ARD-DeutschlandTrend Klare Mehrheit für längere AKW-Nutzung
Im ARD-DeutschlandTrend spricht sich eine Mehrheit dafür aus, Atomenergie über das Jahresende hinaus zu nutzen. Für das sogenannte Fracking ist hingegen nur jeder Vierte. Auf mehrheitliche Zustimmung träfe aber eine Übergewinnsteuer. Von F. Hofmann.
Die Energiepreise in Deutschland steigen und die Politik ringt darum, wie man darauf reagiert. Heftig gestritten wird über die Zukunft der drei verbliebenen deutschen Atomkraftwerke, die eigentlich Ende des Jahres abgeschaltet werden sollen. Wenn man die Bürgerinnen und Bürger selbst fragt, sprechen sich nur 15 Prozent der Befragten im ARD-DeutschlandTrend dafür aus, dass die verbliebenen Atomkraftwerke zum Jahresende - wie durch den Atomausstieg vorgesehen - abgeschaltet werden.
In Anbetracht der aktuellen Situation würden es 41 Prozent der Befragten begrüßen, den Betrieb um einige Monate zu strecken. Ebenfalls 41 Prozent fänden es sogar sinnvoll, Atomenergie auch langfristig zu nutzen.
Nur gut jeder Vierte für Fracking in Deutschland
Selbst bei den Anhängern der Grünen, die grundsätzlich der Atomkraft besonders kritisch gegenüberstehen, sprechen sich nur 31 Prozent dafür aus, am vereinbarten Ausstieg Ende des Jahres festzuhalten. Fast doppelt so viele, 61 Prozent der Grünen-Anhänger, sind dafür, den Betrieb zu strecken. Eine Minderheit, sieben Prozent, spricht sich für eine langfristige Nutzung aus.
Auch anderen Maßnahmen gegenüber zeigen sich die Bürger offen. So fänden es 81 Prozent der Befragten richtig, in Anbetracht der aktuellen Situation den Ausbau der Windenergie schneller voranzutreiben. 61 Prozent begrüßen die verstärkte Nutzung von Kohlekraftwerken, ebenso viele fänden ein befristetes Tempolimit auf Autobahnen richtig. Kritischer sehen die Bürgerinnen und Bürger aber den Vorschlag, sogenanntes Fracking-Gas in Deutschland zu fördern. Durch das Erzeugen künstlicher Risse wird Gas aus Gesteinsschichten heraus gepresst. 56 Prozent der Befragten lehnen das ab. Nur 27 Prozent begrüßen die Maßnahme.
Der grundsätzliche Kurs der Bundesregierung, sich unabhängig von russischen Energie-Importen zu machen, wird von einer Mehrheit der Bevölkerung gestützt. 71 Prozent der Befragten finden dieses Ziel richtig, 24 Prozent falsch. Allerdings gibt es deutliche Unterschiede im Meinungsbild in den westlichen und östlichen Bundesländern: 76 Prozent der Befragten in den westlichen Bundesländern finden dieses Ziel richtig. In den östlichen Bundesländern liegt die Zustimmung mit 54 Prozent deutlich niedriger.
Mehrheit will Entlastungen nur für niedrige Einkommen
Die Bundesregierung diskutiert auch über weitere Entlastungsmaßnahmen für die Bürgerinnen und Bürger in Anbetracht der steigenden Energiepreise. Wie diese genau aussehen sollen, ist noch nicht entschieden. Aber wenn man die Bürgerinnen und Bürger selbst fragt, wem diese zugutekommen sollen, ist eine Mehrheit von 56 Prozent der Meinung, dass zukünftige Entlastungen nur für Menschen mit niedrigen Einkommen gelten sollen. Eine Entlastung für alle hingegen begrüßen 41 Prozent der Befragten.
Wie mögliche Maßnahmen finanziert werden sollen, ist zum jetzigen Zeitpunkt ebenfalls noch unklar. 46 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass dafür mehr Schulden gemacht werden sollten. 36 Prozent sprechen sich für Steuererhöhungen aus.
Hier ist es besonders spannend, auf die Anhänger der FDP zu schauen. Ihre Partei spricht sich ja auf der einen Seite für eine Rückkehr zur Schuldenbremse, aber auch für eine Senkung der Steuern aus. 68 Prozent der FDP-Anhänger fänden es gut, zur Finanzierung mehr Schulden zu machen, 17 Prozent sprechen sich dagegen dafür aus, die Steuern zu erhöhen.
Übergewinnsteuer mehrheitlich positiv gesehen
Auch wenn Steuererhöhungen im Allgemeinen nicht auf großen Rückhalt in der Bevölkerung stoßen, bei der sogenannten Übergewinnsteuer ist das anders. Unternehmen, die aufgrund einer Krise besonders hohe Gewinne machen, sollen damit höher besteuert werden. 76 Prozent der Befragten fänden das eine richtige Maßnahme. 19 Prozent lehnen sie ab.
Schaut man sich die Anhänger der einzelnen Parteien an, überwiegt bei allen Anhängern die Zustimmung zur Übergewinnsteuer. Selbst bei den FDP-Anhängern, deren Partei Steuererhöhungen generell kritisch gegenübersteht und eine Übergewinnsteuer öffentlich ablehnt, fände eine Mehrheit von 58 Prozent eine solche Übergewinnsteuer richtig.
