DeutschlandTrend

ARD-DeutschlandTrend Union auf dem Tiefpunkt

Stand: 07.07.2011 22:50 Uhr

Die Bundesregierung hat sich mit den Steuersenkungsplänen keinen Gefallen getan: Sie finden bei den Bürgern kaum Unterstützung. Das ergab der aktuelle DeutschlandTrend. Die CDU fällt auf ihr Jahrestief. Kanzlerin Merkel verliert im direkten Vergleich mit dem SPD-Politiker Steinbrück haushoch.

Von Jörg Schönenborn, WDR

Nein, wenn hinter dem Kabinettsbeschluss für Steuersenkungen die Absicht gestanden haben sollte, den Regierungsparteien demoskopisch Flügel zu verleihen, dann ist dieser Plan zumindest kurzfristig nicht aufgegangen. Im aktuellen ARD-Deutschlandtrend führt in dieser Woche genau jener Bundesminister die Liste der Spitzenpolitiker an, der sich am skeptischsten geäußert hat: Finanzminister Wolfgang Schäuble legt drei Punkte zu. 57 Prozent sind mit seiner Arbeit zufrieden. Knapp hinter ihm liegen Verteidigungsminister Thomas de Maizière (56 Prozent) und Ex-Finanzminister Peer Steinbrück (54 Prozent).

Verluste hingegen gibt es für alle abgefragten FDP-Politiker: Parteichef Rösler verliert gegenüber Anfang Juni drei Punkte und hat nur noch 27 Prozent Zustimmung, sein Vorgänger Guido Westerwelle 26 Prozent (- 1). Selbst die populärste FDP-Politikerin, Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger, rutscht auf 38 Prozent ab (- 3).

Union fällt auf Jahrestief

Zu Beginn der parlamentarischen Sommerpause sind die Kräfteverhältnisse ziemlich eindeutig. In der Sonntagsfrage steht die Union nur noch bei 32 Prozent (- 1 gegenüber Anfang Juni) und rutscht damit auf ihr bisheriges Jahrestief. Die FDP erreicht wie im Vormonat fünf Prozent (Mitte Juni waren es zwischenzeitlich sogar nur vier Prozent). Damit rangieren die Koalitionsparteien mit zusammen 37 Prozent weiterhin auf einem Niveau, das weit entfernt ist von dem, was man für eine Bundestagsmehrheit braucht. Weiterhin könnten, wenn am nächsten Sonntag tatsächlich gewählt würde, die SPD mit 26 Prozent (+ 1) und die Grünen mit 23 Prozent (- 1) zusammen genau diese parlamentarische Mehrheit erreichen. Die Linkspartei, derzeit bei acht Prozent (+- 0) bräuchten sie dazu nicht.

Dass das Thema Steuersenkungen bei den Wählerinnen und Wählern nicht gezündet hat, hat gleich mehrere Gründe. Der Mehrheit der Befragten sind die Staatsfinanzen wichtiger als das eigene Portemonnaie. Die Mehrheit der Befragten glaubt gar nicht daran, dass die versprochenen Steuersenkungen wirklich kommen, und die Mehrheit der Befragten ist für den Fall, dass das doch passiert, davon überzeugt, persönlich nicht viel davon zu haben. Das sind drei gute Gründe, sich gegen solche Pläne auszusprechen.

Mehrheit für Schuldenabbau statt Steuersenkungen

Im Einzelnen: Wenn man die Stimmung in der Bevölkerung zu Steuersenkungen abfragen will, kommt es auf die genaue Formulierung an. Deshalb habe ich in dieser Woche zwei unterschiedliche Fragen gestellt. Zunächst ging es in einer offenen Formulierung darum, ob der Beschluss der schwarz-gelben Bundesregierung für richtig oder für nicht richtig gehalten wird. 48 Prozent finden ihn richtig, 49 Prozent nicht. Breite Zustimmung gibt es mit 68 Prozent nur im Lager der FDP-Wähler. Selbst bei den Unionswählern ergibt sich mit 50 zu 47 annähernd ein Patt.

In der politischen Debatte dieser Woche, an der sich ja auch die meisten CDU-Ministerpräsidenten beteiligt hatten, ging es meistens um die Alternative, entweder Steuern zu senken oder weniger neue Schulden aufzunehmen. In diesem Fall fällt das Votum der Befragten eindeutig aus. 24 Prozent erklären, Steuersenkungen seien ihnen wichtiger, 70 Prozent finden es wichtiger, weniger neue Schulden zu machen.

Zweifel über Umsetzung der Pläne bei FDP-Wählern am größten

Die kritische Diskussion vor allem innerhalb des Regierungslagers hat aber dazu geführt, dass eine klare Mehrheit der Deutschen nicht davon ausgeht, dass der Kabinettsbeschluss von diesem Mittwoch tatsächlich umgesetzt wird. Es sind genau 62 Prozent, die daran zweifeln. Nur 36 Prozent rechnen damit, dass die Regierung auch liefert. Erstaunlich ist, dass die Zweifel gerade bei den FDP-Wählern am allergrößten sind. 83 Prozent glauben hier, dass das Vorhaben scheitert. Offenbar sind gerade in dieser Klientel Steuersenkungen schon zu oft versprochen worden.

Das Bedauern hielt sich allerdings in diesem Fall in Grenzen, denn nur zwei Prozent der Befragten rechnen für sich persönlich mit "deutlichen Entlastungen". Die Mehrheit (52 Prozent) gehen von "geringen Entlastungen" aus. 45 Prozent sind hingegen der Ansicht, dass sie selbst "keine Entlastungen" spüren würden.

