Auf einem Handy ist ein E-Rezept zu sehen
faq

Elektronisches Rezept Wie soll Lauterbachs digitale "Aufholjagd" laufen?

Stand: 09.08.2023 16:00 Uhr

Wenn es nach Gesundheitsminister Lauterbach geht, soll das elektronische Rezept bald Standard werden. Nötig sei eine "Aufholjagd" bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens. Wie soll das funktionieren - und warum macht er so viel Druck?

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat erneut eine "Aufholjagd" bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens gefordert. Nach dem Start des elektronischen Rezepts im Juli würden in diesem Sommer auch die elektronische Patientenakte und das Forschungsdatengesetz auf den Weg gebracht, sagte Lauterbach. Das E-Rezept funktioniere gut, spare Zeit und bringe auch mehr Sicherheit für die Patientinnen und Patienten. Fehler in der Medikation seien damit "viel unwahrscheinlicher".

Seit dem 1. Juli ist es in ersten Apotheken möglich, ein E-Rezept mit der elektronischen Gesundheitskarte abzurufen. Davor waren E-Rezepte anstelle des gewohnten rosa Zettels auch schon über eine Smartphone-App oder einen ausgedruckten QR-Code einzulösen. Für Ärztinnen und Ärzte soll es vom 1. Januar 2024 an zur Pflicht werden, Verschreibungen elektronisch auszustellen.

Digitalisierung des Gesundheitswesens: Digitale Patientenakte und E-Rezept

Nadine Bader, ARD Berlin, tagesschau, 09.08.2023 17:00 Uhr

Warum macht der Gesundheitsminister so viel Druck?

Die Digitalisierung des Gesundheitswesens verläuft bislang schleppend. Aus Sicht von Lauterbach ist Deutschland auf diesem Gebiet Entwicklungsland. Spürbare Fortschritte wird es nach seiner Überzeugung nur geben, wenn die Maßnahmen bei den Patientinnen und Patienten, pflegebedürftigen Menschen sowie Ärztinnen und Ärzten und anderen Gesundheitsfachkräften einen wahrnehmbaren Nutzen erzeugen. Zudem muss die Technik sicher und nutzerfreundlich sein.

Wie sieht die Planung für das elektronische Rezept aus?

Das E-Rezept soll zum 1. Januar 2024 verbindlicher Standard in der Arzneimittelversorgung werden. Dabei bekommen Patienten statt des gewohnten rosa Zettels einen Code aufs Handy oder auf die elektronische Gesundheitskarte, mit dem sich in Apotheken Medikamente abholen lassen. Das E-Rezept ist seit Jahren in Planung. Doch wurde das Projekt wegen Datenschutzbedenken, technischen Problemen und Widerständen von Ärzten und Apothekern immer wieder verschoben.

Wie geht es mit der elektronischen Patientenakte weiter?

Gesetzlich Krankenversicherte sollen ab dem 15. Januar 2025 automatisch eine elektronische Patientenakte (ePA) erhalten. Einen entsprechenden Gesetzentwurf will das Bundeskabinett Ende August beschließen. Damit sollen Millionen gesetzlich Versicherte ihre Röntgenbilder, Labordaten und andere Behandlungsdaten digital speichern können.

Um ungewollte Wechselwirkungen von Arzneimitteln künftig besser zu vermeiden, soll die ePA als erstes mit einer vollständigen, weitestgehend automatisiert erstellten digitalen Medikationsübersicht befüllt werden. Zum 1. Januar 2025 sollen auch die elektronischen Notfalldaten auf der ePA gespeichert sein. Versicherte sollen zudem einen Anspruch auf die Digitalisierung alter, ausgewählter Patientenakten durch ihre Krankenkasse erhalten.

Seit wann gibt es die ePA?

An der elektronischen Patientenakte für die mehr als 73 Millionen gesetzlich Versicherten wird schon seit mehr als 20 Jahren gearbeitet. Seit dem 1. Januar 2021 bieten die Krankenkassen ihren Versicherten eine App zum Download an, mit der sie Zugang zur ePA bekommen. Per Smartphone oder Tablet können die Versicherten die ePA selbstständig nutzen.

Ist die Nutzung der ePA freiwillig?

