für angemessen (+3). Einer relativen Mehrheit von 41 Prozent gehen sie nicht weit genug (-4). Für 15 Prozent gehen sie zu weit (+1). Die diplomatischen Anstrengungen Deutschlands zur Beilegung des Krieges halten 43 Prozent für angemessen (+2); fast ebenso vielen Befragten gehen sie allerdings nicht weit genug (-1). Für 8 Prozent gehen sie zu weit (+2).
Schlechtester Wert für Bundesregierung seit Amtsantritt
Das Ansehen der Bundesregierung erreicht in diesem Monat den schlechtesten Wert seit Amtsantritt der Ampel-Koalition im Dezember: Aktuell sind 39 Prozent sehr zufrieden bzw. zufrieden mit der Arbeit von SPD, Grünen und FDP (-2); 59 Prozent sind damit hingegen weniger bzw. gar nicht zufrieden (+2). Zufriedenheit mit der Regierung überwiegt unter den Anhängern der SPD (72:24 Prozent) und der Grünen (62:37 Prozent). Mehrheitliche Unzufriedenheit gibt es nicht nur unter Anhängern der AfD (5:95 Prozent) und der Union (37:62 Prozent), sie überwiegt auch bei den Anhängern der Regierungspartei FDP (45:55 Prozent).
Einzelne Vertreter der Bundesregierung können im Moment indes punkten: Mit der Arbeit von Wirtschaftsminister Robert Habeck sowie Außenministerin Annalena Baerbock sind jeweils 60 Prozent der Deutschen zufrieden - vier Punkte mehr als vor einem Monat. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz von der SPD verbessert sich um vier Punkte, kommt im Vergleich aber nur auf 43 Prozent Zufriedenheit. Finanzminister Christian Lindner (FDP) erreicht 42 Prozent Zustimmung (+1). Mit der Arbeit des CDU-Parteichefs und Unions-Fraktionsvorsitzenden Friedrich Merz sind aktuell 35 Prozent (+2) zufrieden.
Union setzt sich in der Sonntagsfrage von der SPD ab
Trotz der eher geringen Zustimmungswerte für ihren Fraktionsvorsitzenden gelingt es der Union, sich in der Sonntagsfrage von der SPD abzusetzen: Wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre, dann käme die SPD nur noch auf 21 Prozent - drei Punkte weniger als vor einem Monat. Die Union legt mit einem Punkt leicht zu und kommt auf 27 Prozent. Die Grünen verbessern sich um drei Punkte und liegen mit 21 Prozent gleichauf mit der SPD. Die FDP verschlechtert sich um einen Punkt und landet bei 8 Prozent, die AfD liegt unverändert bei 11 Prozent. Die Linke verbessert sich um einen Punkt und kommt auf 4 Prozent. Alle anderen Parteien kämen derzeit gemeinsam auf 8 Prozent (-1).
Erhebungsmethode: Zufallsbasierte Telefon*- und Online-Befragung
*davon 60 Prozent Festnetz, 40 Prozent Mobilfunk
Erhebungszeitraum: 30. Mai bis 01. Juni 2022
Fallzahl: 1337 Befragte (874 Telefoninterviews und 463 Online-Interviews)
Gewichtung: nach soziodemographischen Merkmalen und
Rückerinnerung Wahlverhalten
Schwankungsbreite: 2* bis 3** Prozentpunkte
* bei einem Anteilswert von 10 Prozent ** bei einem Anteilswert von 50 Prozent
Durchführendes Institut: infratest dimap
Die Ergebnisse sind auf ganze Prozentwerte gerundet, um falsche Erwartungen an die Präzision zu vermeiden. Denn für alle repräsentativen Befragungen müssen Schwankungsbreiten berücksichtigt werden. Diese betragen im Falle eine Erhebung mit 1000 Befragten bei großen Parteien rund drei Prozentpunkte, bei kleineren Parteien etwa einen Punkt. Hinzu kommt, dass der Rundungsfehler für kleine Parteien erheblich ist. Aus diesen Gründen wird keine Partei unter drei Prozent in der Sonntagsfrage ausgewiesen.