Sympathie für Merkel, trotz mangelnder Führung

So fällt das Gesamturteil über die Arbeit der Bundesregierung zur Mitte der Legislaturperiode genau so verhalten aus wie nach 100 Tagen und vor einem Jahr. Genau wie damals haben wir die Befragten gebeten, für die Regierungsarbeit eine Schulnote zu erteilen. Genau wie damals ist das Ergebnis 3,9 – auf dem Zeugnis also eine vier. Dabei macht sich die Kritik sehr deutlich an Bundeskanzlerin Angela Merkel fest. 85 Prozent der Befragten sind der Ansicht "sie müsste in der Bundesregierung klarer den Kurs angeben". 65 Prozent finden "sie lasse nicht erkennen, wofür sie selbst eigentlich steht". 58 Prozent sind der Ansicht "sie regiere eher nach Umfragen als nach eigenen Überzeugungen". Was der großen Mehrheit fehlt, ist also eine Politik mit klaren Konturen und eine erkennbare Führungsrolle. Trotzdem lassen die Ergebnisse nach sechs Jahren Amtszeit immer noch ein hohes Maß an Sympathie erkennen. 78 Prozent meinen, sie sei eine "Politikerin, die unser Land in der Welt gut vertritt". 61 Prozent urteilen, sie habe "alles in allem gute Arbeit als Kanzlerin gemacht".

Lesen Sie im zweiten Teil, wie beliebt Kanzlerin Merkel im Vergleich zu anderen Politikern ist.

Steinbrück und Steinmeier vor Merkel

Dennoch ist sie in der aktuellen Bewertung mit einem Zufriedenheitswert von 49 Prozent nach Schäuble, de Maizière, Steinbrück (siehe oben) und Ex-Außenminister Steinmeier (51 Prozent) nur die Nummer fünf. Es ist interessant zu sehen, mit wem sie da im Mittelfeld der Tabelle ungefähr auf Augenhöhe rangiert. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast ist mit 48 Prozent fast gleichauf. Umweltminister Norbert Röttgen kommt auf 47 Prozent. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin erreicht mit 46 Prozent seinen bisher besten Wert überhaupt im Deutschlandtrend. Der Stern von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen ist hingegen deutlich gesunken. 45 Prozent Zustimmung ist für sie der bisher schlechteste Wert.

Zurück zur Kanzlerin. Im direkten Vergleich würde sie von den beiden wichtigsten Amtsanwärtern innerhalb der SPD in diesem Monat geschlagen. Könnte man sich direkt für den Kanzler oder die Kanzlerin entscheiden, käme SPD-Fraktionschef Steinmeier auf 43 Prozent gegenüber 39 Prozent für Merkel. Peer Steinbrück hätte mit 48 Prozent gegenüber 37 Prozent für Merkel sogar einen ziemlich deutlichen Vorsprung.

Mehrheit steht hinter Bundestagsbeschluss zu PID

Bleibt ein Thema, das sich nicht für parteipolitische Konfrontation eignet und bei dem deshalb im Bundestag auch der Fraktionszwang aufgehoben war: die Präimplantationsdiagnostik, kurz PID. Hier ging es darum, ob eine künstlich befruchtete Eizelle vor dem Einpflanzen auf mögliche schwere Erbkrankheiten untersucht werden darf, wenn die Paare eine solche Veranlagung haben.

Hier liegt der Beschluss des Bundestages auf der Linie der Mehrheitsmeinung. 77 Prozent der Befragten sind der Ansicht, dass PID in einem genau definierten Rahmen ermöglicht werden sollte. Nur 19 Prozent sprechen sich für ein generelles Verbot aus. Dabei gibt es erstaunlicherweise kaum Unterschiede zwischen den Anhängerschaften der verschiedenen politischen Parteien. Was viele Befragte allerdings beeindruckt hat, ist die Offenheit, mit der die Debatte geführt wurde, und in der sich oft Politiker/innen der gleichen Partei mit unterschiedlichen Meinungen gegenüber standen.

50 Prozent wünschen sich deshalb, dass der Fraktionszwang bei Entscheidungen im Bundestag häufiger ausgesetzt werden sollte. Weitere 31 Prozent sind sogar dafür, ihn grundsätzlich abzuschaffen. Nur für 12 Prozent ist die Entscheidung nach Parteifarbe das Maß aller Dinge. Wenn sich also die meisten Parteien über schrumpfende Mitgliederzahlen und das geringe Vertrauen in der Bevölkerung Sorgen machen, liegt hier vielleicht ein wichtiger Schlüssel: Offene Debatten und Entscheidungen über Parteigrenzen hinweg machen die Politik ganz sicher nicht unglaubwürdiger.

Untersuchungsanlage DeutschlandTrend
Grundgesamtheit: Wahlberechtigte Bevölkerung in Deutschland ab 18 Jahren
Stichprobe: Repräsentative Zufallsauswahl / Randomstichprobe
Erhebungsverfahren: Computergestützte Telefoninterviews (CATI)
Fallzahl: 1005 Befragte
Erhebungszeitraum: 04. und 05. Juli 2011
Fallzahl Sonntagsfrage: 1505 Befragte
Erhebungszeitraum: 04. bis 06. Juli 2011
Fehlertoleranz: 1,4* bis 3,1** Prozentpunkte
* bei einem Anteilswert von 5%, ** bei einem Anteilswert von 50%