Bisher mussten Patienten sogar ausdrücklich zustimmen (Opt-in-Verfahren), wenn sie eine ePa haben wollten. Das führte allerdings dazu, dass bislang erst rund ein Prozent der Versicherten sich für eine Nutzung entschieden haben. Lauterbach will das ändern und eine sogenannte Widerspruchslösung (Opt-out) durchsetzen. Jeder, der nicht ausdrücklich widerspricht, soll automatisch eine elektronische Patientenakte bekommen.

Praxen und Krankenhäuser können die gespeicherten Informationen dann einsehen und austauschen. Ob die Patienten diese Informationen nutzen, entscheiden sie selbst.

Wer bestimmt, welche Patientendaten gespeichert werden?

Der Bundesgesundheitsminister betont, dass die Daten den Patienten gehören. Der Arzt könne es nicht ablehnen, seine Befunde einzupflegen. Patienten können deshalb auch bestimmen, ob und welche Daten in der ePA gespeichert werden - und auch, welche wieder gelöscht werden sollen. Sie können auch entscheiden, dass der Arzt in die Patientenakte nur hineinschreibt, aber nicht sieht, was dort schon enthalten ist. Sie sollen auch die Möglichkeit erhalten, für jedes in der ePA gespeicherte Dokument einzeln zu bestimmen, wer darauf zugreifen kann, zum Beispiel für eine Untersuchung bei einem Facharzt.

Der Gesetzentwurf erwähnt explizit, dass Ärztinnen und Ärzte beim Eintragen von HIV-Infektion, Schwangerschaftsabbrüchen oder einer psychischen Erkrankung ihre Patienten auf die Widerspruchsmöglichkeiten der Dokumentation dieser Daten hinweisen müssen.

Warum will Lauterbach medizinische Informationen auch für die Forschung leichter zugänglich machen?

Der Kölner Krebsforscher und Vorsitzende des Sachverständigenrats Gesundheit und Pflege, Michael Hallek, sagte dazu, Deutschland sei aus Datenschutzgründen etwa in der Krebsforschung dramatisch zurückgefallen. Gesundheitsdaten seien derzeit die wichtigste Quelle für neue Forschung.

Lauterbach betont, es gebe schon jetzt eine riesige Menge Daten, die aber in getrennten Silos lägen und nicht miteinander verknüpft werden könnten. Um das zu ändern, soll unter anderem eine zentrale Stelle eingerichtet werden, die einen Zugang zu pseudonymisierten Daten aus verschiedenen Quellen wie Krebsregistern, Krankenkassendaten und Daten aus der elektronischen Patientenakte ermöglichen soll. Patienten sollen der Nutzung ihrer Daten zu Forschungszwecken aber widersprechen können.

Wie sollen auch Telemedizin und digitale Gesundheitsanwendungen gefördert werden?

Geplant ist, digitale Gesundheitsanwendungen stärker in die Versorgung zu integrieren und ihren Einsatz transparent zu machen. Der Leistungsanspruch soll auf Medizinprodukte höherer Risikoklassen ausgeweitet werden. Die künftige Preisgestaltung soll stärker nach Erfolgskriterien ausgerichtet werden.

Telemedizin soll ein fester Bestandteil der Gesundheitsversorgung werden. Insbesondere Videosprechstunden sollen noch breiter eingesetzt und leichter genutzt werden können. Die bisherige Begrenzung der Videosprechstunden auf maximal 30 Prozent der ärztlichen Leistungen soll aufgehoben werden.

Christoph Mestmacher, ARD Berlin, zur Digitalisierung des Gesundheitswesens

tagesschau24, 09.08.2023 17:00 Uhr

Welche finanziellen Folgen hat das Gesetz?

Der Entwurf geht davon, dass die Krankenkassen zwischen 2024 und 2027 für die Umsetzung der Digital-Vorhaben rund 789 Millionen Euro ausgeben müssen. Der technische Umbau der schon vorhandenen ePA wird für die Krankenkassen auf 114 Millionen Euro beziffert.

(Quellen: KNA und AFP)

Jan Zimmermann, ARD Berlin, tagesschau, 09.08.2023 16:17 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 09. August 2023 um 14:00 Uhr.