Corona-Teststrategie Was der PCR-Test-Mangel bedeutet
Die verlässlichen PCR-Tests gibt es künftig nur noch für ausgewählte Gruppen - es reicht nicht mehr für alle. Antigen-Tests aber haben Nachteile - und gäbe es nicht auch Alternativen? Antworten auf wichtige Fragen.
Die Ausgangslage
Die Zahl der täglichen Ansteckungen mit dem Coronavirus steigt dramatisch, die Sieben-Tage-Inzidenz erreicht täglich neue Höchststände - die Omikron-Wand ist auch in Deutschland angekommen. Angesichts der massiven Ausbreitung wird es an anderer Stelle knapp: bei den PCR-Tests. Die Labore kommen nicht mehr hinterher, dabei gelten diese PCR-Tests doch als Goldstandard für den Nachweis von Infektionen. Anders als Antigen-Schnelltests gelten sie als absolut sicher. Und dennoch beschlossen Bund und Länder, PCR-Tests ab sofort zu priorisieren - sie nehmen damit Risiken in Kauf. Das sei leichtsinnig, so die Kritik etwa von CSU-Chef Markus Söder in den tagesthemen. Die jetzt beschlossene Priorisierung bedeute, dass ab diesem Zeitpunkt "wir keine Ahnung haben, wie hoch die Infektionszahl wirklich ist".
Wie viele PCR-Tests werden momentan in Deutschland gemacht?
Zuletzt waren es laut Robert Koch-Institut und dem Laborverband ALM rund zwei Millionen Tests in einer Woche - ein Höchststand in der Corona-Krise. Von den zwei Millionen Tests war etwa jeder vierte positiv. Die Labore waren demnach zu 86 Prozent ausgelastet. Für die vergangene Woche wurde eine Kapazität von etwa 2,5 Millionen Tests gemeldet.
Was sagen die Labore?
Der Verband der Akkreditierten Labore in der Medizin (ALM) rief die Politik zu Gesprächen über die angestrebte Ausweitung der PCR-Testkapazitäten auf. "Wir müssten wissen, um wie viel die Kapazität erhöht werden soll und in welchem Zeitraum", sagte der Vorsitzende Michael Müller der Deutschen Presse-Agentur. Beim Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) erklärte er: "Wir können die Kapazitäten nicht beliebig von heute auf morgen ausbauen." Die Labore hätten bereits seit Oktober "in Eigenverantwortung" zusätzliche Kapazitäten für 500.000 PCR-Testungen geschaffen.
Der Vorsitzende des Berufsverbands Deutscher Laborärzte, Andreas Bobrowski, sagte der "Welt", der Mangel an Laborpersonal lasse sich vorerst nicht beheben.
Gibt es PCR-Alternativen?
Der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Janosch Dahmen, hat bereits vorgeschlagen, PCR-Tests künftig im Pool-Verfahren auszuwerten. Deutschland hinke wegen seiner Strategie der Einzelauswertung anderen Staaten hinterher. Beim Pool-Verfahren werden mehrere Proben gleichzeitig geprüft, wenn der Befund positiv ist, werden alle Tests noch mal einzeln ausgewertet. Das bindet weniger Kapazitäten.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagte dazu in der ARD mit Blick auf die Vorgängerregierung: "Dieses Verfahren ist vor einem Jahr nicht vorbereitet worden, darum können wir darauf jetzt nicht zurückgreifen."
Der Deutsche Städtetag schlug vor, zur Erweiterung der PCR-Kapazitäten auf sogenannte POC-PCR-Tests zu setzen, die ohne Labor auskommen und schnelle Ergebnisse liefern sollen. "Dafür müsste dann aber auch die Finanzierung für diese Test verbessert werden", sagte Städtetagspräsident Markus Lewe der Deutschen Presse-Agentur.
Was machen andere Länder (besser)?
In der österreichischen Hauptstadt Wien wird so viel per PCR getestet wie bei uns im ganzen Land. Schon 2020 hatte man dort die Infrastruktur dafür aufgebaut. Mit dem Angebot "Alles gurgelt" sei ein PCR-Test für Zuhause entwickelt worden, bei dem zur Überprüfung der Ausweis erfasst und das Gurgeln gefilmt werde, so ein Sprecher des Gesundheitsressorts der Stadt. Die Tests können in vielen Drogerien abgeholt und in Hunderten von Geschäften und Tankstellen abgegeben werden. Zweimal am Tag holt die Post die Berge von Proben ab.
Durchschnittlich erhält nach Angaben der Stadt jeder rund 16 Stunden nach dem Gurgeln sein PCR-Ergebnis. Dafür sorgt ein großes Labor, das mittlerweile rund 1000 Menschen beschäftigt. "Die Kosten liegen mit mittlerweile knapp sechs Euro pro Test nur wenig über den von Antigen-Tests", so der Sprecher weiter. Sie werden vom Bund übernommen.
Die Kapazitäten sind gewaltig. Pro Woche werden rund 2,1 Millionen Tests ausgewertet. Angesichts der Omikron-Variante und den nun rekordhohen Infektionszahlen ist den Angaben zufolge die Kapazität aufgestockt worden: von 500.000 Tests täglich auf 800.000.
Sind Schnelltests ausreichend sicher?
Lauterbach sagte: "Wenn zwei Antigentests hintereinander positiv sind, dann ist das fast so sicher wie ein PCR-Test." Es komme nur "ganz selten" vor, dass sie ein falsches Ergebnis lieferten. Der Laborärzte-Vertreter Müller sieht das anders: "Antigen-Schnelltests bieten zum Freitesten nicht genügend Sicherheit. Wir sehen in unserem Laboralltag zu viele falsche Schnelltestergebnisse und empfehlen daher das konsequente Freitesten im PCR-Verfahren." Auch der Bremer Epidemiologe Hajo Zeeb liegt auf dieser Linie. "Es ist problematisch, dass sich Klinik- und Pflegepersonal in Zukunft mit einem Antigentest nach sieben Tage freitesten kann", sagte er dem RND. "Ich halte es für sinnvoll, dass in diesen sensiblen Bereichen weiterhin PCR-Tests verwendet werden."