Zufriedenheit mit Regierung sinkt - und besonders die FDP büßt ein
Die Zufriedenheit mit der Arbeit der Bundesregierung ist noch mal deutlich abgesunken. 36 Prozent der Befragten sind zufrieden bzw. sehr zufrieden. Das sind fünf Prozentpunkte weniger als im Vormonat. 63 Prozent sind weniger oder gar nicht zufrieden. Für die Ampelkoalition ist das der schwächste Wert seit dem Amtsantritt im Dezember 2021.
Schaut man sich die einzelnen Parteien der Regierungskoalition separat an, bewerten die Bürgerinnen und Bürger die Arbeit von allen drei Parteien mehrheitlich negativ. 43 Prozent sind mit der Arbeit der Grünen zufrieden (unverändert im Vergleich zur letzten Abfrage Ende April), 55 Prozent sind weniger bzw. gar nicht zufrieden (+2). Die SPD schneidet deutlich schlechter ab: 34 Prozent sind mit ihrer Arbeit zufrieden (-3), 62 Prozent sind dagegen unzufrieden (+4). Am stärksten eingebüßt hat die FDP: Nur 24 Prozent der Befragten sind mit ihrer Arbeit zufrieden, das sind 12 Prozentpunkte weniger im Vergleich zu Ende April. 70 Prozent (+13) geben aktuell an, dass sie mit der Arbeit der FDP unzufrieden sind.
Union in Sonntagsfrage vorn
In der Sonntagsfrage erreicht die SPD ihren niedrigsten Wert seit Juli 2021. Wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre, käme die SPD auf 17 Prozent (-2 im Vgl. zu Juli). CDU/CSU kämen auf 28 Prozent (+1), die Grünen auf 23 Prozent (+/-0). Die FDP verliert einen Punkt und kommt auf sieben Prozent, die AfD gewinnt zwei Prozentpunkte hinzu und kommt auf 13 Prozent. Keine Veränderung gibt es bei der Linken (vier Prozent), die unterhalb der Mandatsschwelle bliebe. Alle anderen Parteien kämen zusammen auf acht Prozent.
Baerbock beliebteste Politikerin
In der Liste der beliebtesten Politiker liegt Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) vorne. 55 Prozent der Befragten sind mit ihrer Arbeit zufrieden bzw. sehr zufrieden. Sie verliert im Vergleich zum Vormonat drei Prozentpunkte. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) landet mit 50 Prozent Zustimmung auf Platz zwei (-5 Prozentpunkte). Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) erreicht 42 Prozent Zustimmung (-2 Prozentpunkte, als einziger im Vergleich zu April). Bei ihm überwiegen mit 53 Prozent die Stimmen, die mit seiner Arbeit unzufrieden sind.
Bundeskanzler Olaf Scholz erreicht 42 Prozent Zustimmung (-2 Prozentpunkte). Auch hier ist mit 55 Prozent eine Mehrheit mit seiner Arbeit unzufrieden. Christian Lindner landet mit 30 Prozent auf dem fünften Platz (-7). 64 Prozent der Befragten sind mit seiner Arbeit nicht zufrieden.
Corona: Mehrheit für Beibehaltung der Isolationspflicht
Diese Woche hat die Bundesregierung einen Plan vorgelegt, wie es in der Corona-Pandemie weitergehen soll. Insgesamt halten 53 Prozent der Befragten die aktuellen Corona-Maßnahmen in Deutschland für angemessen (im Vergleich zu Februar, als wir die Frage zuletzt gestellt haben, sind das neun Prozentpunkte mehr). Für 22 Prozent gehen sie zu weit (-9 im Vgl. zu Februar). 22 Prozent (+/-0) gehen sie nicht weit genug.
Die in anderen Ländern wie Österreich bereits erfolgte Aufhebung der Isolationspflicht wird in Deutschland nicht gut geheißen. Nur 28 Prozent sind dafür, die bisher im Falle einer Corona-Infektion geltende Isolationspflicht von fünf Tagen aufzuheben. 69 Prozent sprechen sich dafür aus, sie beizubehalten.
Erhebungsmethode: Zufallsbasierte Telefon- (davon 60 Prozent Festnetz, 40 Prozent Mobilfunk) und Online-Befragung
Erhebungszeitraum: 01. bis 03. August 2022
Fallzahl: 1313 Befragte (858 Telefoninterviews und 455 Online-Interviews)
Gewichtung: nach soziodemographischen Merkmalen und
Rückerinnerung Wahlverhalten
Schwankungsbreite: 2 Prozentpunkte bei einem Anteilswert von 10 Prozent
3 Prozentpunkte bei einem Anteilswert von 50 Prozent
Durchführendes Institut: infratest dimap
Die Ergebnisse sind auf ganze Prozentwerte gerundet, um falsche Erwartungen an die Präzision zu vermeiden. Denn für alle repräsentativen Befragungen müssen Schwankungsbreiten berücksichtigt werden. Diese betragen im Falle eine Erhebung mit 1000 Befragten bei großen Parteien rund drei Prozentpunkte, bei kleineren Parteien etwa einen Punkt. Hinzu kommt, dass der Rundungsfehler für kleine Parteien erheblich ist. Aus diesen Gründen wird keine Partei unter drei Prozent in der Sonntagsfrage ausgewiesen.