FAQ zum Thema Zuwanderung Alte Debatte, neue Forderungen
Die SPD legt heute ihr Positionspapier für ein Zuwanderungsgesetz vor. Kern ist ein Punktesystem, um qualifizierte Einwanderer zunächst befristet ins Land zu holen. Streit mit dem Koalitionspartner ist programmiert.
Wen betrifft ein Zuwanderungsgesetz?
Im Fokus der aktuellen Überlegungen stehen Menschen aus Drittstaaten, die eine Qualifikation mitbringen. Es geht also nicht um EU-Bürger, die aufgrund der Arbeitnehmerfreizügigkeit ohnehin in einem anderen EU-Land leben und arbeiten dürfen. Die alles entscheidende Frage ist nun: Wie kann es gelingen, dass genau diejenigen nach Deutschland kommen, die auf dem Arbeitsmarkt - etwa wegen eines größer werdenden Fachkräftemangels - gesucht werden?
Welche Vorschläge macht die SPD?
Die SPD sieht im derzeitigen System Mängel. So gebe es zwar die sogenannte Blaue Karte, die eine Einwanderung von qualifizierten Arbeitnehmern aus Drittstaaten unter bestimmten Bedingungen (Hochschulabschluss, Arbeitsvertrag) ermöglicht. Davon hätten nicht genügend Spezialisten Gebrauch gemacht. Die SPD will daher prüfen, ob auch in Deutschland ein Punktesystem nach dem Vorbild Kanadas eingeführt werden könne.
Folgende Elemente sollten demnach in Erwägung gezogen werden, um Zuwanderung besser zu steuern: Mit Hilfe einer Bewerberdatenbank könnten Arbeitnehmer und Arbeitgeber besser zueinander geführt werden. Je nach Bedarf könnte eine jährliche Quote festgelegt werden, um zu klären, wie viele Personen über das Punktesystem kommen könnten. Eine Aufenthaltserlaubnis könnte zunächst für einen bestimmten Zeitraum erteilt werden, die nur unter bestimmten Voraussetzungen verlängert werden würde.
Darüber hinaus möchte die SPD, dass die starre Trennung von humanitärer und arbeitsmarktbezogener Einwanderung weiter überdacht wird. So seien in der Vergangenheit Integrationsmaßnahmen für Flüchtlinge vermieden worden, um eine spätere Abschiebung nicht zu erschweren. Man müsse aber feststellen, heißt es in der SPD, dass sie dann längere Zeit in Deutschland bleiben. Die Sozialdemokraten schlagen vor, dass auch die vielen gut ausgebildeten Flüchtlinge - wie die Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien - dringend mit berufsbezogenen Sprachkursen unterstützt werden. Auch die Zahl der deutschen Auslandsschulen, die im Zuständigkeitsbereich des Auswärtigen Amtes sind, sollten in ausgesuchten Ländern erhöht werden. Sprachkursangebote an den Goethe-Instituten sollten ausgebaut und verbessert werden. Potenzielle Einwanderer könnten die deutsche Sprache dann bereits in ihrer Heimat lernen.
Was sagt die CDU?
Angestoßen hat diese Debatte um ein Zuwanderungsgesetz nicht die SPD, sondern die Union. CDU-Generalsekretär Peter Tauber war damit Anfang des Jahres überraschend in die Offensive gegangen. Zwar hat er die Mehrheit seiner Partei offenbar nicht hinter sich, dafür aber eine Gruppe von Unionsabgeordneten um CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn.
Am vergangenen Wochenende hatten 60 CDU-Abgeordnete aus Bund und Ländern ein Thesenpapier ausgearbeitet. Darin heißt es, dass junge Menschen aus Nicht-EU-Staaten für die Ausbildung einen Aufenthaltsstatus erhalten. Allerdings gebe es bislang eine Vorrangprüfung, bei der geklärt werde, ob sich nicht auch Deutsche oder EU-Bewerber für den Ausbildungsplatz interessieren. Die Gruppe will klären lassen, ob diese Prüfung nicht ersetzt werden könne oder - zumindest für ländliche Regionen - ganz entfallen könne. Außerdem sei Deutschland schon jetzt eines der beliebtesten Ziele für Studenten aus dem Ausland. Die Initiative möchte erreichen, dass "viele von ihnen nach dem Studium als qualifizierte Fachkräfte in Deutschland bleiben wollen und können". Neben einer gezielteren Ansprache und Betreuung während des Studiums seien Stipendien für bestimmte Mangelberufe denkbar, die an eine Verpflichtung zur anschließenden Berufstätigkeit in Deutschland geknüpft sind.
Die Initiative "CDU 2017" bedauert, dass bislang nur relativ wenige Menschen die "Blaue Karte" beantragt hätten. Sie schlägt vor, die Kriterien (Arbeitsvertrag mit einem bestimmten Bruttogehalt) etwas zu modifizieren. "Zumindest eine regionale Differenzierung des erforderlichen Mindestgehalts wäre denkbar, um die Einwanderung Hochqualifizierter in ländlichen Regionen und insbesondere nach Ostdeutschland anzureizen."
In der Union ist diese Haltung aber nicht Konsens. Innenexperten wie etwa Stephan Mayer von der CSU haben in den vergangenen Tagen immer wieder darauf verwiesen, dass Deutschland aktuell kein Problem mit Zuwanderung hat. Im Gegenteil: Im OECD-Ranking liegt Deutschland sogar auf Platz 2 und hat damit weltweit die zweitstärkste Zuwanderung nach den USA.
Warum mehr Zuwanderung?
Das OECD-Ranking ist nur eine Momentaufnahme und keine Garantie, dass das Interesse an Deutschland so groß bleibt. Derzeit kommen nämlich vorwiegend EU-Bürger nach Deutschland - und zwar aus Ländern, denen es derzeit wirtschaftlich vergleichsweise schlecht geht. Oft bleiben diese Bürger gerade nicht dauerhaft, sondern nur für wenige Jahre. Die Annahme: Wenn es den Heimatländern wirtschaftlich besser geht, sind diese Bürger ganz schnell wieder weg. Deutschland kann den Ausfall dann nicht so leicht kompensieren und Zuwanderung aus Drittstaaten entsprechend erhöhen.
Dabei ist Deutschland, wenn es seinen Wohlstand halten will, auf Zuwanderung angewiesen. Der Grund: Die Gesellschaft überaltert. Rechenexempel, die das bestätigen, gibt es derzeit en masse: Die Zahl von Erwerbspersonen könnte in den nächsten 15 Jahren um ein bis zwei Millionen schrumpfen und der deutschen Wirtschaft entsprechend viele Fachkräfte entziehen, so Statistiker. Die Schlussfolgerung: weniger Arbeitskräfte, weniger Wohlstand.
Warum kommt die Debatte jetzt wieder auf?
Die Diskussion innerhalb der CDU mag für die SPD noch mehr Ansporn gewesen sein, das Thema Zuwanderungsgesetz zu besetzen. Für die Sozialdemokraten birgt es die Chance in sich, auf dem Gebiet Wirtschaftskompetenz zu punkten. In Zeiten von schlechten Umfragewerten könnte sich die Bundes-SPD gegenüber der Union profilieren, so die Hoffnung. Und diese Chance will sie sich von den Taubers und Spahns aus der Union nicht abspenstig machen lassen.