Karneval in Köln Feiern, aber ohne sexuelle Belästigung
Ausgelassene Partys, viel Alkohol: Beim Karneval gibt es viele Momente, in denen es zu sexueller Belästigung und Übergriffen kommen kann. Wie viel wirklich passiert, lässt sich nicht genau sagen. Was wird dagegen getan?
Mit einer knallorangenen Warnweste, einer Fahne und einem Stapel Visitenkarten bewaffnet ziehen Biggi und ihre Kolleginnen durch die Kölner Innenstadt. Es ist Karneval - und es regnet in Strömen. Biggi und ihre Kolleginnen arbeiten für die Initiative "Edelgard". Ihr Ziel ist es, jungen Frauen und Mädchen Hilfe anzubieten, falls diese sich sexuell belästigt fühlen.
"Hey, wir sind Edelgard, eine Beratungsstelle. Wir sind erreichbar bis nachts, wenn es zu sexuellen Übergriffen kommt oder ihr welche beobachtet." Biggi spricht auch Angi Kalkatzkios und ihre Freundin an, beide sind heute als Hase verkleidet.
Angi nimmt die Visitenkarte von Biggi gerne an: "Ich finde das gut. Ich bin öfters feiern und doofe Sprüche bekommt man öfters zu hören."
Mehrere Basen in der gesamten Stadt
Unter der Notfallnummer auf der Visitenkarte erreichen die Anruferinnen erfahrene und geschulte Beraterinnen, die die möglichen Schritte nach einer Belästigung, Nötigung oder gar Vergewaltigung besprechen. Im Falle einer Vergewaltigung leiten sie die Opfer an sichere Rückzugsorte.
Biggi erzählt, dass mehrere Basen in der gesamten Stadt verteilt seien. Das können Apotheken, Eisdielen oder Geschäfte, aber auch Restaurants sein. Wichtig ist für die Initiative: Alles läuft anonym und geheim.
Auch deshalb will Biggi ihren richtigen Namen nicht veröffentlicht wissen. Die Beraterinnen von Edelgard können Betroffene in ein Krankenhaus begleiten, wenn das beispielsweise nach einer Vergewaltigung notwendig ist.
Biggi von der Initiative "Edelgard" bietet Angi Kalkatzkios und ihrer Freundin Hilfe an, falls diese sich sexuell belästigt fühlen.
Polizei mit Kampagne im Einsatz
In einer ähnlichen Mission wie die Frauen von Edelgard ist Polizeioberkommissarin Jessica Arnold im Kwartier Latäng unterwegs - dem Ausgehviertel in der Kölner Innenstadt und Hotspot für junge Menschen an Karneval. Das Polizeiteam drängt sich durch die Menschenmengen. Sie werben hier für ihre Kampagne: "It's a dress, not a yes", die schon seit Wochen auf Social Media läuft.
Für die Kölner Polizei ist es das erste Mal, dass sie medienwirksam über Social Media über sexuellen Missbrauch im Karneval aufklären. Immer wieder schaut die Polizistin auf ihr Handy und jubelt: "Eine Influencerin hat unsere Kampagne geteilt." Das Strahlen in ihren Augen verrät, wie wichtig es ihr ist, dass die Kampagne ein Erfolg wird. In der tritt Arnold auch selbst im Video auf, das inzwischen mehr als eine Million mal angeschaut wurde.
"Ein Ziel der Kampagne ist eine Bewusstseinsveränderung in den Menschen anzuregen, klarzumachen, dass nicht die Frau das Opfer ist, nur weil sie kurze, knappe Kleidung trägt und gut aussieht", so Arnold. Ihr ist wichtig zu vermitteln: "Es ist immer derjenige Schuld, der die Grenzen überschreitet." Diese Grenzüberschreitungen haben die Polizisten auf Streife den gesamten Karneval über im Blick.
Prominente Unterstützung
Bei der Kampagne haben mehrere Kölner Tanzgruppen wie die Cheerleader des 1. FC Köln, aber auch bekannte Kölner Bands wie die Bläck Fööss oder Kasalla mitgemacht. Alle sind sich einig: Nein heißt nein und sexualisierte Gewalt hat im Karneval, aber auch sonst, nichts zu suchen.
Mirko Bäumen von der Band Bläck Fööss glaubt, dass sich etwas in der Gesellschaft tut. "Aber es ist immer noch nicht das sichere Pflaster, auf dem sich Frauen eigentlich bewegen sollten."
Dass das Aufklären über sexuelle Belästigung und Gewalt besonders an Karneval wichtig ist, zeigen Zahlen der Polizei Köln vom vergangenen Jahr. Im Februar 2023 wurden 69 Sexualdelikte dokumentiert - 61 davon an Karneval.
Polizeioberkommissarin Jessica Arnold wirbt für ihre Kampagne "It's a dress, not a yes".
Gegenseitig auf sich aufpassen
Inzwischen sind die 30-jährige Biggi und ihre Kollegin von der Initiative Edelgard einmal durch die Kölner Innenstadt gelaufen, es ist Nachmittag und sie sind seit 11 Uhr morgens unterwegs. Je später es wird, desto betrunkener werden die Menschen. Ab einer gewissen Zeit wird es für sie immer schwieriger, ihre Informationen an die Frau zu bekommen.
Ihnen ist es neben dem Ansprechen wichtig, die Visitenkarten mit der Telefon-Notfallnummer weiterzugeben. Bis 1 Uhr Nachts können Betroffene sich dort melden.
Biggi von Edelgard rät dazu, die Telefonnummer einzuspeichern - und sich bereits vor dem Feiern Informationen über Hilfsangebote zu holen. "Dann weiß man im Ernstfall, wo es Hilfe gibt", so Biggi. Und ansonsten gilt: laut werden, wenn Grenzen überschritten werden und die Personen gezielt ansprechen. Das seien gute Mittel, um sicher durch die Karnevalsaison zu kommen.
Ähnliches sagt auch Polizeioberkommissarin Arnold: "Schaut nicht weg". Die Menschen sollen feiern, aber aufeinander aufpassen. Wenn einem etwas Verdächtiges auffällt, solle lieber einmal zu viel nachgefragt werden als einmal zu wenig.
Feiernde sollten im besten Fall gemeinsam zur Veranstaltung gehen, zusammenbleiben und besonders beim Nachhauseweg niemanden allein lassen. So könne man gegenseitig auf sich aufpassen.