DeutschlandTrend

ARD-DeutschlandTrend SPD legt zu, Piraten klar im Minus

Stand: 06.06.2012 22:25 Uhr

Nach den Erfolgen bei den Landtagswahlen hat die SPD im aktuellen ARD-DeutschlandTrend zwei Prozentpunkte zugelegt. Trotzdem kann Rot-Grün nicht auf eine eigene Regierungsmehrheit hoffen. Daran ändern auch der anhaltende Koalitionsstreit und eine breite Ablehnung des Betreuungsgeldes nichts. Für die Piraten geht es indes deutlich bergab.

Von Jörg Schönenborn, WDR

Die SPD hat einen ziemlich erfolgreichen Monat hinter sich. In Schleswig-Holstein steuert sie auf den Regierungswechsel zu und in NRW hat die rot-grüne Minderheitsregierung eine satte Mehrheit erzielt. Natürlich schlägt so etwas auch auf die bundespolitische Stimmung durch.

In der Sonntagsfrage des ARD-DeutschlandTrends legt die SPD verglichen mit Anfang Mai zwei Punkte zu und steht nun wieder bei 30 Prozent. Der Wunsch-Koalitionspartner Grüne steht bei 13 Prozent (-1). Zusammen kämen beide Parteien auf 43 Prozent und wären damit von einer Regierungsmehrheit ein gutes Stück entfernt.

Zu schwach für den Wechsel, aber stärker als Regierung

Immerhin: Sie sind weiterhin deutlich stärker als das gegenwärtig regierende schwarz-gelbe Bündnis. Die Union bleibt unverändert bei 34 Prozent. Hier sind die Wahlniederlagen in den Ländern nicht durchgeschlagen. Und Koalitionspartner FDP schöpft wieder Hoffnung. Nachdem Wolfgang Kubicki und Christian Lindner gezeigt haben, dass die Partei den Trend durchaus drehen kann, sind auch bundesweit wieder fünf Prozent der Befragten bereit, der FDP ihre Stimme zu geben.

Höhenflug der Piraten offenbar beendet

Interessant ist die Entwicklung bei den Piraten. Zum ersten Mal seit sie im vergangenen Herbst in die bundesweiten Umfragen eingezogen sind, müssen sie deutliche Verluste hinnehmen. Sie fallen von elf auf neun Prozent zurück. Und für die Linkspartei kommt es nach den Führungsquerelen und dem schwierigen Parteitag nun auch demoskopisch dicke: Die Partei rutscht auf fünf Prozent ab (-1) - das ist der schlechteste Wert seit Juni 2005.

Wer reißt die Fünf-Prozent-Hürde?

Politisch dürfte das kein ruhiger Sommer werden, zu unklar sind die Machtverhältnisse ein Jahr vor der Bundestagswahl. Für FDP, Linkspartei und Piraten ist unsicher, ob sie sich über der lebenswichtigen Fünf-Prozent-Schwelle halten können. Und am Ende hängt davon auch ab, ob eines der kleinen Bündnisse - Rot-Grün oder Schwarz-Gelb - auch nur die Chance hat, eine Mehrheit zu erzielen.

Gut ein Drittel mit Bundesregierung zufrieden

Dabei kommt die Bundesregierung in der Wertung der Wählerinnen und Wähler gegenwärtig besser weg, als man das angesichts der verheerenden Presse der vergangenen Wochen vermuten würde. Immerhin sind die drei Koalitionsparteien so zerstritten, dass es lange dauerte, bis sie zu einem Gipfeltreffen zusammenkamen. Und auch dort haben sie nur in den wenigsten Streitfragen einen Kompromiss gefunden.

Angesichts dessen ist es erstaunlich, dass die Sozialdemokraten aus ihren Landtagswahlerfolgen nicht mehr Kapital schlagen konnten, und erstaunlich ist auch, dass immerhin 35 Prozent der Befragten erklären, sie seien mit der Arbeit der Bundesregierung zufrieden. Zum Vergleich: Der Tiefstwert in dieser Legislaturperiode lag bei zwölf Prozent im Sommer 2010, der Höchstwert Anfang dieses Jahres bei 42 Prozent.

