Seit fünf Jahren in Konstanz Was der Klimanotstand bisher bewirkt hat
Die Nachricht machte Schlagzeilen: Konstanz ruft als erste Stadt in Deutschland den Klimanotstand aus. Fünf Jahre ist das nun her. Seitdem wurde viel geplant. Doch was wurde umgesetzt?
Konstanz war ein echter Vorreiter. Die erste Stadt Deutschlands, die den Klimanotstand ausgerufen hatte. Damit stand sie damals auf der Weltbühne neben Metropolen wie Los Angeles, London und Vancouver. "Als der Notstand ausgerufen wurde, war es ein starker Moment mit viel Hoffnung, dass wir jetzt endlich die nötigen Taten sehen, die es so dringend braucht", so erinnert sich Manuel Oestringer von "Fridays For Future" an den 2. Mai 2019. Er war damals dabei.
Damals habe die Stadt die Bekämpfung der Klimakrise zur Priorität erklärt, meint der 28-jährige Chemie-Doktorand. So steht es auch in der eigenen Klimaschutzstrategie, zusammen mit zahlreichen Maßnahmen. Der Fokus liegt auf drei Bereichen: Verkehr, Gebäudesanierung und das Heizen. Außerdem wurde ein Amt für Klimaschutz eingerichtet. Es soll bessere Strukturen in der Verwaltung schaffen und wichtige Planungsgrundlagen und -ziele zur Klimaschutzstrategie erarbeiten.
Seitdem der Klimanotstand in Konstanz ausgerufen wurde, ist viel geplant, analysiert und geschrieben worden. Von Energienutzungs- und Wärmeplänen über Klimaschutzberichte und die eigene Klimaschutzstrategie. Das erkennen auch die Aktivisten von "Fridays For Future" an. Bis zur geplanten Klimaneutralität 2035 ist es aber noch ein langer Weg. Das zeigt vor allem die bisherige Bilanz.
Weniger CO2, aber nicht genug
Um klimaneutral zu werden, will die Stadt laut eigener Klimaschutzstrategie 90 Prozent ihrer Treibhausgase einsparen. Zwischen 2018 und 2022 habe Konstanz laut Oberbürgermeister Ulrich Burchardt seine Emissionen um 19 Prozent reduzieren können. Das sei einiges, man müsse aber noch viel mehr schaffen.
Laut Manuel Oestringer habe man das Ziel damit verfehlt. Um die eigenen Ziele zu erreichen, hätte man in dem Zeitraum 36 Prozent an Emissionen einsparen müssen. Amsterdam etwa habe es im selben Zeitraum geschafft, seine Emissionen um 25 Prozent zu reduzieren. Kopenhagen sogar um 45 Prozent.
Dennoch wurde Oberbürgermeister Burchardt zufolge einiges erreicht. Es gibt neue Bäume in der Stadt, das erste elektrische Bodenseeschiff, 30 neue Elektrobusse, ein städtisches Förderprogramm zur Gebäudesanierung und der Photovoltaik-Ausbau wurde verdreifacht. Warum ist es so schwierig, die Ziele zu erreichen?
Alte Heizungen und schleppende Sanierungen
Um etwa alte Heizungen auszutauschen oder die Wärmedämmung zu verbessern, bietet die Stadt seit vergangenem Jahr ein Förderprogramm für Wohngebäude und Vereinsheime in der Stadt an. Bis zu 50.000 Euro pro Gebäude sind möglich.
Oestringer kritisiert, dass die Sanierung von Gebäuden aber nur schleppend vorankomme. 95 Prozent der Gebäude in der Stadt hätten noch fossile Heizungen, obwohl die Gebäudesanierung höchste Priorität hätte.
Der Leiter des Amts für Klimaschutz Philipp Baumgartner bestätigt, dass Gebäude vor allem noch mit fossiler Heizung ausgerüstet sind und dass noch zu wenige Heizungen getauscht wurden. Das liege vor allem an langen Planungszeiträumen, einer "nicht unaufwendigen Förderlandschaft" und an Personalengpässen bei der Kommune.
In vier größeren Gebieten der Stadt soll in den nächsten Jahren ein zentrales Wärmenetz kommen. Das sei laut einer Mitteilung der Stadt "der größte Hebel". Diesen Schritt erkennt auch Oestringer von "Fridays For Future" an: "Für Konstanz ist es super wichtig, dass die Wärmeenergie, die jetzt in der Planung ist, schnell gebaut wird. Das ist wahrscheinlich einer der Schlüsselmaßnahmen für den Klimaschutz in Konstanz. Das ist das Gute, dass wir diese Planung mittlerweile haben. Und da geht es jetzt darum, dass diese Netze sehr schnell umgesetzt werden."
Ein Parkplatz geht, einer neuer kommt
Wie schwierig die Umsetzung der Ziele in Konstanz sind, zeigt sich auch in kleineren Dimensionen. Die Parkplätze in der Stadt sollen laut Klimaschutzstrategie halbiert werden. Damit soll der Verkehr in der Stadt deutlich reduziert werden. Ein Grundsatzbeschluss des Gemeinderats sagt nun aber, dass Parkplätze, die in der Stadt wegfallen, an einer anderen Stelle kompensiert werden müssen. Oestringer kritisiert, dass der Beschluss klar im Widerspruch zur Klimaschutzstrategie steht.
Stephan Fischer, Verkehrsplaner der Stadt Konstanz, verweist darauf, dass Besucher häufig mit dem Auto kämen, auch weil Konstanz so schlecht mit der Bahn zu erreichen sei. "Die Reduktion von Stellplätzen im öffentlichen Raum wird möglich sein, wenn künftig mehr Haushalte auf ein eigenes Auto verzichten", schreibt Fischer auf Anfrage.
Um diese Entscheidung zu erleichtern, soll mehr in den öffentlichen Nahverkehr investiert werden. Dafür brauche es aber mehr Geld, meint der Verkehrsplaner. Das könne über einen Mobilitätspass funktionieren, über den Kommunen Abgaben erheben können. Damit würde der öffentliche Nahverkehr dann mitfinanziert. Dafür müsse das Land Baden-Württemberg aber erst die Rechtsgrundlage schaffen.
Zum fünften Jahrestag des Konstanzer Klimanotstands ist vor allem viel in der Planung passiert. Die Realität hinkt allerdings hinterher. Es gebe noch viel zu tun, sagt Oberbürgermeister Ulrich Burchardt. Er ist froh, dass er eine sehr große Mehrheit der Konstanzerinnen und Konstanzer hinter sich sieht. "Klimaschutz ist keine Pizza - Klimaschutz kannst du nicht vom Sofa aus mit einer App beim OB bestellen, sondern alle müssen mit anpacken."