Ganz offensichtlich wägen viele Deutsche mit Blick auf die Regierung und die Kanzlerin sehr sorgfältig ab. Da ist auf der einen Seite Unverständnis und Missmut über Einzelentscheidungen wie das Betreuungsgeld, auf der anderen Seite aber das Gefühl, dass angesichts des Ausmaßes der Eurokrise die verantwortlichen Regierungsmitglieder ganz ordentliche Arbeit machen.

Breite Mehrheit gegen Betreuungsgeld

In dieser politischen Mischkalkulation trägt das Betreuungsgeld ganz sicher nicht zum Ansehensgewinn der Bundesregierung bei. Ganze 29 Prozent der Deutschen halten die Idee für richtig, 69 Prozent, eine große Mehrheit, lehnen sie ab. Dabei zieht sich das negative Votum übrigens durch die Anhängerschaften aller Parteien, auch der Union. Etwas besser bewertet wird das Betreuungsgeld allein in der Altersgruppe, die am ehesten in den Genuss der Leistung kommen könnte: Bei den 18- bis 29-Jährigen gibt es immerhin 45 Prozent Zustimmung und nur 55 Prozent Ablehnung.

Dieses negative Urteil über das Betreuungsgeld hat vermutlich eine Menge mit den persönlichen Lebensumständen oder Lebenswünschen der Befragten zu tun. Denn unabhängig davon, ob sie selbst Kinder in diesem Alter haben oder nicht, würden sich 68 Prozent der Befragten eher für die Kita entscheiden, als für ihr Kind unter drei Jahren das Betreuungsgeld in Anspruch zu nehmen. Hier wirkt der Alterseffekt übrigens umgekehrt: Je jünger die Befragten, desto deutlicher tendieren sie dazu, einen Kita-Platz in Anspruch zu nehmen. Bei den 18- bis 29-jährigen Befragten sind das immerhin 82 Prozent.

Verärgerung über schleppenden Krippenausbau

Vor diesem Hintergrund läuft die Bundesregierung allerdings auf ein Problem zu. Es ist erkennbar, dass der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für unter Dreijährige vom Sommer 2013 an in vielen Regionen des Landes nicht eingelöst werden kann. Gemeinden rechnen bereits mit einer Klagewelle. Den Rechtsanspruch hatten Bund, Länder und Gemeinden vor sechs Jahren einvernehmlich beschlossen.

Fragt man die Deutschen, wer für das schleppende Ausbautempo verantwortlich ist, so wird mit 21 Prozent die Bundesregierung am häufigsten genannt, mit je fünf Prozent die Länder und Gemeinden. Zwei Drittel der Befragten allerdings (67 Prozent) machen alle Ebenen miteinander verantwortlich. Insgesamt ein Thema, das die Begeisterung für den Föderalismus sicher nicht steigern wird.

Die Angst vor der Eurokrise hält an

Verglichen mit dem von den meisten Menschen persönlich empfundenen Ausmaß der Eurokrise ist das Betreuungsgeld aber wohl eher ein nachrangiges Thema. 80 Prozent der Befragten rechnen damit, dass sich die Euro- und Schuldenkrise auf ihr eigenes Einkommen oder Vermögen auswirken wird. Dabei rechnen 27 Prozent mit "deutlicher" Beeinträchtigung ihrer finanziellen Verhältnisse, 53 Prozent mit einer "geringen" Beeinträchtigung.

Soweit die Befragten Geld auf die hohe Kante gelegt haben, sorgen sich die meisten Deutschen darum, dass dieses Geld durch Inflation oder Wertverlust zumindest in Teilen verschwinden könnte. Dabei ist die Einschätzung klar: Der schlimmste Teil der Schuldenkrise stehe uns noch bevor, glauben 78 Prozent. Ebenso eindeutig die Haltung gegenüber Griechenland: Wenn das Land nach der Wahl die Beschlüsse zur Euro-Rettung nicht mehr umsetzen will, muss es die Euro-Zone verlassen, urteilen 83 Prozent - und damit fast alle Deutschen.

Finanzminister Schäuble hat weiter das Vertrauen ...

Ganz sicher stünde die Bundesregierung demoskopisch weitaus schlechter da, wenn die Wählerinnen und Wähler ihr auf diesem Feld nicht mehr zutrauen würde als der Opposition. Es ist kein Zufall, dass Finanzminister Wolfgang Schäuble die Liste der beliebtesten Parteipolitiker mit 59 Prozent Zustimmung für seine Arbeit anführt, dicht gefolgt von Kanzlerin Merkel (58 Prozent) und Verteidigungsminister de Maizière (57 Prozent)

... aber Sozialdemokraten holen auf

Allerdings folgen mit ähnlich guten Bewertungen dann drei Sozialdemokraten: Fraktionschef Steinmeier mit 55 Prozent, mit einem deutlichen Satz nach oben Hannelore Kraft, die NRW-Ministerpräsidentin (54 Prozent), und der ehemalige Finanzminister Steinbrück (53 Prozent).

So sehr das Vertrauen in die Parteien und die Politik insgesamt in diesem Land erschüttert ist, so deutlich ist es doch ausgeprägt für einen kleinen Kreis christ- und sozialdemokratischer Spitzenpolitiker, die seit Monaten von immerhin mehr als der Hälfte der Bevölkerung positiv beurteilt werden.

Merkel bleibt der Kanzlerinnenbonus

In der Bewertung liegen Merkel und ihre möglichen sozialdemokratischen Herausforderer zwar nah beieinander, im direkten Vergleich aber hat Merkel deutlichen Vorsprung. Wenn man die Kanzlerin direkt wählen würde, entschiede sich eine relative Mehrheit für Merkel - egal ob gegen sie Frank-Walter Steinmeier, Peer Steinbrück, Hannelore Kraft oder Sigmar Gabriel antritt.

Allerdings wäre der Vorsprung je nach Konstellation unterschiedlich ausgeprägt. Am knappsten ist das Duell Merkel gegen Steinmeier mit 44 zu 41 Prozent. Ähnlich dicht auf den Fersen Peer Steinbrück. Hier heißt es 43 zu 39 Prozent. Klar hingegen ist der Rückstand von Hannelore Kraft (48 zu 32 Prozent) und Sigmar Gabriel (55 zu 27 Prozent).

Aber jetzt ist erstmal Fußball-EM

Vor uns liegt ein besonders langer Sommer, denn er beginnt wieder mit einem großen Fußball-Turnier, der Europameisterschaft in Polen und in der Ukraine. Das dauert vier Wochen und ist der eigentlichen politischen Sommerpause sozusagen vorgeschaltet. An den Wettbörsen und Stammtischen ist Deutschland trotz der mäßigen Testspielleistungen weiterhin Favorit - bei den meisten Deutschen auch.

Deutsche Elf ist Favorit

47 Prozent der Befragten im ARD-DeutschlandTrend rechnen mit Deutschland als Fußball-Europameister. Rein demoskopisch ist Konkurrent Spanien mit 16 Prozent weit abgeschlagen. Die Niederlande, immerhin Vize-Weltmeister, folgen mit drei Prozent und Frankreich und Italien, immerhin auch Titelträger früherer Jahre, erzielen gar nur zwei Prozent.

Die Erwartungen an die deutsche Mannschaft sind hoch, die Vorfreude offenbar groß, denn 68 Prozent der Deutschen haben die Absicht, das erste Gruppenspiel gegen Portugal am kommenden Samstag in der ARD anzusehen. 42 Prozent wollen zu Hause im kleinen Kreis gucken, 18 Prozent privat zusammen mit Freunden und Bekannten, acht Prozent gehen zum Public Viewing in Kneipen oder auf öffentliche Plätze. 30 Prozent wissen schon jetzt, dass sie am Samstagabend nicht vor dem Fernseher sitzen werden.

Untersuchungsanlage DeutschlandTrend
Grundgesamtheit: Wahlberechtigte Bevölkerung in Deutschland ab 18 Jahren
Stichprobe: Repräsentative Zufallsauswahl / Randomstichprobe
Erhebungsverfahren: Computergestützte Telefoninterviews (CATI)

Fallzahl: 1001 Befragte
Erhebungszeitraum: 04. bis 05. Juni 2012
Fallzahl Sonntagsfrage: 1501 Befragte
Erhebungszeitraum: 04. bis 05. Juni 2012
Fehlertoleranz: 1,4* bis 3,1** Prozentpunkte
* bei einem Anteilswert von 5%, ** bei einem Anteilswert von 50%